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Kaum Fortschritte bei der Gleichstellung während der Corona-Jahre

Veröffentlicht von der Hans-Böckler-Stiftung

von Bettina Kohlrausch

Der diesjährige Weltfrauentag ist vier Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie eine gute Gelegenheit, den Stand der Gleichstellung zwischen den Geschlechtern zu bilanzieren. Wir erinnern uns: Als Paare im Lockdown bei geschlossenen Kitas und Schulen zwischen Kurzarbeit und systemrelevanten Tätigkeiten die Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit neu verhandeln mussten, verbanden sich damit große Hoffnungen. Würde die Pandemie die Geschlechterverhältnisse durchrütteln? Zunächst zeigte sich im ersten harten Lockdown tatsächlich, dass der Anteil der Väter an der Sorgearbeit stieg.

Jetzt sehen wir: Dies war leider nur von kurzer Dauer, aktuelle Daten des WSI zeichnen ein eher ernüchterndes Bild. Die Muster der Verteilung der Sorgearbeit haben sich durch die Pandemie nicht nachhaltig verändert. Der sogenannte Gender-Care-Gap hat sich im Vergleich zur Situation vor der Pandemie kaum verringert. Zahlen aus dem Statistischen Bundesamt weisen in die gleiche Richtung: Frauen leisten im Durchschnitt 43 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer. Das entspricht neun Stunden pro Woche. Bei allen Frauen, aber insbesondere bei Müttern mit jungen Kindern, wirkt sich die starke Belastung durch Sorgearbeit auf die Erwerbsbeteiligung aus. Sie leisten deutlich weniger Stunden Erwerbsarbeit als Männer, mit erheblichen negativen Folgen für ihre soziale Absicherung. Rechnet man jedoch bezahlte Erwerbs- und unbezahlte Sorgearbeit zusammen, arbeiten Frauen 1,5 Stunden in der Woche mehr als Männer. Frauen arbeiten also mehr als Männer für deutlich weniger Geld, weil der Großteil ihrer Arbeit aus unbezahlter Sorgearbeit besteht.

Im Hinblick auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen zeigen die Zahlen, dass die in Debatten über den Fachkräftemangel häufig gestellte Forderung, Frauen sollten mehr Erwerbsarbeit leisten, sehr voraussetzungsvoll ist. In der jetzigen Situation würde eine höhere Erwerbsbeteiligung zu weiterer Mehrarbeit und zusätzlicher Belastung von Frauen, insbesondere Müttern, führen. Selbst ein deutlich verbessertes Angebot an Kinderbetreuung würde den Care-Gap jedoch nicht schließen, denn die Daten zur Zeiterhebung zeigen deutlich: Sorgearbeit ist mehr als Kinderbetreuung; dazu gehört z. B. auch Putzen, Waschen oder Kochen. Es braucht daher eine doppelte Umverteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen den Geschlechtern: Erwerbsarbeitszeit muss von Männern zu Frauen umverteilt werden, um Vätern zeitliche Spielräume für mehr Sorgearbeit zu öffnen, und gleichzeitig sollte Sorgearbeit von Frauen zu Männern verteilt werden. Die Daten unserer aktuellen Erhebung zeigen, dass die meisten Paare sich dies auch wünschen.

Prof. Dr. Bettina Kohlrausch ist die Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung.

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