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BAG: Stellungnahme zur „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“

Von der BAG

Entwurf der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates: Vor dem Hintergrund der Blockadehaltung einiger EU-Mitgliedstaaten bezüglich des Beitritts zur Istanbul-Konvention (IK) hat die Europäische Kommission im Jahr 2020 Maßnahmen angekündigt, um ähnliche Ziele zu erreichen. Dies führte zur Vorlage eines umfassenden Richtlinienentwurfs zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.
Der Richtlinienentwurf setzt sich positiv für den Schutz der Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt ein und orientiert sich an zentralen Vorgaben der IK im Straf- und Strafverfahrensrecht.

Wir begrüßen bestimmte Aspekte des Richtlinienentwurfs, darunter die Harmonisierung der Straftatbestände, das „Ja-heißt-Ja“-Modell, Maßnahmen gegen Cybergewalt und die Stärkung der Opferrechte. Verbesserungsbedarf besteht jedoch bei einigen Regelungen, beispielsweise im Bereich der Vergewaltigung, weiblicher Genitalverstümmelung und Cyber-Straftatbestände.

Wir fordern das Europäische Parlament, den Rat und die deutsche Bundesregierung auf, die Verhandlungen zum Richtlinienentwurf zügig abzuschließen, um ein hohes Schutzniveau für Frauen in der EU zu gewährleisten. Es ist vor diesem Hintergrund immanent wichtig, dass die Verabschiedung der Richtlinie nicht an den Zuständigkeitsregelungen scheitert. Wir appellieren an alle Beteiligten, eine Kompromisslösung, notfalls unter Weglassung bestimmter Artikel, zu finden.

Zur Richtlinie im Einzelnen

I.  Intersektionalität
Wir begrüßen die Berücksichtigung einer intersektionalen Diskriminierungsanalyse bei der Ausarbeitung des Richtlinienentwurfs. Die Mitgliedstaaten sollen die Situation von Opfern, die von intersektionalen Diskriminierungsformen betroffen sind, besonders berücksichtigen. Der Grundsatz der Intersektionalität findet sich explizit in Art. 35 RL-E wieder. Wir fordern darüber hinaus  eine explizite Aufnahme von LGBTIQ-Personen als „gefährdete Gruppe“ in Art. 35 RL-E und eine klarere Berücksichtigung von Mehrfachdiskriminierungen sowie spezielle Schutzmaßnahmen für trans*Personen. Es besteht die Notwendigkeit, die Berücksichtigung von Mehrfachdiskriminierung in den Regelungen, insbesondere in Art. 5 und Art. 6, zu schärfen, um sicherzustellen, dass sie nicht nur appellativen Charakter hat.

II. Europarechtlicher Rahmen, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
Wir stimmen der Auffassung der Europäischen Kommission zu, dass der Richtlinienentwurf unter die Kompetenz der EU-Gesetzgebung fällt. Insbesondere bezieht sich dies auf Opferschutz, Verfahrensfragen, Harmonisierung des materiellen Strafrechts im Sexualstrafrecht und Cyberkriminalität.
Artikel 82 und 83 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) regeln die Richtlinienkompetenz der EU. Der Kriminalitätsbereich „sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern“ gemäß Artikel 83 Absatz 1 UA 2 AEUV umfasst die Straftatbestände der Vergewaltigung und der Verstümmelung weiblicher Genitalien im Richtlinienentwurf.
Die Auslegung des Begriffs „sexuelle Ausbeutung“ erfolgt im EU-Primärrecht, unter Berücksichtigung völker- und europarechtlicher Harmonisierungsakte. Wie auch der Deutsche Juristinnenbund (djb) betont, ist dieser Begriff weit gefasst und Delikte des Sexualstrafrechts werden umfassend abdeckt. Die EU-Gesetzgeber haben die Befugnis, aufgrund einer gemeinsamen gesetzlichen Grundlage gegen Straftaten vorzugehen, die die Menschenwürde und die Menschenrechte betreffen, insbesondere die Gleichstellung von Frauen und Männern.
Der Kriminalitätsbereich der „Computerkriminalität“ umfasst Cyber-Gewalt (Artikel 7 ff. RL-E), wobei die Verwendung von Computern und Informationssystemen zentrale Tatbestandselemente sind.
Wir unterstützen die detaillierte Analyse der Kommission zur Einhaltung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Die Kommission begründet überzeugend, dass das bestehende strafrechtliche Schutzniveau in den Mitgliedstaaten Lücken aufweist und hinter den im Richtlinienentwurf vorgeschlagenen Anforderungen zurückbleibt. Die Verhältnismäßigkeit wird durch die Flexibilität der Richtlinie und die Wahrung höherer Schutzstandards in den Mitgliedstaaten gewahrt.
Wie bereits erläutert, halten wir allerdings die Verabschiedung der Richtlinie insgesamt für so wichtig, dass die Verabschiedung keinesfalls an Kompetenzstreitigkeiten scheitern sollte und eine Kompromisslösung gefunden werden muss.

