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Frauen auf der obersten Führungsetage – Selbstständigkeit ist mitentscheidend

Von Dr. Jörg Schmidt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, Konrad-Adenauer-Ufer 21, 50668 Köln 

Wer sich über die Situation von Frauen in Führungspositionen informieren will, stößt häufig nur auf Statistiken zu den größten Unternehmen Deutschlands. Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung weitet hingegen den Fokus auf die Gesamtwirtschaft aus. Ein genauer Blick zeigt, dass bei der Bewertung des Frauenanteils in der obersten Führungsebene auch die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit zu beachten ist.

Frauen auf der obersten Führungsetage

In der Öffentlichkeit wird die geschlechtergerechte Besetzung von Führungspositionen immer wieder thematisiert. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht nur die Unternehmen, für die seit Januar 2016 eine starre Geschlechterquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten gilt. Dies sind rund 100 Unternehmen, die zuletzt einen Frauenanteil in Aufsichtsräten von rund 24 Prozent aufwiesen (FidAR, 2016). Zudem stehen rund 3.500 Unternehmen im Fokus des öffentlichen Interesses, die entweder börsennotiert oder mitbestimmt sind. Diese müssen sich eigene Zielgrößen zur Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsräten, Vorständen und obersten Management-Ebenen setzen und darüber öffentlich berichten (BMFSFJ, 2015).

Wie hoch der Frauenanteil in Führungspositionen in der Gesamtwirtschaft ausfällt, zeigt nun eine neue Studie von Kohaut/Möller (2016) auf Basis des IAB-Betriebspanels. Demnach lag der Frauenanteil in der Privatwirtschaft im Jahr 2014 auf der ersten Führungsebene bei 25 Prozent und auf der zweiten Führungsebene bei 39 Prozent. Gemessen am Frauenanteil an allen Beschäftigten von 43 Prozent scheint der Wert für die oberste Führungsetage relativ gering auszufallen und könnte den Eindruck erwecken, dass Frauen geringere Chancen erhalten, in Spitzenpositionen aufzusteigen.

Dabei ist aber zu beachten, dass der Frauenanteil auf der ersten Führungsebene im Bundesdurchschnitt erheblich davon abhängen dürfte, inwiefern Frauen (und Männer) bereit sind, den Weg in die Selbstständigkeit anzutreten. Dies lässt sich im Wesentlichen mit drei Aspekten begründen:

Die Gruppe der in der ersten Führungsebene tätigen Personen schließt neben Geschäftsführern, Vorständen etc. auch die Eigentümer ein (vgl. Kohaut/Möller, 2016, 4). Da gerade in Kleinstunternehmen (mit bis zu neun Beschäftigten) zu vermuten ist, dass Eigentum und Geschäftsführung häufig in einer Hand liegen, dürfte die Entscheidung zur Auf- bzw. Übernahme einer selbstständigen Tätigkeit in dieser Größenklasse überwiegend auch über den Frauenanteil in der obersten Führungsebene mitentscheiden.

Der Frauenanteil an allen Selbstständigen (ohne Solo-Selbstständige) betrug im Durchschnitt rund 25 Prozent im Jahr 2014 und lag in der Gruppe der Selbstständigen (ohne Solo-Selbstständige) mit ein bis vier Beschäftigten bei rund 28 Prozent (IfM/Statistisches Bundesamt, 2015). Daher ist zu erwarten, dass ein ähnlicher Anteil von Frauen (auch als Eigentümer) in der Geschäftsführung von Die Gruppe der Kleinstunternehmen hat den größten Einfluss auf den gesamtwirtschaftlichen Durchschnittswert. Laut IfM (o. J.) betrug beispielsweise der Anteil der Kleinstunternehmen an allen Unternehmen im Jahr 2013 rund 89 Prozent. Dies zeigt sich auch bei einem Vergleich der Frauenanteile in der obersten Führungsebene (26 Prozent in Kleinstunternehmen versus 25 Prozent im Bundesdurchschnitt, Kohaut/Möller, 2016).

