Unternehmerinnenwissen

Frauen an den Herd? – In der Gastronomie, ja!

Carolin Schäufele sprach mit Hannah Plettenberg

Immer wieder auffällig ist, dass zuhause meistens die Frauen kochen, wird das Kochen aber als Beruf ausgeübt, stehen die Männer an der Spitze in den Küchen. Wie kommt das?

Zum einen gibt es einen uralten historisch gewachsenen Hintergrund. Von Anfang an (1774 erstes Hotel in London) dominierten die Männer in den Hotelstrukturen. Man schaute sich die Strukturen aus dem Militär ab und verfolgt diese teilweise auch bis heute in der Hotellerie und Gastronomie und somit auch in der Küche.

Den anderen Hintergrund muss man, denke ich, der Weiblichkeit zuschreiben. In der Zeit, in der Frauen den Höhepunkt ihrer Karriere beschreiten, bekommen viele Kinder und entscheiden sich für die Familie.

Doch das Blatt wendet sich zunehmend. Es gibt zunehmend Frauen, die es schaffen, immer mehr Einfluss in den Küchen zu haben und ihr absolutes Fachwissen und Können nicht nur zu beweisen, sondern auch in Sternen auszudrücken. Cornelia Poletto, Meta Hildbrand, Maria Ostzone, Anna Sgroi, Julia Komp (Deutschlands jüngste Sterneköchin) und Sarah Wiener, um nur Einige zu nennen.

Durch die gewachsenen besseren Strukturen in den Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sind die Frauen nach der Kinderzeit einfach wieder schnell in der Küche zurück. Oder die Männer übernehmen zu Hause das Ruder.

 

Essen und Gastronomie haben in den vergangenen Jahren einen unglaublichen Hype erfahren. Es gibt Unmengen an Kochbüchern, -shows und Vorzeigeköchen. Was hat diesen Boom ausgelöst?

Man macht sich immer bewusster, was man zu sich nimmt. Man möchte selbst entscheiden, was man in seine Speisen mischt. Um Anleitungen oder Ideen zu gewinnen, kocht man nach Kochbüchern. Ideen werden dabei auch über digitale Blogs vermittelt oder im TV abgeschaut. Es werden ganze Lebensphilosophien über die digitalen Medien verbreitet: Jamie Oliver bei seinen italienischen Mentoren zu Besuch in Italien, Tim Mälzer auf Mallorca, der die mallorquinische Küche präsentiert und mit seinem Bulli durch die Gegend fährt oder Sarah Wiener, die bei ihren Reisen Regionales näherbringt. Insgesamt geht es um Bewusstsein, Entspannung, Neugier und „sein Können unter Beweis stellen“.

Sieht man sich die Arbeitszeiten in der Gastronomie an, dann wird einem schnell klar, dass das nichts mit einem geregelten Arbeitsalltag zu tun hat. Gibt es denn die Möglichkeit in dieser Branche Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Das stimmt. Das frauenfeindliche Image der Gastronomie ist seit Jahren präsent, aber es lohnt sich, dafür zu kämpfen und den Job auch für Frauen attraktiver zu gestalten.

Stellen Sie sich vor, es ist Dienstag und Sie haben frei, haben die Möglichkeit, vormittags, wenn die Kinder im Kindergarten oder in der Schule sind, zum Sport oder zum Wellness zu gehen und müssen nicht am Wochenende gehen, wenn alles überfüllt ist.

Sie können sich mit dem Arbeitgeber gut einigen über Früh- oder Mittelschichten, wenn diese vom Arbeitgeber angeboten werden. Und auch die Spätschichten haben ihren Reiz. Vormittags zu Hause sein oder Erledigungen machen und sich um die Kinder kümmern und dafür nachmittags und Abends arbeiten. Dies setzt natürlich eine gute Betreuung der Kinder vom LebenspartnerIn voraus. Im Zuge des Fachkräftemangels wird jedoch viel versucht, gute Mitarbeiter zu halten und individuelle Personalkonzepte zu stricken.

Hier stehen in der Hotellerie die Fair Job Hotels ganz vorne. Sie versuchen, sich in einem Zusammenschluss für Mitarbeiter und ihre Belange einzusetzen und viel für ihre Wünsche zu tun.

In der jüngsten Vergangenheit sind uns immer wieder Frauen vorgestellt worden, die im gastronomischen Bereich gründen bzw. ihr eigenes Unternehmen führen. Nimmt die Zahl der weiblichen Gründungen zu oder täuscht das?

Die meisten Frauen reflektieren sich häufiger als die meisten Männer. Im Laufe einer beruflichen Karriere hinterfragen sie sich und überlegen: Ist es genau das, was ich noch machen möchte?

Daraufhin gibt es eben sehr viele Existenzgründungen von Frauen in der Gastronomie. Diese Konzepte sind sehr oft familienfreundlich, so dass die Berufung mit der Familie vereinbart werden kann.

Generell lässt es sich aber nicht sagen, dass es einen extremen Anstieg der Frauen gibt. Es ist ein Anstieg zu verzeichnen, jedoch hält es sich ganz gut mit den männlichen Kollegen die Waage.

