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Nadine Nurasayid: „Egal ob Mann oder Frau, man wird am Erfolg gemessen“

Nadine Nurasayid ist Sportwissenschaftlerin und arbeitet aktuell im American Football als erste weibliche Cheftrainerin Europas bei der Herrenmannschaft der Munich Cowboys. Davor war sie seit Juli 2021 DB Coach und Defensive Coordinator Munich Cowboys GFL. Nadine Nurasayid ist auch Dozentin der Trainer C- und B-Ausbildung sowie freiberufliche Athletiktrainerin. Sie selbst hat aktiv American Football gespielt, die verschiedensten Auszeichnungen erhalten und zahlreiche Siege erstritten. Offiziell ist sie in Footballrente.

Wie definieren Sie Erfolg?

John Wooden, einer der erfolgreichsten Coaches in der Geschichte des Sports, hat Erfolg einst wie folgt definiert: „Success is peace of mind which is a direct result of self-satisfaction in knowing you did your best to become the best that you are capable of becoming.”

Dem stimme ich weitestgehend zu, dennoch wird man als Trainer im Sport, zumeist unabhängig jeglicher Umstände und Hürden, an Siegen und Erfolgen der Mannschaft gemessen. Eine etwas romantischere, aber dennoch wahre Annahme ist, dass man erfolgreich sein wird, wenn man tut was man liebt. Ich schätze harte und ehrliche Arbeit und demnach sind effektives Arbeiten und die beste Vorbereitung für mich ein Teilerfolg. Der wahre Erfolg, ist der Sieg der Mannschaft inklusive jeder individuellen Verbesserung meiner Spieler, physischer wie mentaler Art: Treffen Spieler und Trainer bessere Entscheidungen als zuvor, sind sie kompetenter geworden und leben sie die Werte, die uns wichtig sind.

Erfolg bedeutet für mich auch, dass ich meine Selbstzweifel hie und da über Bord werfen kann und Dinge angehe. Es ist wichtig Fehler zu begehen und daraus zu lernen, anstatt sie um jeden Preis zu vermeiden. Eine gesunde Portion Selbstvertrauen ist dafür unerlässlich.
Meine Arbeit lebt von zwischenmenschlichen Beziehungen und Kommunikation. Ein fairer und wertschätzender Umgang, sowie ehrliche und produktive Kommunikation ist einer der größten Erfolge.

Was zeichnet Sie aus?

Das ist sicherlich für jede Person schwer zu beantworten. denn meine Selbstreflektion spiegelt wahrscheinlich nicht immer wieder, was Spieler und Trainer in mir sehen. Ich möchte es dennoch gerne versuchen zu artikulieren.

Ich glaube, es ist meine akribische Arbeit, die mich auszeichnet, sowie mein ständiger Drang mich zu verbessern und weiterzuentwickeln. Ebenso wie der Wunsch das große Ganze voranzutreiben, um allen ein besseres Umfeld zu bieten, in dem sie erfolgreich sein können und vor allem Spaß haben. Selbstverständlich hat jeder Mensch ein gewisses Maß an Ego, dennoch gehöre ich nicht zu der Kategorie „Ego-driven Coach“ und dies spüren und schätzen Spieler und Trainer.

Wer oder was ist Ihr Motor?

Was? Zwischenmenschliche Beziehungen, Ehrgeiz und eine große Portion Altruismus gepaart mit Irrsinn. Der Wunsch Menschen zu verhelfen bessere Athleten und Spieler zu werden.
Wer? Die eine Person in meinem Leben, die mich, in allem was ich tue, unterstützt und mich vor allem dann anfeuert, wenn meine Selbstzweifel mal wieder zu groß werden.

Straighter Weg oder Abzweigungen – wie verlief Ihr Berufsweg bisher?

Geprägt von Spitzkehren und doch irgendwie stimmig. Von einer Berufsausbildung, zu Lehramtsstudium, einer universitären Karriere, aber auch einer abgebrochenen Promotion war alles dabei. Nicht eine einzige Erfahrung, professioneller wie zwischenmenschlicher Art, möchte ich missen. Letztlich hat es mich dorthin gebracht, wo ich heute stehe. Ich habe viel Resilienz und Ehrgeiz in meiner beruflichen Laufbahn bewiesen und dennoch war mein größter Erfolg für mich, in meiner sportwissenschaftlichen Karriere einen Schritt zurückzugehen, zurückzustecken und der Sportart American Football eine Chance zu geben. Viele ehrenamtliche und schlecht bezahlte Jobs haben meinen Weg gepflastert und auf jeden einzelnen Schritt bin ich rückblickend stolz.

Gibt es Rollenbilder in Ihrem Alltag, denen Sie gern entkommen möchten?

Definitiv. Häufig wird initial angenommen, dass ich als Frau emotionaler bin als männliche Kollegen und demnach in schwierigen Situationen keine richtige und vermeintlich harte Entscheidung treffen könnte. Als Frau sei man grundsätzlich weniger dominant und daher „zu nett“ für die vor Testosteron strotzende Sportart American Football. Ein kooperativer Führungsstil wird demnach oftmals als Schwäche angesehen.

Viele Medien möchten mich, unter dem Deckmantel mit falschen Rollenbildern zu brechen, bewusst feminin darstellen. Diese forcierte Darstellung von Weiblichkeit bedient meines Erachtens ebenfalls falsche Klischees.

Mehr Leistung, Ehrgeiz, Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit und Karrierestreben sind Attribute, die nach wie vor nur Männern zugesprochen werden und solange Frauen in Führungsrollen sowie Fürsorge- und Haushaltsleistungen von Männern eine Besonderheit sind, haben wir die Rollenbilder nicht überwunden.

Welche eigene Erfahrung geben Sie anderen Frauen als Tipp mit auf den Weg?

Authentisch bleiben und mit Kompetenz überzeugen. Den eigenen Werten treu bleiben und lebenslanges Lernen. Es ist essenziell ein Umfeld zu finden, in dem man wachsen und sich weiterentwickeln kann. Hierzu zählt für mich ein respektvoller Umgang miteinander und wenn nötig, das Sich-Lösen aus toxischen beruflichen Situationen.

Den Teammitgliedern und Kollegen Zeit und Aufmerksamkeit schenken, denn das ist das Wertvollste was man ihnen geben kann. Ihnen zuhören und auf sie eingehen, auch wenn man nicht immer alle glücklich machen kann. Wie College Coach Nick Saban so schön sagt: „If you want to make everyone happy, don’t be a leader. Sell ice cream.”

Vielen Dank für das Gespräch!

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