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Helma Sick: Altersarmut bei Frauen und was man dagegen tun kann

Das Thema Altersarmut ist aktuell ein weitverbreitetes. Immer häufiger werden vor allem Frauen damit konfrontiert. Der Grund: Sie zeigen zu wenig Interesse an einer finanziellen Absicherung und verlassen sich zudem sehr auf den angeheirateten Partner. Ganz schlecht, sagt Helma Sick vom Finanzinstitut frau&geld, Sick, die aufgrund ihrer Finanztipps in der BRIGITTE, bekannt ist, spricht mit Carolin Schäufele über die aktuelle Situation und was man als Frau bei der Altersversorgung beachten sollte.

Helma Sick, frau&geld, Copyright: Quirin Leppert

Frau Sick, viele Menschen setzen sich zu spät mit dem Thema Altersvorsorge auseinander, vor allem Frauen. Warum scheuen vor allem Frauen dieses Thema?

Es ist nach meiner Erfahrung eine Mischung aus fehlender eigener Lebensplanung, Unwissenheit und Bequemlichkeit dazu führt, dass sich Frauen nicht mit dem Thema „Altersvorsorge“ beschäftigen wollen. Das Ganze wird befeuert durch falsche staatliche Anreize wie Ehegattensplitting und beitragsfreie Krankenversicherung, die Frauen davon abhalten, erwerbstätig zu sein.

Gibt es bestimmte Bildungsschichten, bei denen diese Angelegenheit besonders vernachlässigt wird?

Leider ist gerade bei gut ausgebildeten Frauen in großen Städten eine Art Rückwärtsbewegung festzustellen, ein Backlash. Da ziehen sich zu viele Frauen wieder zurück auf die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter.

Die Abhängigkeit vom alleinverdienenden Ehemann stellt anscheinend kein Problem darf. Sich im Beruf zu qualifizieren und zu beweisen, eigenes Geld zu verdienen, auf eigenen Füßen zu stehen, ist für sie kein Lebensziel.

Geringverdiener dagegen können es sich in der Regel gar nicht leisten, dass einer der beiden Partner längere Zeit aus dem Beruf aussteigt und nichts verdient. Wir haben hier also in der Anfangsphase eine Art Zweiklassengesellschaft und hinterher ein selbst geschaffenes Luxusproblem.

Viele Frauen sind der Meinung, dass sie durch Heirat im Alter versorgt sind. Durch eine Gesetzesänderung 2008 ist ein Mann allerdings nicht mehr verpflichtet, die Ex-Frau bis zum Lebensende zu finanzieren. Warum ist das immer noch so wenig bekannt?

2008 wurde das Unterhaltsrecht reformiert. Grundsätzlich wird im neuen Unterhaltsrecht davon ausgegangen, dass jeder und jede Erwachsene für seinen bzw. ihren Lebensunterhalt selbst verantwortlich ist und dass schon während der Ehe dafür Sorge getragen werden muss.

Auffallend und völlig unverständlich ist, dass dies von Frauen kaum zur Kenntnis genommen wird, Dabei hat es in den letzten Jahren kaum ein neues Gesetz gegeben, von dem Frauen unter Umständen so massiv betroffen sind.

Denn es gibt im Fall einer Scheidung nicht mehr wie früher automatisch nacheheliche Unterhaltsansprüche. Nur wenn kleine Kinder bis zu drei Jahren zu betreuen sind, bei sehr langjährigen Ehen oder wenn Frauen erhebliche berufliche Nachteile erlitten haben, kann es Unterhalt geben. Oft ist der aber zeitlich begrenzt.

Es ist für mich ein drastisches Beispiel für die Verdrängung unangenehmer Wahrheiten. Leider hilft Verdrängung nicht weiter. Irgendwann schlägt nämlich die Realität zu.

Heute noch zu glauben, über eine Ehe versorgt zu sein, ist blauäugig, wenn nicht fahrlässig. Immerhin wird jede dritte Ehe geschieden, in großen Städten sogar jede zweite. Wer nicht während der Ehe dafür Sorge getragen hat, den eigenen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften zu können z.B. durch Berufstätigkeit, hat schlechte Karten und kann armutsgefährdet sein.