Die Digitalisierung bringt in der Gastronomie ja auch schon Erleichterungen: man kann viel gastronomisches Zubehör online bestellen, Bestellung und Abrechnung werden digital gehändelt. Aber wie ist es mit der Vereinbarkeit? Wie flexibel muss man sein, um seine Geschäftsidee hier zu verwirklichen?

In der Gründungsphase und später im Alltag muss man gerade in der Gastronomie sehr flexibel sein. Stellen Sie sich nur vor, sie haben eine Reservierung einer Gruppe für einen Mittagstisch von 12:00-15:00.

Passt ja perfekt, um die Kinder dann im Kindergarten abzuholen… Die Gruppe verspätet sich und möchte dann um 15:00 noch Wein oder Kaffee bestellen, was nun? Hier muss natürlich das Betreuungsnetz der Kids so gut gespannt sein, dass die Kinder bei Überstunden oder ähnlichem nicht auf der Straße stehen.

Was sollte man als Gründerin hier beachten und im Kopf bewahren?

Ich sehe hier ganz klar die Herausforderung in der Kinderbetreuung. Je sicherer diese ist, desto weniger Herausforderungen gibt es im Alltag. Natürlich wird das Kind auch mal von Freunden abgeholt, oder Oma und Opa springen ein, aber irgendwann ist das Kontingent aufgebraucht und man möchte es sich natürlich mit Freunden und mit der Familie verspielen. Genauso wichtig ist ein starkes Rückgrat. Es gibt in der Laufbahn einer Gründung und weiter im Alltag einer Unternehmerin immer wieder Rückschläge die man auffangen und lernen muss, damit umzugehen.

Sie selbst sind seit 10 Jahren in der Gastronomie beratend tätig. Wie berät man Gastronominnen und Gastronomen?

Ohne meinen gastronomischen Hintergrund könnte ich gar nicht fachlich kompetent beraten. Die Gastronomie ist so speziell, dass man nur ehrlich, richtig und authentisch beraten kann, wenn man das Metier gut kennt. Vor gut 24 Jahren habe ich meine Karriere in der Gastronomie ganz klassisch mit einer Ausbildung als Hotelfachfrau bei Steigenberger begonnen. Meine Wege wurden geprägt von klassischen 5 –Sterne-Services, Veranstaltungsservices, einem berufsbezogenen Studium und weiteren Praxiserfahrungen in der Gastronomie. Und nur so kann ich fachlich gut beraten.

Was reizt Sie an dieser Branche?

Es ist die Abwechslung, die die Branche mit sich bringt. Kein Tag ist so wie der Nächste. Kein Gast ist so wie der Andere. Es ist der interessanteste, abwechslungsreichste und aufregendste Job den ich mir vorstellen kann.

In welchem Beruf der Welt kann man schon Joe Cocker das Frühstück ans Bett bringen, den Backstreet Boys die Drinks beim privaten nächtlichen Hotelkonzert servieren, oder mit Fußballtrainern morgens einfach mal über den Tag plauschen, ohne dass sie gleich Angst haben müssen, dass alles was sie sagen oder tun in der nächsten Sekunde in der Presse steht. Das ist natürlich schon eine Weile her, jedoch gibt es diese kleinen Sternstunden heute noch.

Von der Pommesbude bis zum Sternerestaurant. Wen beraten Sie lieber?

Ich berate alle gern. Ich sehe es als meine Berufung, mein Wissen und meine Erfahrungen weiter zu geben. Und das mache ich sehr gut und authentisch.

Es gibt natürlich auch hier Grenzen, an die ich mit meinem Wissen stoße, denn nicht jeder kann alles wissen. In solchen Fällen, lasse ich mich gern selbst beraten oder arbeite zu gern mit meinem tollen Netzwerk zusammen.

 

 

Hannah Plettenberg

Hannah Plettenberg

Über Hannah Plettenberg

Die 33 jährige Serviceexpertin gründete Anfang 2008 mit großem Erfolg plettenbergconsulting – eine Agentur für Qualitätssicherung im Service. Das Geschäft boomt und die Ergebnisse geben ihr Recht:

„Es ist manchmal nicht so einfach Leute davon zu überzeugen, dass authentischer, guter Service gar nicht schwer zu leisten ist, andererseits aber deutlichen Umsatzzuwachs verspricht“, so Plettenberg. Ihre Erfahrungen aus ihrer beruflichen Tätigkeit in verschiedenen Bereichen der Gastronomie sowie als aufmerksamer Gast packte die junge Unternehmerin in ein praxisorientiertes Geschäftskonzept.

Viele Unternehmensberater beschäftigen sich mit der Gastronomie, doch nur die wenigsten spezialisieren sich auf den Service. Genau dort liegt allerdings häufig der Schlüssel für Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens: Untersuchungen der EVO Marktforschung aus Hamburg haben gezeigt, dass Gäste bei schlechtem Service weniger Geld ausgeben.

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