Unternehmerinnenwissen

„Wir sollten uns vernetzen und den Weg gemeinsam gehen“

Das Interview führte das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland

Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland im Gespräch mit Juana Bleker, Mitgeschäftsführerin und Landesvorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH) über Vernetzung, Frauen im Handwerk und die Berufsorientierung junger Mädchen Bocholt / Münsterland.

Als gelernte Kauffrau im Groß- und Einzelhandel und Betriebswirtin (VWA) leitet Juana Bleker gemeinsam mit ihrem Mann Theo Bleker das Familienunternehmen Bleker Haustechnik GmbH in Bocholt. Engagement, Vernetzung und Ehrenamt leiten sie daneben durch ihren Alltag als Landesvorsitzende der Unternehmerfrauen im Handwerk (UFH), ehrenamtliche Finanzrichterin am Finanzgericht Münster und Mitglied im Verwaltungsrat des Bundes der Steuerzahler NRW. Juana Bleker ist neugierig, reflektiert und stets auf der Suche nach neuen Perspektiven. Das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland hat die Bocholterin getroffen und über ihren Berufsweg und ihre Motivation zum Ehrenamt sowie Frauen im Handwerk gesprochen. Welche Gedanken Juana Bleker jungen Mädchen und Frauen mit auf Weg geben möchte, berichtet sie in einem inspirierenden Gespräch.

Das Kompetenzzentrum Frau & Beruf stellt damit die Vielfalt und das Engagement von Frauen in der Region dar. Die Beispiele ganz unterschiedlicher Frauen sollen darüber hinaus jungen Mädchen und Frauen in der Berufsorientierung Mut machen, ihren Weg zu gehen und sich nicht von Vorurteilen und Rollenerwartungen abhalten zu lassen. Betrieben dieser Region sollen die Vorbildfrauen zeigen, dass es sich lohnt Frauen stärker in den Fokus der Personalgewinnung zu stellen, da diese mit Engagement und neuen Perspektiven die Arbeit bereichern.

Kompetenzzentrum: Du bist Mitgeschäftsführerin im eigenen Familienunternehmen. Was macht dir besonders viel Spaß?

Juana Bleker: Neben den eigentlichen Aufgaben – ich wollte schon immer etwas Kaufmännisches machen – macht es mir besonders viel Spaß, dass ich mit meinem Mann gemeinsam in unserem kleinen Familienunternehmen arbeiten kann. Jeder hat seinen eigenen Bereich und doch treffen wir natürlich Entscheidungen gemeinsam und arbeiten zusammen am großen Ganzen. Kompetenzzentrum: Welche Themen liegen dir beruflich besonders am Herzen? Juana Bleker: Empathie und ein gutes soziales Miteinander sowie die Wertschätzung allen Gegenüber sind mir sehr wichtig. Ich sehe mich nicht in einer Position, die über unseren Mitarbeitern steht. Ich bin Mittendrin. Eine gute Fehlerkultur ist mir zudem ein wichtiges Anliegen. Denn Fehler passieren jedem, egal ob in einer stressigen Phase oder im routinierten Arbeitsalltag. Darum ist es mir wichtig, dass man diese Fehler zugeben kann und angemessen darauf reagiert. Allgemein möchte ich eine Atmosphäre im Unternehmen schaffen, mit der sich unsere Mitarbeiter identifizieren können.

Kompetenzzentrum: Im Rahmen unseres Projektes möchten wir Mädchen und Frauen die Berufe im gewerblich-technischen Bereich näherbringen. Wie sieht es bei euch im Unternehmen mit den Geschlechterverhältnissen aus?

