Hellstern medical: Die Idee entstand aus einem persönlichen Kontakt
Sabrina Hellstern hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Claudia Sodha das Unternehmen Hellstern medical gegründet. noac folgt Chirurg*innen in jede gewünschte Position und ermöglicht Operationen ohne Schmerzen und Folgeschäden und körperliche Ermüdung. So macht noac OPs für Patient*innen und Operierende gleichermaßen sicherer.
Was ist die Besonderheit Ihres Start-ups?
noac ist ein Surgeon Support System. Weltweit gibt es keinen anderen OP-Roboter wie noac und wir decken mit ihm 99 Prozent der OP-Situationen ab – damit ist noac an sich schon ein Alleinstellungsmerkmal. Chirurg:innen können sich durch ein sensorgesteuertes System, das sich optimal auf alle Körpermaße einstellt, in jede gewünschte Position begeben. Dabei wird nicht nur die Beinmuskulatur, sondern auch der Oberkörper bis zu 100 % entlastet. Schaut man sich andere Technologien an, die in Operationen verwendet werden, dann ist noac deutlich effizienter. Ein kurzer Vergleich: Das sterile Überziehen eines Da Vinci Roboter – das ist ein roboter-assistiertes Chirurgiesystem – kostet Kliniken beispielsweise so viel wie noac ein bis zwei Monate lang zu leasen.
Außerdem kann sich noac dank seiner Mecanum-Räder – ähnlich wie ein Luftkissenboot – in zwei Dimensionen völlig frei bewegen. Es ist die neue Freiheit im OP.
Was sind Ihre ersten beruflichen Erfolge?
Innerhalb von zwei Jahren haben wir mit 2,9 Mio. € unseren Exorobot noac entwickelt. Wir haben mit einem Zehntel an Kapital zu vergleichbaren Start-ups ein sensorgesteuertes, robotisches Hightech System mit Zulassung als Medizinprodukt entwickelt, das handsfree gesteuert wird und fühlen kann, wohin sich die Operateure bewegen. 1.500 Einzelteile, 80 % davon selbst konstruiert und 35 Patente werden erteilt.
ExoRobot noac wird jetzt in den ersten Kliniken eingesetzt und der neue Standard für einen schmerzfreien Arbeitsplatz für Chirurg*innen werden und somit die Qualität und Sicherheit für die Patient*innen nachweisbar verbessern.
Was war für Sie der Auslöser, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Die Idee ist aus persönlichem Kontakt im Rahmen meiner Arbeit im medizinischen Vertrieb zu verschiedenen Chirurg*innen entstanden. Sie waren teils sehr frustriert über ihre aktuelle Situation, denn bei zwei Dritteln aller OPs müssen Chirurg*innen unnatürliche Körperhaltungen einnehmen, die zwangsläufig zu Ermüdung und Schmerzen führen. 40 Prozent nehmen daher regelmäßig Schmerzmittel ein. Eine Möglichkeit zur Lösung dieses Problems hatten sie allerdings nicht, vielmehr operieren Chirurg*innen noch wie vor 150 Jahren. Gemeinsam mit unserem Team haben wir dann direkt losgelegt und in enger Zusammenarbeit mit Ärtz*innen und zwei Robotik-Ingenieuren in nur 15 Monaten noac entwickelt. Wir alle haben erkannt, dass es hier darum geht, ein riesiges, echtes Problem zu lösen.
Wer hat Sie beraten, wer sind Ihre Helfer und Mentoren?
Wir haben kompetente, motivierte und inspirierende Menschen mit an Bord, unter anderem Expert:innen im MedTech Bereich, die an unsere gemeinsame Vision glauben. Zu erwähnen sind hier auf jeden Fall Harald Rager und Alexander Strobel, zwei Robotik-Spezialisten, welche noac in der Mechanik-Entwicklung zur Serienreife verholfen haben. Außerdem begleiten die beiden Chirurgen Dr. Martin Schuhmann und Dr. Felix Neunhoffer seit Beginn die Entwicklung des noac. Gemeinsam mit weiteren Spezialist:innen haben die beiden die ersten Prototypen des noac getestet und waren somit eine große Hilfe.
Was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?
