„Transformation braucht Kulturwandel.“
SHE works! im Gespräch mit Katrin Schneider, Senior VP of Project Transformation, SBU Intelligent Cockpit bei HARMAN Automotive
Frauen in der Tech- und Automobilbranche stehen vor besonderen Herausforderungen. Doch das Beispiel von HARMAN, eine Samsung-Tochter, die sich auf vernetzte Technologien für die Automobil-, Verbraucher- und Unternehmensmärkte konzentriert, zeigt, dass sich der Wandel hin zu mehr Vielfalt, Inklusion und einem zukunftsorientierten Führungsstil aktiv gestalten lässt. Wir sprechen mit Katrin Schneider, die selbst ihren Karriereweg in einem technisch-orientierten Berufsfeld erfolgreich geht und sich gerne leidenschaftlich für eine offene, inklusive Unternehmenskultur einsetzt sowie strukturelle, strategische und kulturelle Transformationen aktiv mit unterstützt. Am Beispiel ihres aktuellen Arbeitgebers HARMAN erläutert sie wie Employee Resource Groups (ERGs) und Kultur-Leitbilder entscheidend dazu beitragen können, diesen Wandel voranzutreiben.
Welche Herausforderungen sehen Sie speziell für Frauen in der Tech- und Automobilbranche?
Die Automobilbranche ist eine, die (leider) teilweise stark an ihren Traditionen festhält, und auch weiterhin historisch überwiegend männlich geprägt ist, was den Wandel manchmal erschwert. Viele Unternehmen tun sich folglich immer noch schwer, sich für neue Ansätze, Denkweisen und Technologien zu öffnen, und gleichermaßen auch Frauen auf allen Karrierestufen ausreichend zu unterstützen. Im Zusammenhang mit letzterem, sehen wir besonders in Führungsrollen Nachholbedarf. Meiner Erfahrung nach können Mentoring-Programme oder Netzwerke, die Frauen gezielt fördern, hier helfen.
Bei HARMAN setzen wir auf eine offene, moderne Unternehmenskultur: Diversität und Inklusion sind fest verankert. So zählen sie neben Integrität, Innovation, Exzellenz, und Teamwork zu unseren fünf Corporate Values, also den Grundwerten nach denen wir als globales Unternehmen handeln. Ausgrenzung hat entsprechend bei uns keinen Platz, und wir arbeiten aktiv daran, den Wunsch nach Vielfalt und Offenheit auf allen Ebenen zu stärken. Doch Veränderung beginnt immer bei einem selbst – und auch hierbei wollen wir unsere Mitarbeitenden weltweit aktiv unterstützen und bestärken.
Wie gestaltet HARMAN den Wandel hin zu mehr Diversität und Inklusion?
Ein zentraler Baustein sind unsere Employee Resource Groups (ERGs), wie zum Beispiel das HARMAN Women’s Network (HWN), das HARMAN Black Professionals Network oder HARMAN Pride. Diese Gruppen bieten sichere Räume für Austausch und gegenseitige Unterstützung. Das HWN beispielsweise setzt sich dafür ein, dass HARMAN ein erstklassiger Arbeitsplatz für Frauen ist. Hier gibt es Initiativen wie Buddy-Programme für Frauen in Elternzeit, Vorträge von erfolgreichen Frauen aus Industrie und Gesellschaft, die über ihren Werdegang und eventuelle Strategien zur Bewältigung von Benachteiligungen oder allgemeine Herausforderungen berichten, oder Events zur Förderung von Work-Life-Balance. Das sind nur einige Beispiele von Aktivitäten des HWN. Besonders inspirierend finde ich, dass wir auch aktive männliche Kollegen im HWN haben, die sich konstruktiv an den Diskussionen und Aktivitäten beteiligen und so ebenfalls positiv zur Veränderung beitragen.
