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Wir setzen uns für Frauen in der Textilindustrie ein

Mode und Menschenrechte, zwei Themen, die man nicht automatisch in einem Atemzug nennt. Dass man das aber tun sollte, darauf weist der Verein FEMNET hin. Anne Neumann, Projektreferentin des Projekts FairSchnitt, eines der Standbeine des Vereins FEMNET hat uns erklärt wo der Zusammenhang besteht und was das so alles bedeutet.

Frau Neumann, FEMNET e.V. ist ein politischer Verein, der sich für die Rechte von Frauen einsetzt. Können Sie uns kurz umreißen, was genau der Verein bewirken will?

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(c) FEMNET

Frauen werden aufgrund Ihres Geschlechts weltweit in verschiedenen Kontexten mit verschiedenen Mechanismen benachteiligt.  Das ist auch in der globalen Bekleidungsherstellung so – vom Baumwollfeld über Spinnereien und Webereien, in der Konfektion und auch im Einzelhandel, von Indien und Bangladesch bis zu uns hier in Deutschland gibt es Strukturen, die dazu beitragen, dass besonders Frauen von zum Teil massiven Arbeitsrechtsverletzungen – bis hin zu Zwangsarbeit – und Niedrigstlöhnen betroffen sind.

Wir setzen uns gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in Indien und Bangladesch besonders für die Rechte von Frauen in der Textilproduktion ein. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit 85% der Arbeiter in der Textilproduktion Frauen sind.

Warum engagiert sich FEMNET gerade für dieses Thema?

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(c) FEMNET

In der Bekleidungsbranche fällt nach wie vor viel Handarbeit an – das heißt, viele ArbeiterInnen sind hier weltweit beschäftigt. Seit den 60er Jahren wurde immer mehr dieser Arbeiten von den Orten vor unserer Haustür in alle Welt verlagert. Das heißt, unsere Kleidung wird heute weltweit produziert und wir können nicht mehr direkt sehen, unter welchen Bedingungen das passiert. Wir riechen die Abwässer nicht, die ungeklärt aus den Färbereien in Flüsse geleitet werden. Wir treffen die ArbeiterInnen, die erst nachts um 11 nach einer 15-Stunden-Schicht aus der Fabrik kommen nicht zufällig auf der Straße. Wir hören nicht zufällig von einer Nachbarin, dass sie in der Fabrik von ihrem direkten Vorgesetzten sexuell genötigt wurde. Die tatsächlichen Produktionsbedingungen sind für uns unsichtbar geworden. Deshalb wollen wir sie hier vor Ort, bei den Menschen, für die so einen großen Anteil der weltweiten Bekleidungsproduktion kaufen und die die Möglichkeit haben, an den teilweise menschenverachtenden Zuständen etwas zu ändern, bewusstmachen.

Wie sieht Ihr „Vereinsalltag“ aus?

Bei uns gibt es wenig „Alltag“ – unsere Arbeit ist sehr vielfältig. Das reicht vom Organisieren einer Modenschau mit öko-fairer Kleidung, Gesprächen und Aktionen mit shoppenden KonsumentInnen in der Innenstadt bis hin zu Verhandlungen mit VertreterInnen aus Politik und Bekleidungsunternehmen. Wir erstellen viele Informationsmaterialien, um die dramatischsten Zustände in der Modebranche bei möglichst vielen Menschen bekannt zu machen. Kürzlich haben wir zum Beispiel eine Studie über die Arbeitsbedingungen von jungen Mädchen herausgegeben, die als moderne Sklavinnen in indischen Baumwollspinnereien ausgebeutet werden. Auch viele deutsche Modeunternehmen wissen gar nicht, ob sie von dort Garne in ihren Produkten verarbeiten oder nicht.

Spaß macht es mir immer, Geschichten für unseren Blog modefairarbeiten.de zu recherchieren. Wir stellen spannende Menschen und Projekte vor, die die Modewelt jetzt schon aktiv verändern.

Natürlich gehört auch „trockene“ Verwaltungsarbeit dazu. Unsere Projekte werden ja nicht nur aus Spenden finanziert, sondern dankenswerterweise auch über öffentliche Gelder. Aber spannend wird es immer dann, wenn wir tatsächlich mit Menschen ins Gespräch kommen. Für mich sind immer wieder die Begegnungen mit ArbeiterInnen und GewerkschafterInnen aus aller Welt höchst interessant. Wie sieht ihre Lebenswelt aus? Welche globalen Geschichten stecken hinter unserer Kleidung?

Wer kann Mitglied werden?

Alle Menschen, die unsere Anliegen unterstützen, können bei uns Mitglied werden. Jedes Mitglied hilft. Einerseits schon alleine durch den – recht geringen – Mitgliedsbeitrag. Andererseits können sich Mitglieder aber auch immer aktiv einbringen.

Der Verein basiert auf drei Arbeitsschwerpunkten. Welche sind das?

Wir leisten einerseits politische Arbeit – das heißt, dass wir PolitikerInnen und Bekleidungsunternehmen kontaktieren, sie mit Missständen konfrontieren und mit ihnen darüber verhandeln, welche Maßnahmen sie treffen müssen, damit Menschen weltweit in der Bekleidungsproduktion unter würdigen Bedingungen, das heißt auch zu fairen Löhnen, arbeiten können. Zum Beispiel sind wir aktiv in der Clean Clothes Campaign und Mitglied im Bündnis für nachhaltige Textilien.

