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Frankreich hat kleinen Vorsprung bei der Gleichberechtigung

Frankreich oder Deutschland? Wo lässt es sich für Frauen leichter Karriere machen? Clementine Lalande ist die Co-CEO der Slow-Dating App Once, die in mittlerweile 8 Ländern das Online Dating revolutioniert. Sie startete ihre Karriere als Projektleiterin in der Boston Consulting Group und wurde danach Venture Capital Investorin. Sie studierte an der Ecole Centrale de Paris und der Technischen Universität Berlin und arbeitete insgesamt 3 Jahre in Deutschland – in Berlin und Frankfurt. Clementine spricht 4 Sprachen, ist verheiratet und hat eine 2-jährige Tochter.

Frau Lalande, Sie arbeiten in als Co-CEO für die Datingplattform ONCE. Vorher haben Sie in Deutschland gearbeitet. Was hat Sie bewogen, wieder aus Deutschland wegzugehen?

Die Zeit in Deutschland habe ich sehr geliebt. Ich war in einem Start-Up beschäftigt und das hat super viel Spaß gemacht. Eine tolle Zeit, in der ich Deutschland wirklich lieben gelernt habe. Der Grund, warum ich zurückgegangen bin, war ganz einfach, dass mein Mann und ich ein Baby bekommen haben.

In Deutschland wird viel über die Quote für Frauen in Führungspositionen diskutiert. Und auch in Frankreich wurde eine Quote eingeführt. Anscheinend ist es dort wesentlich unproblematischer als in Deutschland, denn die Quote in den Aufsichtsräten liegt in Frankreich bereits bei 32%. Sind die Karrierechancen für Frauen in Frankreich besser?

Ehrlich gesagt sind beide Länder so wie viele andere auch noch Jahrzehnte im Rückstand, was die die Gender-Frage betrifft. Das ist ein Desaster und eine Verschwendung von Ressourcen. Viel zu viele Frauen, die hoch qualifiziert sind, arbeiten unter ihren Möglichkeiten, nur weil sie Frauen sind. Ein Beispiel: Frankreich und Deutschland haben da wohl gemeinsam, dass diejenigen Frauen, die es bis in die Vorstände geschafft haben, im „klassisch weiblichen Bereichen“ wie HR oder CSR tätig sind. Die Quote von 32% in Frankreich mag sich nett lesen, aber sie bezieht sich nur auf Vorstände und Aufsichtsräte. Die Anzahl an Frauen in CEO Positionen ist deutlich geringer. Quote hin oder her, wir stecken noch ganz am Anfang einer dringend notwendigen Entwicklung.

Grundsätzlich sehe ich drei Ansätze, die Frankreich und Deutschland im Hinblick auf Karrierechancen unterscheiden.
Erstens: Zunächst einmal gibt es in Frankreich ganz praktische Gründe, die es den Frauen leichter machen: Zu den Kinderkrippen kommt beispielsweise hinzu, dass Kindermädchen zu einem Drittel der Kosten subventioniert werden.
Zweitens: Die sozialen Erwartungen sind in Deutschland noch konservativer. Hier scheint es zum Beispiel immer automatisch ein Frauenthema zu sein, wenn Kinder ins Spiel kommen. Ich kann da natürlich nur von mir selbst sprechen, aber meine Erfahrungen aus dem Bekanntenkreis sind zum größten Teil so. Während man in Frankreich wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die Frau bald wieder wie vorher arbeitet, stecken die Frauen in Deutschland zurück. So als wäre das eine klare Sache. Oft wird man sogar schief angeschaut, wenn man die Elternzeit nicht so lange wie möglich ausschöpft.
Drittens gibt es einen Aspekt, bei dem Deutschland klar die Nase vorn hat. Erst seit ich in Deutschland gearbeitet habe, fällt mir auf, dass es im französischen Business sexistischer zugeht. Das passiert ganz unterschwellig und wird von den Männern gerne als Gentlemen-Benehmen verkauft. Aber die Grenzen sind fließend und werden öfter überschritten, als man denkt. Soweit ich aus meiner Erfahrung sprechen kann, kommt es in Deutschland bei weitem nicht so oft vor, dass man als Frau in einem Meeting von Führungskräften auf sein Äußeres angesprochen wird. Da fallen Sätze wie „Ihre Waffen schlagen sich heute aber auch in Ihrem Outfit nieder.“ So ein Beispiel zeigt, dass Frauen erst einmal als Frau angesehen werden und erst danach als Führungskraft. Da gibt es in Frankreich noch viel Nachholbedarf.