Ziel aller ERGs ist es, dass sich jeder akzeptiert, verstanden und unterstützt fühlt. Entsprechend haben wir auch für andere Gruppen gezielte Angebote, wie das Pride-Netzwerk für LGBTQ+-Mitarbeitende oder die Neurodiversity ERG, die Aufklärung zu Neurodivergenz betreibt und betroffene Kolleginnen und Kollegen stärkt. Diese ERGs und Netzwerke laufen mittlerweile fast von selbst, weil sie eine starke Identifikation schaffen. Sie bieten nicht nur Safe Spaces, sondern fördern auch kontroverse und konstruktive Diskussionen – ein wichtiger Faktor für Veränderung.
Welchen Leitprinzipien folgen Sie bei HARMAN?
HARMANs fünf Grundwerte habe ich bereits erwähnt. In der Automotive Division, wo ich arbeite, die auch unser größter Geschäftsbereich mit knapp 16.000 Mitarbeitenden weltweit ist, haben wir auf diesen aufgebaut und für uns ein kulturelles Leitbild entwickelt. Dieses besteht aus sechs Kulturidentitäten, oder wie wir sie nennen „Automotive Superpowers“. Nach diesen arbeiten wir zusammen und möchten uns weiterentwickeln. Sie umfassen grundlegende Prinzipien wie “Purpose drives Action”, „Act like owners“, „Embrace collective intelligence“ oder „Move as one with the impact of thousands“. Diese Superpowers spiegeln unsere Werte wider und geben uns eine klare Orientierung, um unsere Strategie umzusetzen.
Ein Beispiel dafür ist „Trust and transparency, always“. Vertrauen und Offenheit sind essenziell für effektives Teamwork und auch für die Zusammenarbeit mit unseren Kunden und Partnern. Ohne sie könnten wir die individuellen Stärken nicht nutzen, um gemeinsam Großes zu erreichen. Die Superpowers fördern auch Diversität und Inklusion, weil sie unterschiedliche Perspektiven und Hintergründe einbinden.
Wie gelingt es Ihnen, diese Superpowers intern zu leben und zu fördern?
Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass Transformation grundsätzlich nur gelingen kann durch das Zusammenspiel von Kultur, Strategie und Partnerschaften. Ein wichtiger Aspekt ist demnach, zu verstehen und zu kommunizieren, welchen Stellenwert die Unternehmenskultur hat, oder auch haben soll.
Bei HARMAN sehe ich dieses Commitment zu Kultur, da es offensiv, als einer der fünf Eckpfeiler zur Umsetzung unserer strategischen Ziele proklamiert und kommuniziert wurde. Wir durchlaufen seit nunmehr drei Jahren eine Transformation als Gesamtgeschäftsbereich: wir haben unsere Rolle als klassischer Zulieferer hinterfragt und neu gedacht, haben unsere strategischen Ziele neu gesteckt und angefangenen für uns zum ersten Mal ein Produktgeschäft in Automotive aufzubauen, und wir suchen proaktiv die Partnerschaft mit anderen Technologieunternehmen und Partnern, die ähnlich ticken.
Aber vor allem, wie gesagt, haben wir den Kulturwandel bei uns angestoßen. Und das mit Erfolg und der Treibkraft vieler ganz getreu unserer Superpower ‚Move as one with the impact of thousands‘. Jährlich verpflichten sich im Rahmen der persönlichen Zielvereinbarung knapp 6.000 Mitarbeitende weltweit, also mehr als ein Drittel, aktiv an kulturellen Zielen mitzuarbeiten. Für alle Mitarbeitenden gibt es eine großangelegte Kampagne „Drive Our Culture“, die die Superpowers in den Fokus rückt, den Rahmen für gezielte Kultur-bezogene Aktionen steckt und das Bewusstsein für den Kulturwandel schärft.