Juana Bleker: Aktuell beschäftigen wir leider nur männliche Kollegen. Wir hatten aber bereits drei Praktikantinnen. Zweien hat es sehr gut gefallen. Die fanden es toll, etwas Handwerkliches zu machen und am Ende des Tages zu sehen, was sie mit ihren eigenen Händen geschafft haben. Sie haben nicht nur danebengestanden, sondern konnten beispielsweise auch mithelfen, eine Fußbodenheizung zu verlegen. Das Praktikum war ein tolles Erlebnis für sie und sie waren gewissermaßen überrascht, dass ihnen das Handwerk so etwas bieten kann. Das zeigt uns: Es ist ganz wichtig, bei jungen Mädchen das Interesse für handwerkliche Berufe zu wecken, Bewusstsein zu schaffen und die Möglichkeit zu geben, eigene Erfahrungen zu sammeln. In diesem Zusammenhang müssen Mädchen noch viel stärker angesprochen und aufmerksam gemacht werden.

Kompetenzzentrum: Hast du konkrete Ideen dafür?

Juana Bleker: Ein wichtiger Faktor ist es, die Eltern und Schulen mit ins Boot zu holen. Mit Schulen meine ich nicht nur Haupt- und Realschulen, sondern genauso, wenn nicht sogar vor allem, die Gymnasien. Für diese Schulen ist das Handwerk viel zu wenig präsent. Mit den Unternehmerfrauen im Handwerk haben wir auch schon überlegt, wie wir dieses Thema angehen könnten. Da kam unter anderem der Ansatz von Kita-Projekten auf. Das Handwerk muss schon früh bekannt gemacht werden, sich in den Köpfen festsetzen und für Mädchen in der Berufsfindung eine attraktive Option darstellen. Generell muss noch einiges bei der Außendarstellung des Handwerks passieren. Es müssen die Optionen nach der Gesellenprüfung aufgezeigt werden und eine Gleichstellung der handwerklichen Rollen mit den akademischen Titeln erfolgen. Auch die Möglichkeiten der beruflichen Weiterbildung im Handwerk durch Fortbildungslehrgänge oder Studiengänge sind zu wenig präsent. Ein Thema, das dabei natürlich auch aufkommt, sind die Verdienstmöglichkeiten. Es ist nicht unbedingt so, dass man Akademikern gegenüber grundsätzlich schlechter gestellt ist. Wie heißt es so schön „Handwerk hat goldenen Boden“, das ist noch immer so und wird sich in Zukunft eher noch positiver entwickeln.

Kompetenzzentrum: An einigen Stellen in unserem Gespräch fiel bereits das Stichwort Unternehmerfrauen im Handwerk. Wenn wir über dich und deine Arbeit sprechen, dann dürfen wir dieses Thema natürlich nicht vergessen. Wer genau sind die Unternehmerfrauen im Handwerk und was macht ihr?

„Wir sollten uns vernetzen und den Weg gemeinsam gehen“

Engagement, Vernetzung und Ehrenamt führen Juana Bleker durch ihren Alltag als Unternehmerin und Landesvorsitzende der UFH in NRW Teamfoto Marquardt / Competentia Münsterland

Juana Bleker: Wir sind mit über 100 Arbeitskreisen ein bundesweit aktives Netzwerk von engagierten und bildungsinteressierten Frauen im Handwerk. Wir wollen Wissen vermitteln, Kompetenz zeigen und Kommunikation leben. Das sind unsere Leitworte, die sich wie folgt, ergänzen: Mit Dynamik, Leidenschaft und Feingefühl zum Erfolg. Allgemein kann man sagen, dass wir unseren Mitgliedern in monatlichen Veranstaltungen Weiterbildungsthemen anbieten. Das können betriebswirtschaftliche Themen sein, wie zum Beispiel Personalführung, Kassenführung, steuerliche Neuerungen oder wie man eine Bilanz liest. Ganz besonders profitieren wir aber von dem Erfahrungsaustausch untereinander. Wir wollen natürlich auch die Frauen im Handwerk sichtbar machen und sie vertreten. Kompetenzzentrum: Seit diesem Jahr bist du die Landesvorsitzende der UFH in NRW. Was bedeutet dir die Aufgabe und Position? Juana Bleker: Mir ist diese Aufgabe sehr wichtig, da ich damit das Handwerk und die Frauen, die im Handwerk tätig sind, stärken kann. Damit verbunden sind es weitere Themen, die wir gerade schon besprochen haben: Wie können wir mehr Frauen ins Handwerkbekommen und wie können wir sie schon frühzeitig ermutigen? Die andere Seite ist, dass ich mich gerne weiterbilde und engagiere. Man muss auch ganzehrlich sagen, dass das natürlich nicht uneigennützig ist. Ich profitiere selbst auch von diesem Austausch und nutze das Wissen und das Netzwerk, das die Unternehmerfrauen mir bieten, für meinen persönlichen Berufsalltag. Ich bin nun in einer Position, in der ich ein Gespür dafür habe, welche Themen interessant und hilfreich sein können. Das Ganze dann in Veranstaltungen zu verpacken, zu planen und durchzuführen, macht mir großen Spaß.

