FAQ zu den Neuregelung zum Kinderkrankengeld
Die neue Regelung zum Kinderkrankengeld ist noch nicht in Kraft gesetzt. Sie wurde allerdings heute vom Bundesrat beschlossen. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten soll die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgen. In diesem Fall soll sie rückwirkend zum 5. Januar 2021 in Kraft treten.
Dr. Björn Otto, Fachanwalt für Arbeitsrecht, zu den wichtigsten Fragen, die sich für Unternehmen jetzt ergeben.
1. Inhalt der geplanten (Neu-)Regelung – wie ist die aktuelle Rechtslage?
„Wenn Eltern nicht arbeiten können, weil Schulen oder Kitas pandemiebedingt nicht geöffnet sind oder darum gebeten wird, diese Einrichtungen nicht zu besuchen, haben Eltern bislang nur einen Anspruch auf Entschädigung aus dem Infektionsschutzgesetz. Dieser Anspruch ist aber zum einen – mit 67 Prozent des Nettoeinkommens – nicht so hoch, und zum anderen in vielen Fällen ausgeschlossen. Beispielsweise gilt er zwar, wenn Eltern den Appellen aus der Politik folgen und Schulkinder bei einer Aussetzung der Präsenzpflicht zuhause betreuen, aber nicht, wenn Eltern ihre Kinder nicht in die Kita bringen.“
„Für das Kalenderjahr 2021 soll das Kinderkrankengeld, umgangssprachlich als „Kind-krank-Tage“ bezeichnet, verdoppelt werden. Der „Coup“ dabei ist: Diese Tage können entweder – wie schon immer – eingesetzt werden, um ein krankes Kind zu betreuen. Vor allem aber können sie auch dann in Anspruch genommen werden, wenn Kinder aufgrund der Corona-Pandemie von ihren Eltern zuhause betreut werden müssen. Dabei weisen sie aus Arbeitnehmersicht – aber auch für den Arbeitgeber – viele Vorteile gegenüber dem Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz auf.“
3. Welche Vorteile sind das?
„Das fängt damit an, dass der geplante Anspruch höher ist als die Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz. Darüber hinaus unterliegt der Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz vielen Beschränkungen, die für die Kinderkranktage offenbar nicht gelten sollen. Denn dieser ist beispielsweise ausgeschlossen, wenn Kinder in der Notbetreuung ihrer Schule untergebracht werden könnten. Im jetzigen Lockdown ist die Notbetreuung aber – anders als im letzten Frühjahr – für nahezu jedes Kind offen, sodass eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz ausscheidet. Überdies besteht der Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz für die meisten Erwerbstätigen wohl nicht, wenn sie ihre Arbeit im Homeoffice verrichten können.“
4. Wann besteht ein „pandemiebedingter Betreuungsbedarf“, der zur Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld berechtigt?
„Der Anspruch soll nicht nur bei Schließungen und Betretungsverboten von Schulen und Kitas bestehen, sondern auch bei zum Infektionsschutz verlängerten oder eigens angeordneten Ferien sowie bei der Aussetzung der Präsenzpflicht in Schulen und einem eingeschränkten Kinderbetreuungsangebot in Kitas oder Kindertagespflege.“
5. Wer kann das Kinderkrankengeld in Anspruch nehmen?
„Der Anspruch besteht nur für erwerbstätige Eltern, die gesetzlich versichert sind. Außerdem gilt er nur, wenn das zu betreuende Kind unter zwölf Jahre alt oder behindert und selbst auch gesetzlich versichert ist. Ein Anspruch ist ausgeschlossen, wenn das Kind durch eine andere im selben Haushalt lebende Person betreut werden kann.“
6. Wie hoch ist der Anspruch für die Eltern?
„Die Berechnung des Kinderkrankengelds erfolgt so wie immer, das heißt relativ kompliziert: Der Arbeitnehmer erhält grundsätzlich 90 Prozent seines Nettolohns, höchstens jedoch 112,88 Euro je Kalendertag. Von dem so ermittelten Kinderkrankengeld wird jedoch noch der Arbeitnehmeranteil an den Sozialversicherungsbeiträgen abgezogen.“
