IW-Studie: Welche Rolle spielen persönliche Präferenzen bei der Berufswahl?
Einige der Berufe, die während der Corona-Krise besonders wichtig sind, gelten als typische Frauenberufe. Wie „männlich“ oder „weiblich“ bestimmte Berufsgruppen tatsächlich sind und welchen Einfluss persönlichen Präferenzen dabei haben, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).
Die berufliche Geschlechtersegregation am deutschen Arbeitsmarkt hat sich im Zeitverlauf als ein relativ beständiges Muster erwiesen. In den letzten Jahren haben sich – mit wenigen Ausnahmen – nur geringe Veränderungen in der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung einzelner Berufsgruppen ergeben.
Biowissenschaftler und Mediziner etwa forschen an Medikamenten und behandeln die Erkrankten. 2003 lag der Frauenanteil in dieser Berufsgruppe bei 44,6 Prozent. 2017 lag er bei 47,2 Prozent. Bei den Gesundheitsfachkräften, zu denen etwa Krankenpfleger gehören, ist es dagegen eindeutiger: In kaum einer Berufsgruppe sind die Frauen so stark in der Überzahl – 80 Prozent der Beschäftigten sind weiblich. Ganz anders sieht es wiederum bei den Beschäftigten im Bereich Land-, Forstwirtschaft und Fischerei aus, die momentan für ausreichend Lebensmittel sorgen. Drei von vier Beschäftigten sind Männer. Weitere Zahlen zu Frauenanteilen in einzelnen Berufsgruppen finden Sie im IW-Trends von Jörg Schmidt. Er hat untersucht, welche Rolle persönliche Präferenzen bei der beruflichen Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt spielen.
Die Ursachen der weitgehenden beruflichen Trennung sind in einer Vielzahl von Faktoren zu suchen, die empirisch kaum vollständig erfasst werden können. Daher beschränkt sich der vorliegende Beitrag auf eine Analyse der Zusammenhänge bestimmter persönlicher Präferenzen mit der Geschlechtstypik von Berufsgruppen. Anhand von Daten des Soziooekonomischen Panels kann für das Untersuchungsjahr 2016 gezeigt werden, dass Frauen und Männer, denen materielle Präferenzen („Sich etwas leisten können“) wichtig oder sehr wichtig sind, eine erhöhte Neigung aufweisen, in Misch- oder männertypischen Berufsgruppen zu arbeiten statt in frauentypischen Berufsgruppen.
Daneben ergeben sich Anhaltspunkte, dass Männer mit sehr ausgeprägten altruistischen Präferenzen („Für andere da sein“) eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, in frauentypischen Berufsgruppen tätig zu sein. Zudem scheint der Aspekt der Selbstverwirklichung im Allgemeinen eine größere Rolle für die Vertretung in frauentypischen Berufsgruppen zu spielen. Die Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass die bei der ursprünglichen Berufswahl erfolgte geschlechterbezogene Verteilung auf verschiedene Berufsgruppen durch Berufswechsel im Erwerbsverlauf tendenziell abgeschwächt wird. Wenn auch diese Befunde letztlich nur Anhaltspunkte liefern können und weiterer Forschungsbedarf angezeigt ist, sollten sie bei der Diskussion der Arbeitsmarktergebnisse von Frauen und Männern nicht vernachlässigt werden, zum Beispiel im Hinblick auf die Lohnunterschiede von Frauen und Männern.
Die vollständige Studie gibt es hier: Jörg Schmidt: „Die berufliche Geschlechtersegregation am Arbeitsmarkt – Welche Rolle spielen persönliche Präferenzen?“