Kompetenzzentrum: Du hast neben deiner Arbeit bei den Unternehmerfrauen noch ein weiteres Ehrenamt am Finanzgericht Münster. Was genau machst du da?

Juana Bleker: Als ehrenamtliche Richterin nehme ich an den Gerichtsverfahren teil. Ich kann dort meine Erfahrungen und mein Wissen aus dem alltäglichen Leben sowie meine eigene Wertung in die Verhandlung und Beratung einbringen. Ich finde die Aufgabe sehr spannend und lerne viel dazu. Für mich ist das eine riesige Bereicherung, Gesetz und Recht zu verstehen und zu hinterfragen. Natürlich habe ich auch eine Verantwortung. Neben mir sind weitere ehrenamtliche Richter dort, die durch ihre individuellen Erfahrungen wieder eine andere Denke haben und andere Perspektiven einbringen, das fasziniert mich. Neben dieser Arbeit hat mich meine Neugierde noch zu meiner ehrenamtlichen Arbeit beim Bund der Steuerzahler gebracht. Auch dort bin ich schon lange Mitglied. Ich interessiere mich sehr für Steuerrecht und wollte die Arbeit gerne unterstützen. Hineingekommen bin ich über das Netzwerk der Unternehmerfrauen. Ich konnte mich für den Verwaltungsrat NRW bewerben und bin in diesem seit 2018tätig. Der Verwaltungsrat wählt den Vorstand und überwacht dessen Tätigkeiten, prüft den Jahresabschluss und Haushaltsplan. Auch das ist eine große Bereicherung, die mir Wissen und hilfreiche Kontakte schenkt. In meinem Arbeitsalltag spüre ich immer wieder, wie gut ich durch meine ehrenamtlichen Arbeiten wichtige Kontakte beispielsweise auch zu der Handwerkskammer Münster oder den Kreishandwerkerschaften aufbauen konnte. Bei Fragen im Beruf weiß ich nun schneller, von wem ich vielleicht eine Antwort bekommen könnte.

Kompetenzzentrum: Was möchtest du anderen mit auf den Weg geben?

Juana Bleker: Mein Motto: Ich gehe meinen Weg, stelle mich den Herausforderungen und bleibe immer neugierig und mutig. Mitgeben möchte ich folgendes: Das Handwerk braucht Frauen, wir sollten uns vernetzen, um stärker zu werden und den Weg gemeinsam zu gehen. Dazu kann ich alle nur herausfordern, denn das macht Spaß.

Das Interview in voller Länge ist über die Webseite des Kompetenzzentrums Frau & Beruf Münsterland abrufbar. Das Kompetenzzentrum Frau & Beruf Münsterland unterstützt als eines von 16 Kompetenzzentren in NRW kleine und mittlere Unternehmen der Region dabei, eine frauen- und familienfördernde Personalpolitik zu etablieren. Getragen wird das Projekt von der Handwerkskammer Münster und kooperiert mit dem Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP). Die Kompetenzzentren Frau & Beruf werden aus Mitteln des Landesministeriums für Heimat, Kommunales, Bau & Gleichstellung sowie aus dem EFRE-Fonds der EU gefördert.

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