„noac“ unterstützt im OP: Wir haben eine neue Technologieklasse geschaffen
Sabrina Hellstern und Claudia Sodha sind beide Geschäftsführerinnen von Hellstern medical, beide bringen unterschiedliche Quallifikationen mit. Sabrina Hellstern war in verantwortlicher Position im Bereich Medizintechnik tätig, Claudia Sodha ist Ingenieurin und Betriebswirtin, mit Stationen in der IT- und Unternehmensberatung. Zusammen mit ihrem Team haben sie noac entwickelt, einen cyber-physischen OP-Roboter, der Chirurg:innen während Operationen unterstützt.
SHE works! hat sie zu der Entwicklung von noac befragt, zu der Idee, der Gründung und ihren Zukunftsplänen mit ihrer neuen Technologieklasse, die einen ganz neuen Weg im Bereich Medizin aufzeigt.
Frau Hellstern, Frau Sodha, Sie haben einen Roboter entwickelt, der in der Medizin Einsatz findet: „noac unterstützt nicht nur die Hand, sondern den gesamten Körper – Klingt sehr spannend! Was genau macht Ihre Technologie so besonders?
noac löst ein Problem, das bisher niemand gelöst hat: Chirurg:innen arbeiten stundenlang unter physischer Belastung – in Zwangshaltungen, meist über den Patienten gebeugt. Das hält auf Dauer kein Operierender ohne Schmerzen aus.
Daher nehmen 40 % regelmäßig Schmerzmittel, 75 % leiden an berufsbedingten Erkrankungen. Und all das, um millimetergenau zu operieren – mehrfach am Tag, mit dem Anspruch, für jeden Patienten das beste Ergebnis zu erzielen.
Denn genau das verlangt das Gesundheitssystem – doch wer denkt an die, die es am Laufen halten?
Bisherige Roboter helfen hier kaum: Sie sind teuer, komplex – und decken nur rund 5 % der Eingriffe ab. Die Chirurgie hat sich verändert – doch die Chirurg:innen arbeiten noch immer wie vor 150 Jahren: Im Stehen. Ohne Entlastung. noac ändert das: Er erweitert den menschlichen Körper funktional – und bringt ihn auf das Leistungsniveau industrieller Robotik.
Das steigert nicht nur Präzision und Effizienz – es macht One-Person-Surgery erstmals klinisch realisierbar.
Und wie arbeitet das System?
Noac ist ein cyber-physischer OP-Roboter, der den gesamten Körper des Chirurgen unterstützt: sensorbasiert, algorithmisch gesteuert, auf dem Niveau industrieller Präzision. Er fühlt die Bewegungen des Operateurs, folgt den Bewegungen in Real-
Time, stabilisiert diese, hält diese 100% sicher in der Endposition – zum Beispiel bei einem Schnitt in der Herzchirurgie. Damit wird die chirurgische Präzision, OP-Qualität, Konzentration und Effizienz gesteigert. Die Häufigkeit von Fehlern sinkt um bis zu 67%! Das ist mit Studien bewiesen. noac ist weltweit das erste System, das den Körper und die Hände des Operateurs aktiv hält – und es funktioniert in jeder OP-Umgebung.
Kann man sagen, Ihre Innovation hebt möglicherweise Operationen auf ein neues Level?
Ein erfahrener Chirurg steht oft viele Stunden bei mehreren Eingriffen – in Schräghaltungen, unter Konzentrationsdruck, mit hoher körperlicher Belastung. Muskelermüdung ist hier keine Nebensache. Sie entscheidet über Präzision – und damit über Patientensicherheit.
noac setzt genau dort an: Er entlastet, stabilisiert, schützt – und sorgt dafür, dass der letzte Patient die gleiche Sicherheit, das gleiche Outcome erhält wie der erste.
Für die Kliniken entsteht daraus echter Effizienzgewinn: Mit noac lassen sich doppelt bis dreifach so viele Eingriffe pro Tag durchführen – bei gleichbleibender Qualität.
Und gerade die erfahrensten Operateur:innen – jene, die wir uns bei komplexen Eingriffen am meisten wünschen – haben meist schon tausende Stunden am OP-Tisch verbracht. Sie verdienen die beste Unterstützung. Damit sie genau dort bleiben können, wo wir sie brauchen: Im OP.
Kann man damit OPs durchführen, die bisher vielleicht nur sehr schwierig oder gar nicht möglich sind?