7. Für wie lange besteht der Anspruch auf Kinderkrankengeld maximal?
„Die Neuregelung soll erst einmal ’nur‘ für das Kalenderjahr 2021 gelten. Für diesen Zeitraum verdoppelt sich der bisherige Anspruch von 10 auf 20 Tage beziehungsweise für Alleinerziehende von 20 auf 40 Tage je Kind, bei mehreren Kindern allerdings insgesamt für nicht mehr als 45 Tage.“
8. Können die Eltern nur die neuen zusätzlichen Kind-krank-Tage für pandemiebedingten Betreuungsbedarf aufwenden?
„Die Eltern können alle Kind-krank-Tage für den pandemiebedingten Betreuungsbedarf verwenden. Sind die Tage aufgebraucht, steht ihnen aber freilich kein Anspruch mehr zu, wenn zwar die Corona-bedingten Einschränkungen vorüber sind, aber ein Kind später krank wird.“
9. Ab wann soll die neue Regelung gelten?
„Die neue Regelung ist noch nicht in Kraft gesetzt. Sie soll heute vom Bundestag und am 18. Januar 2021 vom Bundesrat beschlossen werden. Nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten soll die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgen. In diesem Fall soll sie rückwirkend zum 5. Januar 2021 in Kraft treten.“
10. Wie kann der Anspruch durch die Eltern nachgewiesen werden?
„Ist das Kind krank, wird – wie immer – eine ‚Ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes‘ benötigt. Wird es hingegen pandemiebedingt zu Hause betreut, genügt eine Bescheinigung der jeweiligen Einrichtung. Laut Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen müssen in dem Nachweis die genauen Gründe, beispielsweise ‚pandemiebedingte Schließung‘ oder ‚Betretungsverbot‘ benannt werden.“
11. Was bedeutet das für Unternehmen? Ist es für Arbeitgeber günstiger, wenn Arbeitnehmer Kinderkranktage oder die Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG geltend machen?
„Für den Arbeitgeber ist das Kinderkrankengeld im Vergleich zu der Entschädigung nach § 56 Abs. 1a IfSG die vorzugswürdigere Lösung. Denn das Kinderkrankengeld wird direkt von der Krankenkasse an den Mitarbeiter gezahlt. Die Entschädigung wird hingegen vom Arbeitgeber ‚vorgestreckt‘; er muss sie sich von der zuständigen Behörde zurückerstatten lassen. Wenn es zwischen der zuständigen Behörde und dem Unternehmen zum Streit kommt, ob ein Entschädigungsanspruch besteht, trägt er also das Kostenrisiko. Solche Differenzen sind beispielsweise denkbar, weil der Arbeitgeber meint, dass dem Mitarbeiter Homeoffice parallel zur Betreuung oder gar Beschulung eines Kindes nicht zumutbar sei. Dies wird die Zahlstelle oftmals anders bewerten.“
12. Was ist einem Unternehmen zu raten, wenn auf einmal ein Großteil der Belegschaft pandemiebedingte Kinderkrankentage einreicht?
„Eine Möglichkeit des Arbeitgebers, wegen pandemiebedingten Betreuungsbedarfs geforderte Arbeitsbefreiungen abzulehnen, ist in dem Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Anders als zum Beispiel bei Teilzeitbegehren kann er dem nicht betriebliche Belange entgegenhalten. Er muss auf den Dialog und die Verständigung mit seinen Beschäftigten setzen und gemeinsame mit ihnen tragbare Lösungen erarbeiten. Besteht zum Beispiel die Möglichkeit, dass ein Teil der Mitarbeiter in der ersten und ein Teil in der zweiten Wochenhälfte die Betreuung der Kinder anderweitig bewerkstelligt? Können beide Elternteile Kind-krank-Tage in Anspruch nehmen?“
13. Muss zunächst Resturlaub genommen werden? Wie sind Überstunden zu behandeln? Einfluss auf Urlaubsanspruch des laufenden Jahres?
„Der Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht sofort, auch wenn Resturlaub vorhanden oder ein Überstundenausgleich offen ist. Das ist ein weiterer Vorteil gegenüber dem Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz. Hier müssen Überstunden zunächst abgebaut und Urlaub jedenfalls zeitanteilig genommen werden.“
14. Arbeitnehmer-Anspruch trotz Homeoffice?
„Anders als beim Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz soll – so Bundesgesundheitsminister Spahn – auch unerheblich sein, ob der Arbeitnehmer im Homeoffice arbeiten könnte. Denn Homeoffice soll hier nicht als anderweitige Betreuungsmöglichkeit gelten. Dies ergibt sich allerdings nicht eindeutig aus dem Gesetzesentwurf selbst, soll aber in der Gesetzesbegründung klargestellt werden. Dieser gesetzgeberische Wille wird bei der Auslegung der Regelung dann zu beachten sein.“