III Zu einzelnen Artikeln der Richtlinie
1. Art. 5 – Vergewaltigung:
Wir begrüßen die Harmonisierung der Strafbarkeit von Vergewaltigung in der EU. Es gibt allerdings Bedarf für Nachjustierungen in der Formulierung des Art. 5 RL-E, um den Tatbestand klarer zu definieren.  Wir unterstützen das „Ja-heißt-Ja-Modell“ und fordert eine breitere Definition von Vergewaltigung.
2. Art. 6 – Genitalverstümmelung:
Wir begrüßen die Regelung zur Strafbarkeit von Genitalverstümmelung in der EU. Einwilligung sollte als Abgrenzungskriterium explizit genannt werden und die besonderen Schutzbedürfnisse von intersexuellen und trans* Personen sollten klarer berücksichtigt werden.
3. Art. 7 – Nicht-einvernehmliche Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material:
Wir nehmen die Einführung des Straftatbestands für die nicht-einvernehmliche Weitergabe von intimem oder manipuliertem Material positiv zur Kenntnis, und auch, dass die Androhung der Weitergabe unter Strafe steht. Allerdings sollten die Darstellungen weit gefasst werden und auch „Deepfakes“ einschließen. Wir unterstützen eine weitergehende Regelung für den Schutz vor nicht-einvernehmlicher Weitergabe und es sollte sichergestellt werden, dass nicht nur sexuelle Handlungen, sondern auch andere intime Bilder erfasst werden.
4. Art. 8 – Cyberstalking:
Wir unterstützen grundsätzlich Art. 8 RL-E, der Cyberstalking unter Strafe stellt, und schließen uns der Empfehlung zur Änderung von Art. 8 lit. a) RL-E: Ersetzung der Voraussetzung der „dauerhaften“ Bedrohung durch „wiederholte“ Bedrohung des djb an. Auch sollte der geschützte Personenkreis erweitert werden, um auch „Angehörige“ oder „nahestehende Personen“ einzuschließen.
5. Art. 9 – Cybermobbing und Art. 10 – Aufstachelung zu Gewalt oder Hass im Internet
Die Aufnahme von Cybermobbing als strafrechtlich verfolgbares Verhalten ist gut und wir bewerten auch die Regelungen in Art, 10 positiv, insbesondere unter Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Dimensionen.
6. Art. 12  – Strafen:
Hier sind die Interventionsprogramme positiv herauszuheben, eine Präzisierung entsprechend dem IK-Bericht wäre allerdings wünschenswert.
7. Art. 13 – Erschwerende Umstände:
Wir begrüßen die Regelung zu straferschwerenden Umstände, vor allem bei Gewalt gegen Frauen. Es bedarf jedoch noch notwendiger Klarstellungen zu einzelnen Merkmalen, insbesondere bei der Cyberkriminalität. Wir unterstützen die Anerkennung der Schwere von Straftaten in Nähebeziehungen, und regen wie der djb die Erweiterung des Merkmals „persönliche Beziehung“ neben „örtlichem Zusammenleben“ an.
8. Art. 15 – Verjährungsfristen:
Die Verjährungsfristen in Art. 15, speziell die Mindestverjährungsfrist von 20 Jahren für Vergewaltigung beseitigt die unzureichende Verjährungsfristen bei Vergewaltigung im deutschen Recht.
9. Art. 17 – Ermittlung und Strafverfolgung:
Wir unterstützen die Regelungen für effektive Beweisermittlung und Strafverfolgung und fordern den flächendeckenden Ausbau von gerichtsfester, vertraulicher Beweissicherung.
Wir haben jedoch Bedenken gegen die Pflicht zur „offiziellen“ Anzeige, die Möglichkeit zur Beratung vor einer Anzeige erscheint nach wie vor zwingend erforderlich.
10. Artikel 22 – Schutz des Privatlebens des Opfers:
Wir begrüßen den Ansatz, das Fragerecht im Gerichtsprozess opferschonend zu gestalten. Insbesondere bei sexualisierter Gewalt sind Opferzeug*innen oft gezwungen, ihr sexuelles Vorleben detailliert offenzulegen, obwohl dies in der Regel keine Relevanz für die Glaubwürdigkeit ihrer Aussage hat. Es sollte eine klarere Regelung getroffen werden, die sicherstellt, dass solche Fragen in der Regel als unzulässig gelten und ihre Zulässigkeit gut begründet werden muss. Eine solche Begründungspflicht würde die Transparenz erhöhen und das Risiko von revidierten Urteilen reduzieren.
11. Artikel 37 – Schulung und Information von Fachkräften:
Wir unterstützen die Forderungen nach umfassenden Fortbildungsverpflichtungen in Artikel 37. Er fordert verpflichtende Fortbildungen für Staatsanwält*innen und Richter*innen zum Thema geschlechtsspezifischer Gewalt zur Vereinheitlichung der Rechtsanwendungspraxis. Es ist wichtig, dass durch Fortbildungen auch Genderstereotype und Vergewaltigungsmythen reflektiert werden, da diese Hindernisse für die effektive Strafverfolgung darstellen. Die Polizei sollte verpflichtend fortlaufend im Umgang mit häuslicher Gewalt geschult werden und es sollten Fortbildung von Gesundheitsberufen im Bereich weiblicher Genitalverstümmelung (FGM_C) sowie Schulungen für Medienschaffende eingeführt werden.

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