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Eine Frau, ein Dudelsack und ein Buch – Tanja Köhler

Ein Coach spielt nicht unbedingt Dudelsack, und wer Dudelsack spielt, schreibt nicht unbedingt gleich ein Buch. Tanja Köhler macht alles zusammen. Bücher schreiben, Vorträge halten und Dudelsack spielen.

Frau Köhler, Sie sind Psychologin, Coach, Kauffrau, Speakerin und jetzt auch Buchautorin. Wie bringen Sie das denn bitte alles unter einen Hut?

*lacht* Diese Frage wird mir oft gestellt. Und dabei werden die wichtigsten Rollen in meinem Leben nicht einmal berücksichtigt: Mutter eines 10jährigen, Ehefrau und „Die Tanja“ als Frau, die auch persönliche Bedürfnisse hat. Wie bei anderen berufstätigen Frauen eben auch: es gibt Phasen, da gelingt alles wie am Schnürchen und „Yipiheiho“ ich habe ein Energie-Füllhorn ohne gleichen.

Und dann gibt’s die Phasen, bei welchen ich denke: „Das packe ich nicht! Ich kann nicht mehr“ Wenn ich bei solchen Gedanken angekommen bin, dann weiß ich „Tanja, da hast Du etwas in den letzten Wochen falsch gemacht! Du hast Dich wieder viel zu sehr um andere gekümmert und wenig um Dich selbst!“. Und genau da liegt eigentlich mein persönliches Erfolgsrezept. Ich habe gelernt, „Nein zu sagen“. Ich habe gelernt es auszuhalten, wenn mal nicht alles geschafft worden ist. Ich habe gelernt, mir Freiräume zu schaffen. Freiräume, in welchen ich Energie tanken kann. Und das klappt nur, wenn ich sie weit im Voraus als „TABU für andere!“ in meinem Kalender eintrage. Und so arbeite ich zum Beispiel freitags nie und da steht im Kalender „Zeit für TANJA – TABU für andere!“. Und das gelingt mir zumindest an 25 von 52 Freitagen. *schmunzelt*

Ein Buch zu schreiben ist ja schon etwas Anderes, Besonderes. Was hat Sie denn an der Idee gereizt oder anders: „Warum ein Buch?“

Eigentlich sind meine Kunden darauf gekommen, dass ich ein Buch schreiben soll. Als Coach und Trainerin wurde ich immer wieder gefragt: „Wo kann ich das nachlesen? Und wo gibt’s mehr?“. Dieser Wunsch gepaart mit dem großen Druck des Speaker-Marktes („… wenn Du gebucht werden willst, dann MUSST Du ein eigenes Buch haben! …“) hat mich dann dazu gebracht, ein Buch zu schreiben. Aber nicht irgendein Buch. Es ist nämlich alles andere als ein Akquise-Instrument geworden. Wer mein Buch gelesen hat, der weiß: „Das ist ein Herzensbuch!“. Da gibt jemand seine Seele mit rein und nimmt die Menschen liebevoll mit auf eine eigene Reise. Kein Tschakka! Kein „Du kannst alles, wenn Du nur willst!“.

Das Jahr als ich anfing Dudelsack zu spielen, so der Buchtitel – Spielen Sie Dudelsack?

*grinst* Ojaaaaaaaaa! Ich spiele den großen schottischen Highland-Dudelsack. Den, den wir alle aus dem Fernseher kennen. Der, der einem mit seinen 125 db die Ohren zum Schwingen bringt und manch‘ einem das Gesicht vor Schmerzen verzerrt,  wenn die Töne (wie bei mir) extrem schief rauskommen. Der, der einem die Romantik-Tränen in die Augen zaubert, weil er uns in eine andere Welt entführt. Nach Schottland. Einem der größten Kraftorte, die mir auf meinen Reisen begegnet ist.

Das Buch ist eine Anleitung zur Veränderung in der Mitte des Lebens. Für welche Veränderungen geben Sie denn eine Anleitung, mehr privat oder mehr beruflich?

*nachdenklich‘ Hmmmmh… Beides! Weil für mich eben Beides zusammenhängt und nicht als zwei unterschiedliche Bereiche zu sehen sind. Bestimmt  kennen Sie Mobiles, die so oft in Kinderzimmer hängen. Genauso kann man sich das vorstellen. Wenn ich an einem Teil des Mobiles ziehe, dann kommt alles andere in Bewegung. Und genauso ist es mit Veränderungen. Wenn Du privat etwas änderst, dann verändert es das Berufliche mit. Und umgekehrt auch. Stell‘ Dir mal vor, Du willst für Deinen Job lernen, klarer zu sein. Deutlicher Deine Wünsche zu formulieren und Deine Meinung einzubringen. Dann habe ich die berechtigte Vermutung, dass genau das im Privatleben auch nicht klappt. Das Buch hat somit alles im Blick. Und auch wenn es „Eine Anleitung zur Veränderung in der Mitte des Lebens“ heißt, so geht es nicht immer um den großen „Wurf“. Sondern auch um die vielfältigen kleinen Dinge, die es zu ändern gilt. Egal, wie alt man ist.

