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Equal Pay Day – Warum die Bereinigung so wichtig ist

Der Equal Pay Day dient oft als Anlass, um auf die vermeintlich großen Verdienstunterschiede hinzuweisen. Nur: Der simple Vergleich der Löhne hat wenig Aussagekraft, weil diese sich aus etlichen Gründen unterscheiden können. Selbst der bereinigte Gender Pay Gap nähert sich einer präzisen Berechnung lediglich an, so das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

21 Prozent: Seit Jahren geistert diese Zahl durch die Medien. Der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap, den das Statistische Bundesamt jedes Jahr veröffentlicht, beschreibt den durchschnittlichen Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen. So verdienten Frauen im Jahr 2018 durchschnittlich 17,09 Euro brutto je Stunde, Männer kamen dagegen auf 21,60 Euro.

Ideale Berechnung vergleicht identische Zwillinge

Was auf den ersten Blick erschreckend klingt, hat tatsächlich kaum Aussagekraft. Denn Löhne unterscheiden sich aus vielen Gründen: Die Branche spielt eine große Rolle, die Größe des Unternehmens, oder ob eine lange oder kurze Berufserfahrung vorliegt. Eine ideale Berechnung würde deshalb ausschließlich den Lohn von gleich qualifizierten Männern und Frauen vergleichen, die unter exakt gleichen Bedingungen arbeiten. Doch solche Daten gibt es nicht. Das IW nutzt deshalb wie viele andere Institute auch für diese Berechnungen das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), das auf einer repräsentativen Befragung beruht und bereits eine Vielzahl von Kriterien umfasst.

Wichtige Faktoren: Berufserfahrung, Branche, Betriebsgröße

„Mit einer entsprechenden Modellierung nähern wir uns dem idealen Vergleich so weit wie möglich an“, sagt IW-Ökonom Jörg Schmidt. Das Ergebnis ist der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap. Demnach gehören häufig die Berufserfahrung, die Branche und die Größe des Unternehmens zu den wesentlichen Erklärungsfaktoren, so der IW-Wissenschaftler. Frauen arbeiten beispielsweise häufiger in Branchen, in denen niedrigere Löhne gezahlt werden, wie etwa in vielen Dienstleistungsbereichen. Sie arbeiten auch häufiger in kleinen Unternehmen, die ein geringeres Lohnniveau als Großunternehmen aufweisen, und haben oft auch weniger Berufserfahrung als Männer, beispielsweise weil sie für Kinder und die Pflege von Angehörigen häufiger Auszeiten nehmen als Männer.

Die verbleibende Lücke ist nicht mit Diskriminierung gleichzusetzen

Der verbleibende Verdienstunterschied von 3,8 Prozent, der sich mit all diesen Faktoren nicht erklären lässt, kann nicht mit Diskriminierung gleichgesetzt werden: In der Berechnung fehlen immer noch viele Faktoren, die einen Einfluss auf die Lohnhöhe haben können. So unterscheiden sich beispielsweise Frauen und Männer auch in ihren Verhandlungsstrategien und Risikoeinstellungen – um den Einfluss solcher Faktoren für den Lohnunterschied zu messen, fehlen bisher jedoch geeignete Daten.

Bereinigter Verdienstunterschied in Deutschland leicht rückläufig

Um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt zu fördern, strebt die EU-Kommission unter anderem eine Verringerung der geschlechterbezogenen Entgeltlücke an. Dabei fokussiert sie bislang vor allem auf die durchschnittlichen oder unbereinigten Entgeltunterschiede, die allerdings wenig aussagekräftig sind. Ein vorsichtiger Blick auf Daten zur bereinigten Entgeltlücke zeigt, dass in einigen Staaten und insbesondere auch in Deutschland die Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern leicht abgenommen hat.

Die EU-Kommission verfolgt im Rahmen ihrer Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter das Ziel, den sogenannten Gender Pay Gap, also die durchschnittliche Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen, zu reduzieren (EU, 2016). Im Rahmen ihres Aktionsplans für die Jahre 2017 bis 2019 hat sie sich auch das Ziel gesetzt, Daten zum bereinigten Gender Pay Gap gemeinsam von der EU-Kommission und Eurostat erarbeiten zu lassen (EU, 2017). In diesem Kontext dürften die aktuellen Beiträge von Leythienne/Ronkowski (2018) und Boll/Lagemann (2018) zu nennen sein sowie ergänzend dazu auch eine vergleichbare Studie von Boll et al. (2016). Die bereinigte Lohnlücke kann als verbleibender Teil der durchschnittlichen Entgeltlücke interpretiert werden, wenn sich Frauen und Männer in einer Vielzahl von lohnrelevanten Merkmalen gerade nicht unterscheiden, wie etwa hinsichtlich der Größe des Betriebs, der Bildung, der Betriebszugehörigkeitsdauer, der Branche, des Berufs, usw. Damit ist die bereinigte Entgeltlücke deutlich aussagekräftiger, da sie einen präziseren Vergleich der Löhne von Frauen und Männern mit ähnlichen personen- und tätigkeitsbezogenen Merkmalen herstellt und insofern auch den Grundsatz des gleichen Entgelts bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besser zum Ausdruck bringt.