Führungsposition von Frauen und Männern von Selbstständigkeit abhängig

Vor diesem Hintergrund dürfte der durchschnittliche Frauenanteil in der ersten Führungsebene für Deutschland überwiegend von der Auf- bzw. Übernahme einer selbstständigen Tätigkeit in den Kleinst­unternehmen abhängen und ist dann weniger ein Ausdruck von Beförderungsentscheidungen.

Die Führungskräfte auf der zweiten Führungsebene sind hingegen abhängig Beschäftigte und werden von der Geschäftsführung oder dem Vorstand berufen. Der Frauenanteil auf dieser Ebene ist nicht nur seit dem Jahr 2004 stetig angestiegen, sondern liegt mit 39 Prozent in etwa auf dem Niveau des Frauenanteils an allen Beschäftigten (vgl. Abbildung).

Daneben zeigt die Abbildung, dass eine mit steigender Betriebsgröße zunehmende Lücke zwischen dem Frauenanteil auf der zweiten Führungsebene und dem Frauenanteil an allen Beschäftigten entsteht. Da aber mit zunehmender Betriebsgröße auch die Anzahl der Führungsebenen ansteigt, sind mehrere Beförderungen notwendig, um in die zweite Führungsebene und schließlich in die oberste Führungsetage aufzusteigen. Die Abbildung verdeutlicht, dass auf diesem Weg verhältnismäßig mehr Männer als Frauen zum Zug kommen.

Aufstiegsperspektiven von vielen Faktoren abhängig

Die Aufstiegsperspektiven in größeren Betrieben stehen in einem engen Zusammenhang mit den Möglichkeiten, die Karriere und familiär bedingte Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren:

So zeigt etwa eine Auswertung des Statistischen Bundesamts für das Jahr 2014, dass gerade in der Zeit der Familiengründung der Frauenanteil an Führungspositionen sprunghaft zurückgeht. Beispielsweise nimmt der Anteil von Frauen in Führungspositionen von knapp 37 Prozent in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen auf 27 Prozent in der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen ab und steigt auch im Anschluss nur noch geringfügig an (vgl. Statistisches Bundesamt, 2016).

Da eine selbstständige Tätigkeit und Führungspositionen häufig nur mit einer längeren Arbeitszeit vereinbar sind und teilweise auch eine hohe zeitliche Flexibilität erfordern, kann dies letztlich zu einem Zielkonflikt zwischen Familie und Karriere führen, von dem überwiegend Frauen betroffen sind (vgl. Hammermann et al., 2015).

Dies könnte umso stärker für Frauen in Westdeutschland gelten, da dort – verglichen mit Ostdeutschland – eine traditionelle Arbeitsteilung in den Haushalten noch häufiger vorkommt. Zudem ist die öffentliche Kinderbetreuungsinfrastruktur für Kleinkinder noch weniger gut ausgebaut. Insofern überrascht es nicht, dass der Frauenanteil auf den ersten beiden Führungsetagen in Ostdeutschland mit 30 bzw. 44 Prozent im Jahr 2014 um jeweils 7 Prozentpunkte höher ausfällt als in Westdeutschland (Kohaut/Möller, 2016).

Um die Aufstiegsperspektiven von Personen mit familiär bedingten Verpflichtungen zu fördern, ist eine gut ausgebaute Betreuungsinfrastruktur für Kinder die notwendige Voraussetzung. Sie kann zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen und zeitliche Restriktionen entzerren, beispielsweise wenn der Wunsch nach einer Ausweitung der Arbeitszeit oder zeitlicher Flexibilität besteht. Daran anknüpfend können dann auch betriebliche Maßnahmen ihr Potenzial voll entfalten, beispielsweise zur zeitlichen und räumlichen Flexibilisierung, um Karriere und Familie miteinander zu vereinbaren.

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