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Arbeitszeiterfassung- auch für kleine Betriebe sinnvoll

Stempeln klingt nach längst vergangenen Industrietagen. Nachvollziehbar, dass „Legal Tribune Online“ kürzlich besorgt fragte: „Kommt die Stechuhr für alle?“ Anlass war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Zeiterfassung. Damit verpflichteten die Europarichter auch deutsche Firmenchefs mit Blick auf die europäische Arbeitszeitrichtlinie, die tägliche Arbeitszeit aller Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Für viele Unternehmen wäre das aber gar nichts Neues. Zumindest Überstunden sind schon nach deutschem Arbeitszeitrecht generell zu erfassen. Zudem fordert das Mindestlohngesetz die Dokumentation von Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit – es sei denn, der Beschäftigte verdient brutto über 2.958 Euro oder 2.000 Euro verstetigt im Schnitt. Es gibt also schon weitreichende Vorgaben zu diesem Thema. Vielleicht stellt sich also eigentlich eher die Frage: Warum nicht gleich ein Arbeitszeitkonto für jeden Mitarbeiter? Darauf geht DATEV in einem aktuellen Trialog-Artikel ein.

Das Arbeits­zeit­kon­to ist bei Mit­ar­bei­tern beliebt

Die Vorteile liegen auf der Hand. Bei den zahlreichen Aufzeichnungspflichten sowie oft gewährten flexiblen Arbeitszeiten drängt sich ein Arbeitszeitkonto als Lösung auf, um geleistete Stunden zu dokumentieren. Jeder zweite Arbeitnehmer hat laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) schon eins. Seit 1999 stieg der Anteil der Beschäftigten mit einem Arbeitszeitkonto von 35 auf 56 Prozent. Jeder dritte Betrieb bietet es seinen Mitarbeitern an – auch viele kleinere Unternehmen. In der Regel dient das Arbeitszeitkonto dem Ausgleich von Überstunden. Beschäftigte nutzen die Spielräume, um die Vereinbarkeit von Berufsleben und Privatleben zu verbessern, so die IAB-Studie. Minus- oder Überstunden müssen dabei in vier von zehn Unternehmen binnen eines halben oder eines ganzen Jahres ausgeglichen sein. Langzeitkonten finden sich eher selten. Ihr Anteil stagniert seit Jahren bei zwei Prozent. Dabei sind sie beliebt: 76 Prozent der Arbeitnehmer haben zugesagt, als der Chef ihnen ein Langzeitkonto anbot.

Auch klei­ne Be­trie­be pro­fi­tie­ren vom Ar­beits­zeitkonto

Eröffnen Betriebe ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, ein Arbeitszeitkonto zu führen, ziehen zwischen 85 und 92 Prozent der Beschäftigten mit. Der höchste Anteil findet sich laut IAB-Studie in Unternehmen mit bis zu neun Beschäftigten. Gerade bei diesen kleinen Betrieben bietet jedoch überhaupt nur jeder vierte ein Arbeitszeitkonto an. Hier verpassen viele Firmenchefs also die Chance, mit diesem Instrument die Flexibilität und Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern. Bei Unternehmen mit zehn bis 49 Beschäftigten gibt es immerhin in jedem zweiten auch Arbeitszeitkonten. Der Anteil steigt laut IAB-Betriebspanel 2018 auf 81 Prozent bei Betrieben mit über 250 Beschäftigten. Die größeren Unternehmen profitieren also besonders von den Vorteilen: Höhere Flexibilität für den Arbeitgeber wie auch den Arbeitnehmer. Und größere Zufriedenheit bei den Mitarbeitern dank mehr Zeit für Familie, Sabbatical, Weiterbildung oder auch Vorruhestand. Dafür nehmen sie gerne ein paar Nachteile in Kauf – hier nennt das Wirtschaftsmagazin „impulse“ aus Unternehmersicht vor allem den Verwaltungsaufwand.

Sinnvoll bei Gleit­zeit, Sabba­ti­cal und Sai­son­geschäft

Das Arbeitszeitkonto ist kein Luxusthema für Betriebe mit Gleitzeit, Sabbaticals und sonstigem vermeintlich modernem Schnickschnack. Es ist auch für Firmenchefs in Branchen interessant, deren Probleme abseits der Balance-Fragen liegen. So können Bauunternehmer mit Arbeitszeitkonten etwa Probleme wie Winterarbeitslosigkeit für ihre Mitarbeiter besser auffangen. Die Sozialkasse Soka Bau weist auf diese Möglichkeit als Alternative zur winterbedingten Entlassung hin. Selbst für Minijobber sind Arbeitszeitkonten geeignet, betont die Minijobzentrale. Und sogar für Geschäftsführer – ihnen tut der strukturierte Ausgleich von Überstunden und der Abbau psychischer Überlastungen sicher ebenfalls gut. Aber Vorsicht: Legen Geschäftsführer für sich ein Arbeitszeitkonto zum Ausgleich an und bilden dafür Rückstellungen, wittert der Fiskus schnell eine verdeckte Gewinnausschüttung. Zurecht, wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits urteilte. Hier ist deshalb mit dem Steuerberater zu klären, wie man am besten verfährt.