Ihre Anleitungen und Ausführungen im Buch sind sehr persönlich gehalten. Sie erzählen von eigenen Erfahrungen und den für Sie daraus resultierenden Ergebnissen. War diese persönliche Art von Anfang an geplant?

Neee, ich hatte gar nichts geplant. Ich wusste nur, dass ich dem Leser kluge Fragen mit auf dessen Weg geben wollte. Aber dass es sich dann so persönlich entwickelt hat, das hat sich erst im Laufe des Schreibens herausgestellt. Ich weiß, es hängt mit meiner Persönlichkeit zusammen. Ich bin keiner der Coaches, die nichts von sich zeigen und steril wirkende Fragen stellen. Ich bin ein gefühlsvoller Coach zum Anfassen. Ich lache, ich habe Tränen in den Augen, ich spüre die Angst, ich bin ärgerlich, ich bin amüsiert… und, und, und. Und genau das ist es, was meine Kunden an mir mögen. Mit meinen persönlichen Erfahrungen zeige ich: „Schau mal, ich kenne das auch gut – ich bin alles andere als „Madame Perfect“. Und so versuche ich ein Vorbild durch meine „guten und schlechten“ Zeiten UND Seiten zu sein.

Sie versuchen bei Ihrem Gegenüber mit Ihren Erzählungen eine Reaktion auszulösen. Bei Vorträgen kann ich mir gut vorstellen, dass das funktioniert. Aber wie funktioniert das mit einem Buch?

Spannende Frage. In der Tat bin ich jemand, der in meinen Vorträgen die Menschen mitnimmt. Berührt. Bewegt. Seitdem mein Buch erschienen ist, habe ich ab und zu schon die Rückmeldung bekommen, dass es sogar fast noch besser ist, als meine Vorträge. Huiiii. Es ist mein Schreibstil, der die Menschen mitnimmt. *lacht*. Als ich das Buch geschrieben habe, habe ich meine Augen geschlossen und mir vorgestellt, dass meine beste Freundin Sabine neben mir auf der Couch sitzt und ich ihre alles erzähle. Und genau das ist es, was mir die Leser zurückmelden: „Tanja, ich habe das Gefühl, Du sitzt als Freundin neben mir auf dem Sofa und sprichst mit mir! Oftmals bekomme ich die verblüffte Rückmeldung: “Du schreibst ja so, wie Du sprichst“. Ich glaube, man nennt das Authentizität. Wobei ich dieses Wort so niemals verwenden würde. J

Jetzt mal praktisch: Welche Anleitungen und Tipps geben Sie jemanden, der über Veränderungen nachdenkt?

In meinem Buch findet sich eine Art Leitformel zur Veränderung. Wohlgemerkt, es ist keine mathematische Formel, sondern ich „klopfe“ wesentliche Bereiche ab, die meiner Meinung nach Menschen mit Veränderungswünschen bremsen oder sogar ganz davon abhalten. Da geht es zum Beispiel um Themen wie „Wie ehrlich bin ich eigentlich zu mir selbst?“ Ein Schwerpunkt liegt bei mir auf unserer Herkunftsfamilie. Ich nenne das „Vorwärts in die Vergangenheit“. Viele Antworten, warum wir unsere Veränderung nicht angehen und warum wir so sind, wie wir sind, finden wir dort. Vor allem für Menschen, die sich wie ich in der Mitte ihres Lebens befinden.

Unsere Eltern waren Kinder im zweiten Weltkrieg. Viele von ihnen sind traumatisiert worden. Keiner hat sich darüber Sorgen gemacht, geschweige denn darüber gesprochen. Erst seit 2006 wurde das von Sabine Bode mit ihrem Buch „Die vergessene Generation“ thematisiert. Aus der Forschung wissen wir, das unverarbeitete Traumen per Generationentransfer auf uns Kinder – die sogenannte Generation der Kriegsenkel – weitergegeben worden sind. Unbewusst. In dem Kapitel über die Herkunft gebe ich viele gute Fragen, die weit über die üblichen Glaubenssätze, die man sonst so in Trainings und Coachings bearbeitet, hinaus. Es würde jetzt aber hier den Rahmen sprengen. Sie sehen aber: meine Augen blitzen voller Begeisterung. Dort, in der Vergangenheit, dort finden wir viele Antworten und die Möglichkeit das HEUTE zu verändern. Deswegen ja auch „Vorwärts in die Vergangenheit!“.

Was sagen Menschen dazu, die sich sonst mit Anleitungen und Tipps schwer tun?