Ja – noac verändert nicht nur, wie operiert wird. Sondern wo, wie oft – und unter welchen Bedingungen. Denn viele Operationen scheitern heute nicht an der Technik, sondern am System: zu wenig Personal, zu hohe körperliche Belastung, zu lange Wartezeiten. 40% der Operationen werden aktuell verschoben und zum Teil abgesagt. Gerade bei Tumorerkrankungen zählt oft jeder Tag – und doch warten viele Menschen in Europa Wochen oder Monate auf ihren Eingriff.
Mit noac entsteht ein neues Versorgungsmodell: One-Person-Surgery. Ein erfahrener Chirurg, körperlich gestützt durch noac, umgeben von automatisierten Helfersystemen – und in der Lage, die gesamte Operation eigenständig durchzuführen.
So können OP-Prozesse völlig neu organisiert werden. Eingriffe, die heute verschoben werden müssen, können durchgeführt werden. In Kliniken mit hoher Falllast. In Regionen mit Personalmangel. In Situationen, in denen jede Minute zählt.
Und: noac geht weit über das klassische Gesundheitswesen hinaus.
Wir arbeiten mit Institutionen wie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), um chirurgische Versorgung auch dort zu ermöglichen, wo sie bisher undenkbar war – etwa im militärischen Einsatz oder in der Raumfahrt. Die USA sind beim Thema chirurgische Automatisierung bereits weiter. Umso mehr freuen wir uns, dass wir als einziges deutsches Unternehmen in das Innovation Exchange Programm der Mayo Clinic (Beste Klinik der Welt/Forbes) aufgenommen wurden. Als eines von nur zehn Unternehmen global.
Kommen Sie beide aus dem Bereich Medizin?
Sabrina Hellstern war viele Jahre in der Medizintechnik tätig – im Vertrieb, Business Development und strategischen Management, unter anderem bei führenden Mittelstands- und Großkonzernen. Sie war häufig direkt an der Schnittstelle zu Entwicklung und Produktion unterwegs. Chirurgen kannten sie als „diejenige, die wirklich zuhört und liefert“ – und kamen mit ihren Herausforderungen direkt auf sie zu.
Claudia Sodha ist Ingenieurin und Betriebswirtin, mit Stationen in der IT- und Unternehmensberatung sowie bei PwC. Sie verantwortete bereits die Vorbereitungen für einen IPO und bringt das technische, analytische und betriebswirtschaftliche Know-how mit, um visionäre Ideen strukturiert in die Umsetzung und Skalierung zu bringen.
Heute führen wir gemeinsam ein Team aus rund 100 Spezialist:innen – von Chirurgen über Sensorik-Expert:innen bis zu Robotik- und Softwareentwickler:innen.
Sie haben noac selbst konzipiert. Was muss man mitbringen, um solche Entwicklungsarbeiten zu leisten?
Strategische Klarheit, technologisches Verständnis und die Vision, ein System zu entwickeln, das weltweit Leben rettet.
Wir haben mit einem konsequenten Lean Management Approach und einem Team aus über 100 hochspezialisierten Expert:innen – darunter Chirurgen, Robotik-, Sensorik- und Softwareentwickler:innen – ein fertiges, MDR-zertifiziertes Medizinprodukt geschaffen, das bereit ist für den globalen Roll-out.
noac ist bereits in deutschen Kliniken im Einsatz. Wie ist die Resonanz auf Ihre Entwicklung?
Chirurgen berichten, dass sie nach Jahren erstmals ohne Schmerzen und körperliche Erschöpfung durch lange Eingriffe kommen. Besonders in der minimalinvasiven Chirurgie ist der Unterschied deutlich spürbar: Die Präzision eines robotischen Systems – mit einer Vorbereitungszeit von unter einer Minute. Für die offene Chirurgie ist noac das weltweit erste robotische System überhaupt. Im Gegensatz zu bestehenden robotischen Systemen setzen sie noac für nahezu jede Operation ein – mit einer Vorbereitungszeit von nur einer Minute, rund um die Uhr.
Die ersten Kliniken haben bereits nachbestellt – nicht nur, weil noac operative Abläufe effizienter macht, sondern weil sie ihren Chirurg:innen einen spürbar besseren Arbeitsplatz bieten können. Und vor allem: Weil Patient:innen das Vertrauen gewinnen, dass der Mensch am OP-Tisch körperlich fit, konzentriert und bei voller Kraft ist.
Als Gründerinnen in der Tech-Branche haben Sie ein robotisches Hightech-Produkt auf den Markt gebracht – in einem Umfeld, das nach wie vor stark männlich dominiert ist. Wie wurden Sie mit Ihrer Idee wahrgenommen – und wie haben Sie es geschafft, zu überzeugen?