Auch bei der Versorgung mit ganztägiger Kinderbetreuung ist Frankreich uns weit voraus. Frauen arbeiten häufiger Vollzeit als bei uns. Trotzdem werden Kinder auch mal krank. Wie schätzen Sie die Familienfreundlichkeit französischer Unternehmen ein?

Nach meiner Erfahrung haben Mütter in Frankreich tatsächlich die Nase vorn, was Ganztags-Jobs angeht. Das ist in Frankreich auch selbstverständlicher. Keine Frau muss mit komischen Blicken rechnen, wenn sie wenige Wochen nach der Geburt wieder voll arbeitet.
Was die Familienfreundlichkeit von französischen Unternehmen betrifft, kann ich jetzt nicht sagen „Juhu, in Frankreich ist alles viel besser“.  Die Unternehmen halten sich an die Gesetze, in Frankreich wie in Deutschland – nicht mehr und nicht weniger. Da haben wir Frauen die Sicherheit, wieder in unsere Jobs zurückzukehren, in der Elternzeit werden wir finanziell unterstützt usw. Aber die Weiterentwicklung in den Köpfen wird noch lange dauern. Da kann ich mich nur wiederholen: Viel zu viel Potenzial der Frauen liegt brach. Das Know-how hochqualifizierter Frauen sitzt zu Hause und während der Babypause ziehen Männer vorbei, die nicht einmal besser qualifiziert sein müssen. Wenn es eine Frau auf der Karriereleiter nach oben schafft, dann wird sie immer noch deutlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Das ist ein Skandal. Und zwar länderübergreifend.

Die Elternzeit bei Vätern ist in Deutschland noch immer eine Selbstverständlichkeit. Unternehmer und Vorgesetzte reagieren darauf immer noch – sagen wir “befremdlich”. Wie ist das in Frankreich?

Fragen Sie mal die CEOs dieser Welt, da wird kaum einer eine Job-Pause gemacht haben. Auch in Frankreich ist es eher die Ausnahme als die Regel, dass ein Mann einen Karriereknick riskiert. Und in den Unternehmen sorgt das auch immer noch für Unverständnis. Gegen Beispiele wie Kanada scheinen Frankreich und Deutschland in diesem Punkt noch Entwicklungsländer zu sein.

Mit Blick auf Ihre Arbeit hier in Deutschland: Welche positiven und auch negativen Aspekte fallen Ihnen in der deutschen Unternehmenskultur auf?

Meine persönlich positivste Erfahrung ist, dass man als Frau in deutschen Unternehmen besser über Fakten diskutieren kann, ohne dass sich sexistische Anspielungen einschleichen. Da ist nicht so schnell das Frau-sein dazwischen wie in Frankreich. Dabei kann ich allerdings nicht beurteilen, wie das in größeren Konzernen ist, weil ich meine beruflichen Erfahrungen in Start-ups und kleineren Unternehmen gemacht habe.

Was glauben Sie wo es für Frauen einfacher ist Karriere zu machen, in Deutschland oder in Frankreich?

Beide Länder sind noch Lichtjahre von der Gleichstellung beider Geschlechter entfernt. Aus meiner Perspektive hat Frankreich vielleicht einen kleinen Vorsprung. Ich habe das Gefühl, dass es in Frankreich nicht automatisch die Frau ist, von der die Gesellschaft erwartet, dass sie zurücksteckt für den Nachwuchs. Am Ende kommt es natürlich darauf an, was Frau selbst daraus macht. Ich selbst habe das Glück, dass mein Mann und ich an einem Strang ziehen. Wir teilen 50-50. Wenn das noch mehr Paare schaffen würden, dann wäre das auch akzeptierter und normaler. Schlimm, dass ich sowas wie „normal“ in diesem Zusammenhang sagen muss, oder?

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