Die europäische Medizinprodukte-Verordnung hat uns definitiv vor eine unserer größten Herausforderungen gestellt. Hier gibt es wirklich hohe Hürden, die natürlich Zeit und finanzielle Ressourcen kosten. Seit 2023 haben wir nun die Zertifizierung, jetzt geht es darum, noac in D-A-CH groß zu machen und dann in die USA zu expandieren. Interesse gibt es auch schon aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Wie machen Sie auf Ihr Unternehmen aufmerksam?
Auf Fachkongressen kommen wir mit den Operateur:innen ins Gespräch. Zudem über Fachpresse der verschiedenen chirurgischen Disziplinen und LinkedIn. Die Chirurg*innen laden uns in die Kliniken ein, um noac in Ihrem Setting am OP-Tisch zu testen. Sie sind begeistert, dass noac ihnen, gesetzlich entsprechend dem Arbeitsschutzgesetz, zusteht. In der Industrie sind ergonomische Unterstützungssysteme schon Standard und die Ärzt:innen hoffen, dass es bald bei Ihnen auch Alltag wird.
Was ist Ihre beste Vermarktungsidee?
Unsere große Vision ist es, Menschenleben zu retten. Um das nachhaltig umsetzen zu können, benötigt man ein erfolgreiches und profitables Unternehmen. Das Marktpotenzial ist groß – weltweit 47 Milliarden Euro. Alleine in Deutschland finden jährlich zirka 16 Millionen Operationen statt – und noac deckt 98 Prozent dieser Operationen ab. Zudem steht Chirurg:innen nach den Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes eine ergonomische Arbeitsumgebung – und damit noac – zu. noac wurde gemeinsam mit Chirurg:innen und genau für deren Bedürfnisse entwickelt. Die Kliniken profitieren, dass sie mit Exorobot noac Operateur:innen einen schmerzfreien Arbeitsplatz anbieten und diese für die Klinik akquirieren können. Die Patient:innen profitieren von einer Steigerung der chirurgischen Präzision und der Reduzierung von Behandlungsfehlern. Das kann sehr gut im Patientenmarketing genutzt werden. Die Patienten werden sich bald erkundigen, ob in dieser Klinik Chirurg:innen robotisch-assistiert operieren dürfen.
Wie haben Sie die Finanzierung Ihrer Gründung umgesetzt?
Ich bin alleine und ohne Budget gestartet, habe das Familienauto verkauft und eine Hypothek auf unser Haus aufgenommen, um Startkapital zur Verfügung zu haben. Claudia und ich haben uns zudem um verschiedene Fördermittel bemüht, sind dabei aber fast immer durch das Raster gefallen – weil wir bereits zu weit in der Entwicklung oder schon zu professionell aufgestellt waren. Dennoch haben alle Gründungsmitglieder so sehr an die Idee und ihr Potenzial geglaubt, dass sie in der Anfangszeit komplett auf Gehalt verzichtet haben. Bis zu unserem ersten Fundraising 2021 haben wir also komplett gebootstrappt.
Welchen Traum möchten Sie noch verwirklichen?
Mein persönliches Ziel war und ist es, ein Produkt zu entwickeln, welches Chirurg*innen bestmögliche Unterstützung bei einer OP ermöglicht. Daher bleiben wir so lange mit am OP-Tisch, bis wir sagen können: Diese Operation ist besser gelaufen, weil wir hart dafür gearbeitet, Perfektion und Leistung gebracht haben. Zunächst wollen wir also das Projekt noac weiter vorantreiben und in so viele Kliniken wie möglich integrieren. Gemeinsam mit unserem Team haben wir schon weitere Ideen für wichtige MedTech Produkte gesammelt.
In ein paar Jahren wollen wir die Nummer eins der robotischen Systeme im OP sein.
Ihr Tipp: Was würden Sie anderen Gründerinnen empfehlen?
Auch wenn unsere Erfahrung zeigt, dass Gründer es oft einfacher haben als Gründerinnen, sind wir uns sicher, dass Gründerinnen genauso viel bewegen können! Wir beide gehören zu dem einen Prozent aller Gründerinnen in der europäischen Medtech-Branche, die es geschafft haben, über 1 Million Euro im Fundraising zu generieren. Daher unsere drei Tipps: Glaubt an euch und eure Vision, kombiniert wirtschaftliches Denken mit gesellschaftlicher Verantwortung und traut euch!
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