Nur alle vier Jahre Berechnungen zum Gender Pay Gap

Während die Angaben zum durchschnittlichen Gender Pay Gap jährlich erscheinen und häufig auch im Zentrum des medialen Interesses stehen, können Berechnungen zum bereinigten Gender Pay Gap aufgrund der Verfügbarkeit der erforderlichen Daten (nationale Verdienststrukturerhebungen) nur im Abstand von vier Jahren erfolgen. Die nunmehr vorliegenden Ergebnisse in Boll/Lagemann (2018) und Boll et al. (2016) erlauben dennoch einen begrenzten zeitlichen Vergleich von Daten zum bereinigten Lohnabstand, da sie auf Basis derselben Datengrundlage (die auch die amtliche Statistik nutzt) für die Jahre 2010 und 2014 und unter Verwendung einer vergleichbaren Methodik berechnet wurden. Im Folgenden werden nur jeweils die Angaben von Staaten herangezogen, die für beide Jahre vorliegen (Grafik).

Die Bandbreite der Ergebnisse ist relativ groß. So beträgt im Jahr 2014 der bereinigte Lohnabstand 2 Prozent in Belgien und 16,7 Prozent in Estland. Deutschland gehört demnach mit einer bereinigten Entgeltlücke von 5,8 Prozent zu den Staaten mit den geringsten Entgeltunterschieden zwischen den Geschlechtern. Hinzu kommt, dass in vielen Staaten eine Reduktion der bereinigten Entgeltlücke zwischen 2010 und 2014 stattgefunden hat. Während von 2010 bis 2014 der bereinigte Verdienstabstand im Vereinigten Königreich um 3,8 Prozentpunkte abnahm, stieg die bereinigte Entgeltlücke in Estland um 1,8 Prozentpunkte. In Deutschland betrug die Reduktion immerhin 1,9 Prozentpunkte, d. h. die durchschnittlichen Lohnunterschiede konnten im Jahr 2014 zu einem größeren Anteil als noch im Jahr 2010 durch die verwendeten Merkmale erklärt werden. Besonders auffällig ist, dass Deutschland mit 14,9 Prozentpunkten (in 2014) den größten Erklärungsanteil der verwendeten Merkmale im Vergleich zu allen betrachteten Staaten aufweist, d. h. etwa 72 Prozent des durchschnittlichen Lohnunterschieds in Deutschland lassen sich darauf zurückführen, dass sich Männer und Frauen in den verwendeten lohnrelevanten Merkmalen unterscheiden.

Die Branche liefert als Erklärungsfaktor in den meisten Staaten den größten Erklärungsbeitrag (vgl. Boll/Lagemann, 2018). Hinzu kommen in einer Reihe von Staaten der Erwerbsumfang und teilweise auch die Berufserfahrung im Betrieb als wichtige Erklärungsfaktoren. Da beispielsweise Informationen zu familienbedingten Erwerbsunterbrechungen grundsätzlich nicht in den Daten zur Verfügung stehen, ist davon auszugehen, dass der bereinigte Entgeltunterschied eher als eine Obergrenze anzusehen ist (vgl. dazu auch Statistisches Bundesamt, 2019). Um die Lohnlücke noch detaillierter analysieren zu können, wären nach Möglichkeit nicht nur familienbedingte Auszeiten zu berücksichtigen, sondern gegebenenfalls weitere Informationen, wie etwa zur unterschiedlichen Partizipation von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt und/oder zu individuellen Risikoeinstellungen sowie Verhandlungsstrategien. Insofern dürften die bereinigten Entgeltunterschiede voraussichtlich bei Berücksichtigung umfassenderer Daten zu lohnrelevanten Merkmalen geringer ausfallen.

Keine pauschalen Empfehlungen aussprechen

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Lohnunterschiede in Zukunft entwickeln. Allerdings ist unklar, warum die EU-Kommission offenbar weiterhin davon ausgeht, dass die bereinigte Entgeltlücke als Indikator für Diskriminierung geeignet sei (EU, 2014a, 13 f.). Mit Blick auf die vorliegende Bandbreite der Ergebnisse scheint es zudem nicht sachgerecht, pauschale Empfehlungen auszusprechen, wie etwa mindestens eine Maßnahme zur Lohntransparenz einzuführen (EU, 2014b). Inwiefern (einzelne) Transparenzmaßnahmen überhaupt einen Einfluss auf die Lohnunterschiede haben können, ist grundsätzlich fraglich, da sie – wie zum Beispiel der Auskunftsanspruch und die Berichtspflicht in Deutschland – in keinem oder nur geringem Umfang an den Ursachen der Lohnunterschiede ansetzen. Insbesondere könnte sich auch die Übertragung von entsprechenden Erkenntnissen für einzelne Staaten auf andere Länder als schwierig erweisen, da beispielsweise die konkrete Ausgestaltung der Transparenzmaßnahmen in den EU-Staaten variiert (Veldman, 2017).

Es ist zu begrüßen, dass auf der Ebene der EU neuere Studien durchgeführt werden, die neben dem unbereinigten auch den bereinigten Lohnunterschied thematisieren. Mit geeigneten Berechnungen lassen sich grundsätzlich die quantitativen Erklärungsbeiträge einzelner Faktoren ermitteln, die Hinweise auf politische Ansatzpunkte liefern können. Gleichwohl wäre nicht nur im Bereich der Entgeltunterschiede, sondern auch in weiteren Handlungsfeldern, die die wirtschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern betreffen, eine Weiterentwicklung der EU-Indikatorik nützlich, um Fortschritte und Ursachen von Ungleichheiten aufzuzeigen und differenzierte Handlungsempfehlungen abgeben zu können (Schmidt, 2018).

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