Wenn Väter mitmachen …
… Die Auswirkungen von Elternzeit auf die Karrieren von Frauen
Von Federica Boarini
2022 nahmen etwa 26,1 % der Väter in Deutschland Elternzeit, eine leichte Steigerung im Vergleich zu 25,3 % im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Doch bei der Dauer der Elternzeit zeigt sich weiterhin ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern: Während Mütter durchschnittlich 14,6 Monate in Elternzeit gehen, sind es bei Vätern lediglich 3,6 Monate. Diese Ungleichheit wirkt sich strukturell auf die Karrierechancen von Frauen aus, die oft berufliche Möglichkeiten zurückstellen, um organisatorische und kulturelle Defizite auszugleichen.
Dabei ist Elternzeit für Väter noch immer ein wenig genutztes Modell. Dennoch zeichnet sich ein Wandel ab: Immer mehr Männer möchten aktiver am Familienleben teilnehmen – ein Trend, der sich auch in anderen Ländern zeigt. In London hängten junge Väter Puppen in Babytüchern an Statuen, um auf längere Vaterschaftsurlaube aufmerksam zu machen. Die Aktion der Aktivistengruppe „Dad-Shift“, die für eine bessere Elternzeitregelung in Großbritannien eintritt, unterstreicht den gesellschaftlichen Wandel.
Diese Entwicklung wirft Fragen auf: Wie erleben moderne Väter die Balance zwischen Beruf und Familie? Gespräche von Headhuntern mit Millennial-Vätern (geboren zwischen 1981 und 1996) aus verschiedenen Branchen geben Einblicke in ihre Erfahrungen und Herausforderungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Väter von heute wollen aktiv am Familienleben teilhaben
Die Rolle des Vaters hat sich stark verändert. „Ich bin gerade Vater geworden und brauche flexible Arbeitszeiten, um Zeit mit meiner Familie zu verbringen“ – Sätze wie dieser hört man immer häufiger in Vorstellungsgesprächen. Es ist nicht mehr nur eine Frauensache, offen über die Elternrolle zu sprechen. Auch Männer zwischen 35 und 45 Jahren machen heute keinen Hehl daraus, dass die Familie bei ihnen an erster Stelle steht – selbst in leitenden Positionen oder bei ambitionierten Karriereplänen. Dieser Wandel in der Haltung spiegelt einen wichtigen kulturellen Umbruch wider. Vaterschaft wird zunehmend als wichtiger Teil des eigenen Lebensentwurfs gesehen, aber auch als Beitrag zum Wohl der Familie.
Ein Krankenpfleger aus einem privaten Krankenhaus erzählt: „Ich arbeite in der Pflege, aber außerhalb der Schichten bin ich Vollzeit-Papa. Meine Frau ist gerade wieder ins Berufsleben eingestiegen, und wir haben zwei wenige Monate alte Zwillinge. Jede freie Minute verbringe ich zu Hause, um sie zu unterstützen. Gerade in der Stillzeit finde ich es essenziell, mit anzupacken, um unsere Familie zu entlasten.“
Das größere Engagement von Vätern ist nicht nur für die Familie, sondern auch für die berufliche Entwicklung der Frauen von entscheidender Bedeutung. Wenn die Verantwortung auf mehr Schultern verteilt wird, können Frauen leichter in ihren Beruf zurückkehren, ohne große Abstriche machen zu müssen.
Ein Punkt bleibt dabei klar: Alle befragten Väter hätten gerne mehr Zeit in Elternzeit verbracht. Auf die Frage „Hatten Sie ausreichend Elternzeit, um Ihre Familie wirklich zu unterstützen?“ lautete die einhellige Antwort: Nein, mehr Zeit wäre nötig gewesen.
Flexible Arbeitszeiten: Eine wachsende Notwendigkeit
Flexible Arbeitszeiten, die Väter als äußerst hilfreich für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie empfinden, sind nicht nur praktisch. Unternehmen, die flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice anbieten, schaffen vor allem in den ersten Lebensmonaten eines Kindes enorme Entlastung.
Flexibilität bedeutet, die Verantwortung gerechter zwischen Mutter und Vater aufteilen zu können. Gerade am Anfang, wenn der Schlafmangel groß ist, hilft es, Aufgaben gemeinsam zu schultern. Später wird diese Flexibilität essenziell, um sich um Arzttermine, Schulwege oder plötzliche familiäre Notfälle kümmern zu können.
Ein Projektmanager berichtet: „Als mein erstes Kind geboren wurde, hatte ich die Flexibilität, die ich heute habe, noch nicht. Mit meinem dritten Kind erlebe ich, wie Homeoffice und flexible Arbeitszeiten es ermöglichen, berufliche Ziele und Familienleben besser in Einklang zu bringen.“
Die interviewten Väter betonen dabei, dass Homeoffice nicht mit Kinderbetreuung während der Arbeitszeit verwechselt werden darf. Im Gegenteil: Wer von zu Hause arbeitet, sollte auch dafür sorgen können, ungestört produktiv zu sein. Gleichzeitig wird deutlich, dass Eltern, die Homeoffice wünschen, dies nicht tun, um weniger zu arbeiten, sondern um die Doppelbelastung besser zu organisieren.
Unternehmen und gesellschaftliche Vorurteile
Auch wenn immer mehr Väter ihre Wünsche klar äußern, stoßen sie nicht immer auf Verständnis – weder bei Kollegen noch bei Vorgesetzten. Viele berichten, dass es noch an Akzeptanz für ihre Rolle als aktiver Elternteil fehlt. Ein Befragter sagt: „Mein Arbeitgeber bietet zwar flexible Modelle, aber es gibt nach wie vor das Vorurteil, dass gute Arbeit an der Zeit im Büro gemessen wird, nicht an den Ergebnissen.“
Dieses Missverständnis begegnet Vätern auch im Alltag. Ein Vater erzählte, wie er mit seinem Kind beim Arzt gefragt wurde: „Und wo ist die Mutter?“ Solche Kommentare zeigen, dass es nach wie vor ungewöhnlich erscheint, wenn ein Vater sich gleichberechtigt in die Betreuung seiner Kinder einbringt und gleichzeitig berufliche Anforderungen meistert.
Der Wandel in der Denkweise vieler Väter ist ein wichtiger Schritt hin zu einer gerechteren Elternschaft. Doch die Statistiken zeigen, dass es noch ein langer Weg ist, bis sich ein wirklich gleichberechtigtes Modell durchsetzt.
Um echte Gleichberechtigung zu erreichen, müssen Unternehmen Richtlinien fördern, die beide Elternteile unterstützen. Das bedeutet: Anreize für Väter, Elternzeit zu nehmen, karrierefreundliche Maßnahmen für Eltern sowie einen kulturellen Wandel, der Elternschaft als gemeinsame Verantwortung ansieht.
Für Frauen bedeutet dies nicht nur gerechtere Karrierechancen, sondern auch eine Entlastung und ein höheres persönliches Wohlbefinden. Die Unterstützung der Vaterschaft ist nicht nur eine Frage der Rechte der Väter, sondern auch eine Investition in die berufliche und persönliche Zukunft arbeitender Frauen.
Federica Boarini …
… begann 2018 ihre Karriere bei Reverse und ist heute für die internationale Entwicklung und die Leitung von Reverse Deutschland verantwortlich. Reverse ist eine auf Headhunting und HR-Beratung spezialisierte Gruppe, die 2017 in Mailand gegründet wurde. Das Unternehmen hat Niederlassungen in Berlin, Hamburg, Paris, Barcelona und Bologna und beschäftigt rund 100 Mitarbeiter.
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