Vor dem Arbeits­zeit­kon­to kommt die Über­stun­denfrage

Schon mit Blick auf ihre Aufzeichnungspflichten sollten Unternehmer klar festlegen, was als Überstunde gilt und wie die Anordnung erfolgt. Mit Anwalt und Steuerberater sind hierzu vertragliche sowie steuerliche Fragen zu klären. Vor allem müssen klare und eindeutige Vorgaben im Arbeitsvertrag stehen. Nur so lassen sich Arbeitsstunden später rechtssicher notieren – egal ob auf einem Stundenzettel oder per App. Das hilft Unternehmern auch, Auseinandersetzungen um nicht entgoltene Stunden und deren Aufzeichnung zu vermeiden, etwa nach einer Kündigung. Beim Steuerberater sollten Unternehmer zudem Abrechnungsfragen klären – insbesondere, wenn Stunden in Folgejahre geschoben werden können oder Minusstunden auflaufen. Unabhängig vom Arbeitszeitkonto wirft Arbeitszeit also schon genug steuerliche und rechtliche Fragen auf.

Das Langfrist-Ar­beits­zeit­kon­to muss in­sol­venz­fest sein

Besonders wichtig: Mitarbeiter können ihrem Arbeitgeber per Arbeitszeitkonto nicht einfach Plusstunden aufdrücken. Und beim einem langfristig angelegten Arbeitszeitkonto sollten Unternehmer unbedingt mit Anwalt und Steuerberater klären, wie sie ihre finanziellen Pflichten gewährleisten. Das gilt auch für den Fall eines Arbeitgeberwechsels oder einer möglichen Insolvenz. Im Insolvenzfall gewährt das Insolvenzgeld lediglich Ersatz für Lohnansprüche der vergangenen drei Monate. Das vierte Sozialgesetzbuch verpflichtet Arbeitgeber daher, darüberhinausgehende Zeitguthaben ihrer Mitarbeiter auf Arbeitszeitkonten gegen Insolvenz abzusichern und insolvenzfeste Rücklagen dafür zu bilden. Zur Absicherung verpflichtet sind Arbeitgeber spätestens nach 27 Monaten Laufzeit des Zeitguthabens, oder wenn es einen bestimmten Wert erreicht, informiert das nordrhein-westfälische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Gesetzliche und auch tarifliche Vorgaben müssen Unternehmer einhalten. Sie haben Vorrang vor individuellen Vereinbarungen, die dann als nächstes Thema sein sollten.

So lassen sich Ar­beits­zeit­kon­ten fi­nan­ziell absichern

Für Langzeitarbeitszeitkonten ist Insolvenzsicherung gesetzlich Pflicht. Politiker und Experten empfehlen sie aber generell ab 150 vorgearbeiteten Stunden. Neben der nicht insolvenzsicheren Möglichkeit eines Sperrkontos haben Unternehmen drei Möglichkeiten:

  1. Anlagemodell: Hierbei werden liquide Mittel in verschiedene Geld- oder Vermögensanlagen ausgelagert. Vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters sichern diese Mittel eine Verpfändungsvereinbarung oder doppelseitige Treuhandvereinbarung.
  2. (Bank-)Bürgschaft: Ein Kredit- oder Versicherungsunternehmen übernimmt eine Bürgschaft in Höhe der abzusichernden Zeitguthaben gegen Gebühr (Avalprovision).
  3. Kautionsversicherung: Ein Versicherungsunternehmen übernimmt eine Bürgschaft in Höhe der abzusichernden Wertguthaben. Ein Teil der zu erwartenden Wertguthaben werden als Kaution bei der Versicherung hinterlegt. Das Unternehmen zahlt eine Versicherungsprämie.

Auch die Verpfändung von Unternehmenswerten ist möglich. Unternehmer sollten mit dem Anwalt die Rechtssicherheit und vertragliche Details der Absicherung besprechen sowie mit dem Steuerberater die steuerliche Gestaltung. Was die Zeiterfassung auch fürs Arbeitszeitkonto betrifft: Hier geht alles – von der App über den Stundenzettel bis zur guten alten Stechuhr an der Wand.

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