Auch wir Führungskräfte sind stark eingebunden. Wir haben aus der Riege der Führungskräfte eine interne Automotive Transformation Coalition etabliert, eine Gruppe von ca. 25 Führungskräften aus allen Funktionen im Unternehmen, die sich mit der Transformation im Unternehmen befasst, Ziele definiert und Mitarbeitenden Orientierung gibt. In jedem unserer regelmäßigen Workshops, und fast in jeder unserer 14-tägigen Besprechungen, ist das Thema Kultur und damit die Superpowers auf der Agenda.
Was raten Sie anderen Unternehmen, die noch nicht so weit sind wie HARMAN?
Strukturellen Wandel können viele Unternehmen. Wer aber langfristig damit erfolgreich sein will, der darf wie gesagt den kulturellen Wandel und das Zusammenspiel beider Dimensionen nicht aus dem Auge verlieren. Der für mich erste wichtige Schritt in diesem Prozess ist der Aufbau von Netzwerken und Safe Spaces. Mitarbeitende müssen sich abgeholt fühlen und Möglichkeit zur Partizipation am Wandel haben. Zu wissen es gibt Anlaufstellen für meine Gedanken und Bedürfnisse und dass ich den offenen, geschützten Austausch mit anderen darüber suchen kann, das bestärkt den Einzelnen und bringt ihn letztlich dazu, das eigene Potenzial, beruflich, fachlich, aber auch menschlich abrufen zu können.
Ein weiterer zentraler Punkt ist Mentoring. Ich selbst habe in meiner Laufbahn Erfahrungen als Mentee und später auch als Mentorin sammeln dürfen und sicherlich von beidem profitiert. Natürlich lohnt es sich besonders in das Mentoring von Nachwuchsführungskräften zu investieren und ihnen erfahrene Mentorinnnen und Mentoren zur Seite zu stellen. Aber auch Mentoring-Angebote für jeden im Unternehmen verzeichnen große Erfolge bei uns. Sie eröffnen neue Perspektiven für alle Teilnehmenden und bringen den Einzelnen zur Entfaltung. Bei HARMAN profitieren wir Führungskräfte beispielsweise auch von Reverse Mentoring, in dem wir in die Rolle des Mentee schlüpfen und uns von Kolleginnen und Kollegen mit weniger Berufserfahrung, aber vielleicht mit spezieller Expertise in einem bestimmten Themenbereich coachen lassen.
Als dritten Punkt und Baustein zum Erfolg, sehe ich die Bereitschaft und Fähigkeit der Führungskräfte, den Wandel mitzutreiben und vorzuleben. Das schafft Vertrauen, Authentizität und inspiriert. Hier schließt sich der Kreis wieder zu meiner Anfangsthese: die Veränderung beginnt letztlich immer bei einem selbst.
Wie sehen Sie die Zukunft von Diversität und Inklusion in der Automobilbranche und darüber hinaus?
Ich bin überzeugt, dass sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren vieles in puncto Diversität und Inklusion, wofür wir heute noch (teilweise) hart arbeiten müssen, als normal und gegeben etabliert haben wird. Ich beobachte bereits heute, dass jüngere Generationen, meine Nichten zum Beispiel, ein natürliches Verständnis für Diversität mitbringen. Sie hinterfragen Unterschiede seltener und begegnen ihnen mit einer Selbstverständlichkeit und Offenheit.
Bei HARMAN sehe ich schon jetzt, dass wir in den kommenden Jahren an einem Punkt sein werden, an dem Diversität und Inklusion selbstverständlich sind. In anderen Unternehmen wird dieser Prozess vielleicht länger dauern, da zuerst noch verkrustete Denkweisen aufgelöst werden müssen. Doch durch den konstruktiven Austausch und ein gefördertes Voneinander-Lernen kann er beschleunigt werden. Mein Wunsch ist, dass Vielfalt und Inklusion so selbstverständlich werden, dass wir gar nicht mehr darüber sprechen müssen – sie gehören dann einfach zur Normalität.
Vielen Dank für das Gespräch!
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