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(c) FEMNET

Wir leisten aber auch Bildungs- und Beratungsarbeit. Häufig fragen zum Beispiel Schulen an, ob wir zum Thema „faire Kleidung“ für ihre Kinder und Jugendlichen eine Stunde gestalten können. Wir beraten aber auch Kommunen wie die Stadt Bonn dabei, wie sie auf bessere Arbeitsbedingungen in der Textilbranche Einfluss nehmen können. Jede Kommunalverwaltung kauft Berufskleidung – zum Beispiel für StadtgärtnerInnen oder andere Angestellte – ein. Von Steuermitteln sollte keine Ausbeutung hier oder in anderen Ländern finanziert werden.

In unserem dritten Arbeitsschwerpunkt unterstützen wir ArbeiterInnen in Indien und Bangladesch direkt vor Ort. Zum Beispiel sammeln wir hier Spenden dafür, dass Arbeiterinnen vor Gericht ziehen können, wenn sie zum Beispiel um ihren Lohn geprellt wurden. Das ist für eine einzelne, oft bitterarme Arbeiterin leider keine Selbstverständlichkeit.

Eines Ihrer Standbeine ist das Projekt Fairschnitt, ein Projekt welches darauf abzielt, ein Bewusstsein für die Beschäftigten in der Bekleidungsproduktion zu schaffen. Klappt das?

Mit dem Projekt FairSchnitt wenden wir uns an Hochschulen mit Modestudiengängen. In Studiengängen von Modemanagement bis Textildesign werden diejenigen ausgebildet, die die Modebranche von morgen prägen. Hochschulen haben von daher eine besondere Verantwortung, auch soziale und ökologische Auswirkungen der Bekleidungsproduktion zu diskutieren. In der Arbeit mit Studierenden merken wir häufig, dass es eine gewisse Ahnung davon gibt, dass die Branche auch Schattenseiten hat. Dazu hat sicherlich auch die große Aufmerksamkeit für das Rana-Plaza-Unglück beigetragen. Detailliertes Wissen und Kompetenzen für ein Umsteuern der Bekleidungsindustrie haben leider jedoch noch immer viel zu wenige Studierende.

Wo setzen Sie da mit Ihrer Arbeit an?

Wir leisten einerseits Bildungsarbeit direkt mit Studierenden, geben Workshops zu unseren Themen, halten Vorträge, beraten bei Abschlussarbeiten, betreuen Semesterprojekte. Andererseits wenden wir uns aber auch an DozentInnen – sie müssen dafür sorgen, dass die Notwendigkeit einer menschenwürdigen und ökologisch nachhaltigen Mode im Studium behandelt wird. Das muss der Standard in jedem modebezogenen Studium sein – nicht der Ausnahmefall immer dort, wo sich einzelne DozentInnen stark engagieren. Dafür führen wir jetzt im Oktober zum Beispiel die Konferenz „FAIR FASHION works? Unternehmensverantwortung im Modestudium“ durch.

Sie setzen einen Schwerpunkt bei den Studentinnen. Was ist mit den Frauen außerhalb der Universitäten?

Jeder und jede kann mit seinem Verhalten zu einer Veränderung in der Modebranche beitragen. Einerseits als Konsument*in: Warum trage ich welche Kleidung? Warum nicht bei meiner Lieblingsmarke einfach mal nachfragen, unter welchen Bedingungen sie produzieren lassen? Warum nicht meinen Lieblingsstore mal bitten, bei ihren Brands nachzuhaken, ob sie existenzsichernde Löhne zahlen? Es gibt jedoch auch darüber hinaus viele Möglichkeiten: Wenn ich in einer H&M-Filiale angestellt bin, warum nicht mal beim Betriebsrat nachfragen, wie wir uns für alle „Mitarbeiter_innen“ des Konzerns engagieren könnten – nicht nur die direkten KollegInnen? Wenn ich irgendwo tätig bin, wo zum Beispiel Werbe-T-Shirts in größerem Stil angeschafft werden – mal nachfragen, wie diese produziert werden und ob „Kleidung“ tatsächlich als häufig ja nur Wegwerf-Werbemittel dienen sollte. Unbedingt die Petitionen und Aktionen der Kampagne für Saubere Kleidung unterstützen. Und so weiter und so fort.

Mit FairSchnitt wenden wir uns an Studierende, weil sie zum Teil die UnternehmensentscheiderInnen von morgen sein werden. Häufig sind es in Modestudiengängen Frauen.

Gehen Sie auch auf die großen Markenfirmen zu und versuchen dort eine Sensibilisierung zu erreichen? Und wenn ja, klappt das, wird umgedacht?

Im Rahmen des Bündnisses für nachhaltige Textilien verhandeln wir seit einiger Zeit mit sehr vielen Markenfirmen. Das bewirkt schon eine Sensibilisierung – teilweise beginnen Hersteller erst in diesem Rahmen damit, ihre Zulieferer überhaupt einmal kennen zu lernen. Wenn sie zum Beispiel über Agenten einkaufen, kennen sie bisweilen nicht einmal die Konfektionsfabriken, in denen ihre Kleidung genäht wird. Ganz zu schweigen von den Produktionsstufen davor. Der Weg bis aber auch Markenfirmen keine Lobbyarbeit mehr leisten, um gesetzliche Regelungen für die weltweite Achtung von Menschenrechten zu verhindern, ist aber noch sehr weit.

Nähere Informationen zu FEMNET und Fairschnitt findet man unter www.femnet-ev.de und unter www.fairschnitt.org.

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