Ich glaube fest daran, dass das „sich mit Anleitungen und Tipps schwertun“ ein Teil des Veränderungsthemas insgesamt ist. Wenn ich solchen Menschen begegne, dann thematisiere ich genau diese Wahrnehmung: „Warum tust Du Dich schwer mit Anleitungen und Tipps?“ Und in den allermeisten Fällen sind wir dann – schwupsdiwupsi – in der Vergangenheit. In der Herkunftsfamilie. Spätestens dann sind wir mitten in der Veränderung. „Warum tue ich mich so schwer damit? Was würden meine besten Freunde dazu sagen, warum? Was müsste passieren, damit ich mich ernsthaft mit den Tipps beschäftige? Was würde passieren, wenn ich’s mal versuchen würde? Was wäre, wenn der Versuch von Erfolg gekrönt wäre? …“ Ich finde, das sind tolle Fragen!

Gibt es denn so viele Leute, die in der Mitte des Lebens vielleicht orientierungslos sind, einen Neuanfang planen wollen, aber nicht wissen wie?

Kurz und bündig: JA! Für viele ist es nur „ein dumpfes, vages Gefühl“. Es gibt die einen, die schon immer unruhig von Neubeginn zu Neubeginn springen und immer das Gefühl haben, nicht angekommen zu sein. Da brauche ich nur einen kurzen Blick auf deren Herkunft schauen und habe schon viele Hypothesen. Für solche Leute wäre der Neubeginn das Bleiben.

Und dann gibt es die vielen anderen, die in der Loyalität zum jetzigen Leben gefangen. Viele fragen sich – obwohl sie schon längst erwachsen sind – was denn ihre Eltern davon halten würden. Viele haben eine Idee, was sie gerne machen würden. Aber, es fehlt der Mut. Weil ein Neubeginn immer gleichzeitig ein Abschied bedeutet. Ein Abschied mit Preisschild.

In meinem Buch schreibe ich von der Musikgruppe Ich & Ich mit Adel Tawil und seinem Lied „So soll es bleiben… “. Eine Freundin hatte mir das Lied geschenkt, als ich wieder inmitten eines Umzugs steckte. Der 17.te in meinem Leben. Fast jeder kann den Text des Liedes mitsingen: „Ich warte schon so lange auf den einen Moment. Ich bin auf der Suche nach hundert Prozent. Wann ist es endlich richtig? Wann macht es einen Sinn? Ich werde es erst wissen wenn ich angekommen bin“. Dem brauche ich hier nichts mehr hinzuzufügen, gell?

die-tanja-koehler-mit-dudelsack-kleinSie selbst haben sich Ihren Traum erfüllt und begonnen Dudelsack zu spielen. Wie haben Sie das umgesetzt? Einfach drauf los?

*grinst verschmitzt* Naja, ich habe mich schon erkundigt und eigentlich sprach alles – aber auch wirklich alles – gegen den Dudelsack. Es ist teuer. Es ist sehr, sehr zeitintensiv. Und Dudelsack-Lehrer wachsen nicht auf Apfelbäumen. Nach und nach hat sich aber jedes Argument in Luft aufgelöst und am Schluss stand ich dann vor der Entscheidung: „Tun? Oder lassen?“ Jeder von uns kennt das. Uns ist alles klar und wir könnten es tun. Tun es aber trotzdem nicht. Ich schaue dann verständnisvoll und sage dann aber amüsiert: „Es gibt halt diese Überwindungskosten! Bedeutet: sich überwinden und dann von der Überwindung kosten – Überwindungskosten.“ Inzwischen spiele ich seit über 2 Jahren Dudelsack. Es ist mega! Das Teil ist so kompliziert, dass ich – wenn ich übe – an keine meiner anderen Rollen im Leben denken kann. Es gibt keine Gedanken an das Mittagessen, das gekocht werden will. Es gibt keine Gedanken an das Angebot, das geschrieben werden möchte. Und es gibt keine Gedanken daran, wie ich das Geld für meinen nächsten Schottland-Aufenthalt zusammen bekommen werde. Es gibt nur mich und den Dudelsack. Der Dudelsack ist für mich die Metapher für all‘ die unerfüllten Wünsche der Menschen und für die Freiheit, die Dinge zu tun, die sie schon lange tun möchten. Deswegen meine Frage: Was ist DEIN Dudelsack? Und wann fängst Du an ihn zu leben?

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Tanja Köhler, Das Jahr als ich anfing, Dudelsack zu spielen Tanja Köhler ist Psychologin, Coach, Kauffrau und Speakerin. Sie berät Unternehmer, Manager, aber auch „Menschen wie dich und mich“. Ihre Vorträge und vor allem dieses Buch berühren, treffen ins Schwarze und fordern unnachahmlich auf, sich und etwas im Leben konkret zu verändern.

 

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