Wenn Frauen sich darauf verlassen, dass sie durch ihren Mann im Alter versorgt sind und nicht arbeiten gehen, hat das auch noch einen ganz anderen drastischen Hintergrund, sie kosten die Gesellschaft viel Geld. Sie sprachen im Rahmen eines Vortrages einmal von einer halben Million Euro. Wie kommt diese Summe zusammen?

Diese Seite der Medaille will niemand gerne sehen. Dabei ist es doch so: Jedes Studium wird von der Allgemeinheit, also von uns Steuer- und Beitragszahlern mitfinanziert. Wenn jemand dann aus einer guten Ausbildung, einem Studium, nichts macht, ist das eine fehl geleitete Subvention.

Ebenso das Ehegattensplitting, das nur dann lohnend ist, wenn ein Mann viel und die Frau nichts oder wenig verdient, ob das Paar Kinder hat oder nicht. So etwas ist im 21.Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß. Dazu kommt natürlich auch noch die beitragsfreie Krankenversicherung und – falls der Ehemann vor ihr stirbt – noch die Witwenrente.

Ich habe das zusammen mit Experten am Beispiel einer Frau ausgerechnet, die studiert, heiratet und dann 30 Jahre nicht erwerbstätig ist.

Gefördert werden sollten Kinder, dann hätten alle, die Kinder haben, etwas davon, Verheiratete, Unverheiratete, Alleinerziehende,

Würde denn ein Halbtagsjob oder ein Minijob für eine gewisse Altersvorsorge reichen?

Minijobs sind für Frauen desaströs. Sie verlieren damit ihre berufliche Qualifikation.

Teilzeitarbeit ist sinnvoll, solange Kinder klein sind. Auf Dauer aber sind sie keine Lösung, denn Teilzeitarbeit bedeutet langfristig halt auch Teilzeitrente.

Was also müssen Frauen tun, um hier für sich selbst zu sorgen?

Männer fangen meist mit Anfang 20 an zu sparen. Frauen erst über 30, 35. Da geht viel Zeit verloren, in der schon Kapital aufgebaut werden könnte.

Der Knackpunkt aber ist immer Partnerschaft und Kind, das haben mehrere Expertenkommissionen untersucht und festgestellt. Ein Paar mag noch so emanzipiert sein, sobald ein Kind unterwegs ist, schlägt die traditionelle Rolle zu: Mann arbeitet weiter, Frau bleibt zu Hause und zwar häufig viel zu lang.

Sinnvoll wäre es, wenn sich Frau und Mann die Elternzeit teilen, dann müsste keiner zu lange aus dem Beruf aussteigen. Geht das nicht, muss SIE einen finanziellen Ausgleich für fehlende Rentenbeiträge vom Partner erhalten.

Wichtig für alle Frauen ist, Teilzeit nicht zu lange auszudehnen, sondern so bald wie möglich wieder Vollzeit zu arbeiten.

Es geht jedenfalls nicht, dass gemeinsame Entscheidungen eines Paares, z.B. für ein Kind, langfristig finanziell ausschließlich zu Lasten der Frau gehen.

Und ganz konkret sollte jede Frau so früh wie möglich mit einem Sparplan anfangen. Schon ab 25 Euro monatlich kann man in Fonds investieren. Der Betrag kann dann später jederzeit aufgestockt werden.

Auf jeden Fall interessant ist für Frauen mit Familienplanung ein Riester-Vertrag.

Für jedes Kind gibt es 300 Euro Zulage vom Staat und für sie selbst ab 2018 175 Euro. Das sind 475 Euro im Jahr, die sie nicht selbst sparen muss.

Während der Elternzeit muss sie nur 5 Euro im Monat in den Riester-Vertrag einzahlen und bekommt trotzdem die Zulagen in voller Höhe.

Gibt es Beratungsstellen, die Sie diesen Frauen empfehlen können?

Beratungsstellen zu dieser Thematik kenne ich nicht. Es ist ja noch nicht allgemein bekannt, dass es eine große Gruppe von Frauen gibt, die bei Scheitern der Ehe armutsgefährdet ist.

Ich habe das in 30 Jahren Beratung von Frauen vielfach erlebt.

Ich wünsche mir, dass Frauen in solchen Fragen ihren Verstand einschalten. Ist Familienzuwachs geplant, sollte sie bei der Deutschen Rentenversicherung nachfragen, wie viel sie der Ausstieg aus dem Beruf an Rente kostet. Dies müsste dann aus dem Familieneinkommen entschädigt werden.

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