Eigentlich hatte Lilian Rettegi einen straighten, sicheren Karriereweg: Beide Eltern Ärzte, sie ist von frühauf begeistert von der Tätigkeit und studiert erfolgreich Medizin. Doch dann merkt sie: Ich liebe den Arztberuf, aber die Abläufe in Praxen erfordern zu viel administratives Arbeiten. Also verlässt sie den geplanten Weg und gründet gemeinsam mit dem Arzt Dr. Lucas Spohn und dem IT-Entwickler Jerome Meinke ein Start-up. Das Team entwickelt die Software Idana, mit der Arztpraxen Zeit bei Anamnese und Dokumentation einsparen und sich somit besser um ihre Patient*innen kümmern können. Das junge Unternehmen gewinnt kontinuierlich Kunden, Förderpreise und immer mehr Privatinvestoren. Und spätestens heute, kurz vor Abschluss der ersten Series-A-Finanzierungsrunde, merkt die gebürtige Freiburgerin: Risikobereitschaft zahlt sich aus.

Frau Dr. Rettegi, was hat Sie dazu bewegt, kurz vor dem Berufseinstieg als Ärztin den weißen Kittel abzustreifen und ein IT-Startup zu gründen?

Meine Eltern sind beide Hausärzte mit einer Gemeinschaftspraxis. Ich war schon als Kind oft in der Praxis. Dort habe ich gemerkt: Meine Eltern lieben Medizin, eine gute Patientenversorgung geht für sie über alles. Aber sie haben auch immer mit den vielen bürokratischen Aufgaben zu kämpfen gehabt. Dennoch war die Medizin für mich immer der schönste, sinnhafteste Beruf. Dass ich heute Gründerin und Geschäftsführerin einer Firma mit über 30 Mitarbeitenden bin, war nicht geplant. Ich habe Medizin studiert, um Medizin zu praktizieren. Patientenversorgung, manuelle ärztliche Tätigkeiten und kleinere Operationen haben mir Spaß gemacht. Aber der Arbeitsalltag ist leider nur zum Bruchteil direkte Patientenversorgung – das hatte ich erwartet, aber nicht, wie sehr es mich belasten würde. Dann lernte ich zum richtigen Zeitpunkt meinen Mitgründer Lucas Spohn kennen. Er war als Arzt an einem ähnlichen Punkt wie ich, hatte sich aber mit dem Thema Unternehmensgründung schon auseinandergesetzt. Als er mir seine Idee für unsere Software Idana vorstellte, war ich sofort begeistert und meine Abenteuerlust war geweckt.

Bei welchen Aufgaben kann Idana Arztpraxen unterstützen, Frau Dr. Rettegi?

Ärztinnen, Ärzte und ihr Praxispersonal sind medizinisch sehr gut ausgebildet. Aber ihnen fehlt die Zeit, den Beruf so auszuüben, wie sie es gerne möchten. Für eine gute Versorgung plus saubere Dokumentation braucht es eigentlich 20 bis 30 Minuten pro Patientenbesuch – im Schnitt sind es aber nur acht Minuten. In dieser kurzen Zeit muss dann alles geschehen: Informationsbeschaffung, Diagnose, Therapiebesprechung, Dokumentation. Wir haben daher eine Software entwickelt, die relevante Informationen im Vorfeld direkt beim Patienten erhebt. Sie können zu Hause in aller Ruhe alle wichtigen Daten zu ihrem Zustand eingeben und alle benötigten administrativen Formulare, wie z.B. DSGVO, vorab digital unterschreiben. Für ein zielführendes Arzt-Patienten-Gespräch ist es ein großer Vorteil, wenn Patient*innen vorab in Ruhe über alle Symptome nachdenken und diese lückenfrei ihrem Arzt mitteilen können. Die Arztpraxis hat dann alle relevanten Informationen schon vor dem Patientengespräch.

Die Karriere als Arzt gilt als sichere Bank – Geschäftsgründungen sind immer auch ein finanzielles Wagnis. Wie viel Nerven hat die Finanzierungsfrage Sie bisher auf Ihrem Weg gekostet?

Ganz ohne Risiko war er nicht, das stimmt. Aber ich mag Risiko und Herausforderung – im Beruf und in der Freizeit beim Wellenreiten und Downhill-Biken. Und sowohl im Sport als auch im Job hat sich meine Risikobereitschaft bisher immer ausgezahlt. Wir haben mit Idana ein Gründungsstipendium bekommen, Start-up-Wettbewerbe gewonnen und unsere erste große Finanzierung über eine Crowdinvesting-Plattform erreicht. Gerade haben wir eine Finanzierungsrunde mit Privatinvestoren abgeschlossen, an der sich auch 15 unserer Kunden beteiligt haben. Es macht uns sehr stolz, dass unsere Kunden an die Zukunftsträchtigkeit von Idana glauben. Wir haben in den letzten Jahren die Basis für ein funktionierendes Unternehmen gelegt. Teams, Prozesse und das Produkt sind auf Skalierung ausgerichtet. Wir wissen, wie wir Kunden und Umsatz generieren können. Jetzt brauchen wir ausreichend Invest, um hochzuskalieren. Wir sind zuversichtlich, dass wir in der aktuellen Series-A-Finanzierungsrunde den passenden Lead-Investor finden werden.

Vielen Dank für das Gespräch!