Männern glaubt man die Vision – Frauen müssen sie erst beweisen. Viele Due Diligences starten gar nicht, nicht aus Gründen, sondern aus Reflex.
Auch unser System wurde anfangs unterschätzt. Heute zeigt der direkte Vergleich: Startups, die mehr als das Vierfache unseres Budgets eingeworben haben, verfügen nicht einmal über halb so viele Patente wie wir. Wir hingegen haben mit einem Bruchteil des Kapitals ein zertifiziertes Medizinprodukt entwickelt – komplett inhouse, mit eigener Sensorik, eigener Software und einem Team von Spezialisten.
Und wir haben nicht einfach einen Roboter gebaut. Wir haben eine neue Technologie geschaffen – und ermöglichen damit Millionen Menschen den Zugang zu robotischer Chirurgie. Männer kündigen die Marslandung an. Wir haben sie im OP durchgeführt.
Was hat Sie beide motiviert, durchzuhalten?
Zum einen: die Chirurg:innen, die mit ihrem Problem auf uns zugekommen sind. Und der Gedanke an die Patient:innen, die heute noch viel zu oft warten müssen – auf ihre OP, auf mehr Sicherheit, auf mehr Präzision.
Zum anderen: Wir beide sind Unternehmerinnen! Wir lieben es ein Unternehmen zu bauen, zu skalieren, Verantwortung zu übernehmen – und auch den Erfolg zu wollen. Und was uns wirklich erfolgreich macht: Wir ergänzen uns auf besondere Weise. Claudia bringt Struktur, analytische Tiefe und präzise operative Führung. Sabrina denkt strategisch vernetzt, erkennt früh systemische Muster – und transformiert Visionen in skalierbare Realität.
Claudia sagte in einem Interview: „Wir sind zwei, die sich einfach finden mussten.“
Und genauso ist es!
Was sind Ihre Pläne für noac? Gibt es eine Evolutionsstufe oder Weiterentwicklung?
Wir haben mit noac eine Core Technology geschaffen, die nicht nur den Chirurgen körperlich unterstützt – sondern den gesamten Workflow im OP neu denkt.
One-Person-Surgery heißt: Ein Chirurg, unterstützt durch kollaborative Robotik, führt eine vollständige Operation selbstständig durch. Das ist keine ferne Vision – sondern unser konkreter Entwicklungspfad. Heute ist noac bereits in deutschen Universitätskliniken im täglichen Einsatz. noac wird jetzt ergänzt um ein vollautomatisiertes Robotik-Ökosystem. Auch dafür haben wir die komplette Hard- und Software bereits. Deshalb wird Hellstern medical bis in drei Jahren den Operationssaal vollständig automatisieren für die One-Person-Surgery.
In 2025 haben wir unsere Tochtergesellschaft in den USA gegründet – und außerdem mit dem Markteintritt in den Vereinigten Arabischen Emiraten begonnen. Unsere Skalierungsstrategie ist glasklar: USA, GCC, Asien.
Wir haben heute schon erreicht, was nur 1 % der Startups in Europa schaffen – und wir bleiben exakt auf dieser Roadmap. 2029 wird Hellstern Medical nicht nur ein Unicorn sein, sondern auch Millionen Menschen den Zugang zu robotischer Chirurgie ermöglicht haben.
Hut ab vor Ihrer Leistung! Gibt es etwas, was Sie anderen Gründerinnen im Bereich Technologie mit auf den Weg geben wollen? Tipps Ratschläge, Ideen …
Geht früh in internationale Märkte – dorthin, wo Wirkung zählt, nicht Herkunft. In den USA, der arabischen Region und Asien haben wir erlebt: Wenn die Technologie stimmt, stehen viele Türen offen – unabhängig vom Geschlecht.
Unser zweiter Rat: Baut euer Netzwerk mit Menschen, die Substanz und Weitblick haben. Wir hatten das Glück, solchen Menschen zu begegnen – Unterstützer:innen, die verstanden haben, was wir vorhaben. Ohne sie wären wir nicht da, wo wir heute sind.
Und drittens: Lasst euch nicht vom Klischee ablenken. Frauen wird oft Emotionalität unterstellt – dabei sind es in Wahrheit viele Gründerinnen, die mit klarem Fokus, analytischer Stärke und technologischer Tiefe arbeiten. Nicht laut, aber präzise. Nicht versprochen, sondern geliefert.
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