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Köpfe der Transformation: Julia Grewe „Die Wissenschaft immer im Blick“

Das Ruhrgebiet hat sich auf den Weg zur grünsten Industrieregion der Welt gemacht. Ob nachhaltig oder smart: Es sind die Menschen, die mit ihrer Forschung die Metropole Ruhr zukunftsfähig und lebenswerter machen. Eine der Botschafterinnen des Projekts „Die Köpfe der Transformation“ ist Julia Grewe. Im Interview mit SHE works! sprach sie über Frauen in der Wissenschaft.

Professorin, Mentorin, Multiplikatorin und Ermöglicherin: Du und deine Arbeit stehen vor allem für Transformation und Antrieb. Wo genau liegt dein Forschungsschwerpunkt? 

Ich beschäftige mich besonders intensiv mit agilem Projektmanagement mit Scrum. Es handelt sich dabei um ein Projektvorgehen in Sprints – das heißt, dass in kurzen Abständen ein Projektergebnis geliefert und dann entschieden wird, was man als Nächstes umsetzt. Daher beschäftigt mich darüber hinaus, wie solche agilen Methoden in Zeiten der Veränderungen für Unternehmen wichtig werden. Typische Fragestellungen sind: Wie schaffen es Unternehmen, den Kunden stärker zu involvieren, wie können sie in laufenden Projekten mit Änderungen umgehen – und wie wird die Transparenz über Fortschritt in Projekten erhöht? 

Hast Du dich bewusst für die Wissenschaft entschieden oder war es eher Zufall, dass Du Wissenschaftlerin geworden bist? 

Ich hatte es ehrlich gesagt immer im Blick. Auch, während ich viele Jahre in verschiedenen Unternehmen gearbeitet habe. Nach ein paar Jahren der Berufstätigkeit habe ich dann meine Doktorarbeit geschrieben – das war ein wichtiger Baustein für meine Zukunft als Wissenschaftlerin.  

Da für HAWs der Praxisbezug wichtig ist, habe ich von meiner Berufstätigkeit auch für diesen Karriereweg profitiert. Gestartet bin ich damals an der Fachhochschule Münster – dort konnte ich meine ersten eigenen Lehraufträge übernehmen. Irgendwann war dann der Moment gekommen, die Professur für Wirtschaftswissenschaften zu erhalten. Wissen an junge Menschen weiterzugeben, sich wissenschaftlich weiterzuentwickeln und dabei immer den Blick in die Praxis zu halten – das ist für mich meine wirkliche Berufung. 

Was hat dir während der Gestaltung deiner Karriere am meisten weitergeholfen? 

Ich habe mir im Freundeskreis, bei Weggefährt:innen aber auch Mentor:innen immer wieder Rat geholt. Dazu habe ich Chancen schnell ergriffen und war das ein oder andere Mal sehr mutig. 

Ich will nicht verheimlichen, dass es nicht leicht ist, von einem großen Konzern in eine ungewisse Zukunft in die Wissenschaft zu gehen – ohne Aussicht auf eine feste Anstellung, wie ich sie nun habe. Dieser Schritt verlangt viel Tatendrang, Zuversicht und vor allem eine große Portion Mut. 

Es braucht Zeit, um ein Netzwerk aufzubauen. Gibt es Netzwerke, Initiativen oder Programme, die dir persönlich geholfen haben? 

Auf jeden Fall! Ich habe beispielsweise an einem Mentoring-Netzwerk für Frauen in NRW teilgenommen und zentrale Impulse gewinnen können. Dort habe ich unter anderem verstanden, dass man immer verschiedene Optionen im Blick behalten sollte und Chancen schnell ergreifen muss, wenn sie sich ergeben. Das war für mich auf dem Weg in die Wissenschaft sehr hilfreich. 

Aktuell ist es aber definitiv das Netzwerk working moms e.V. – dort habe ich tolle und inspirierende Frauen kennengelernt. Ich lüge nicht, wenn ich sage: Jedes Treffen ist eine Wohltat! Wir möchten die gleichen Themen besprechen und stellen uns den gleichen Herausforderungen. Zuletzt war ich auf einem deutschlandweiten Treffen, habe Vorträgen von mir vorher völlig fremden Frauen gelauscht und konnte mich ungezwungen austauschen. 

Ist es aus Deiner Erfahrung heraus besonders für Frauen wichtig ein gutes und großes Netzwerk aufzubauen, wenn sie erfolgreich eine wissenschaftliche Laufbahn/Karriere einschlagen möchten? 

Es hilft schon sehr! Und es hat gleich mehrere Vorteile: Gelegenheiten oder Chancen über sein Netzwerk zu bekommen und sich gleichzeitig einen Raum mit Gleichgesinnten zu verschaffen, sich verstanden zu fühlen. Ich glaube nicht, dass ich mit so viel Mut und Selbstbewusstsein meinen Weg hätte gehen können, wenn ich nicht die wertvolle Unterstützung aus meinen Netzwerken bekommen hätte. Gerade das ist so wichtig, wenn man sich in einer tendenziell männerdominierten Branche bewegt. 

Es klingt so einfach: ”Bau Dir ein Netzwerk auf” – wie aber gelingt das? Hast Du Tipps für das Knüpfen und Pflegen von Kontakten? 

Im Moment helfen digitale Plattformen sicher sehr. Ich empfehle und schätze selbst aber vor allem den persönlichen Kontakt. Mein Tipp: Nach fachlichen Netzwerken suchen und zu Fachtreffen, Austauschrunden und Alumni-Treffen einfach mal hingehen. Irgendwas kann man bestimmt mitnehmen: Eine Idee, einen Kontakt oder ein nettes Gespräch! 

Wie schätzt du allgemein die Chancen und Möglichkeiten als Frau für eine Karriere in der Wissenschaft in deiner Region ein?  

Grundsätzlich sehr gut. Es gibt viele tolle Hochschulen bei uns im Ruhrgebiet. In MINT-Fächern sehe ich aber leider immer noch wenige junge Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben oder anstreben möchten. Ich vermute, dass sie Hemmungen haben. Es fehlen Vorbilder, vielleicht haben sie auch Sorgen wie: Schaffe ich das? Und wie lange dauert so ein Weg? Da könnten wir sicherlich noch mehr fördern, denn: Wir brauchen Frauen gerade für MINT-Themen. Das ist auch Teil der Zukunft der Wissenschaftslandschaft im Ruhrgebiet – und darüber hinaus.  

In einem Interview berichtest du davon, wie du als Frau für viele Dinge spürbar stärker kämpfen musstest als deine männlichen Kollegen. Hast du Tipps für Wissenschaftlerinnen, denen es genauso geht? 

Das habe ich tatsächlich im Berufsleben einige Male erlebt. Vor allem, als ich noch jünger war und Banken beraten habe, gab es ein paar unangenehme Situationen. Einmal wurde ich von einer Gruppe Bänkern gar nicht begrüßt – meine männlichen Kollegen hingegen schon. Das fand ich in dem Moment sogar eher lustig, als dass ich es mir zu Herzen genommen habe. Vielleicht ist daher mein Tipp: Ruhe bewahren – und weitermachen! Und sich mit anderen austauschen, wenn man denn möchte. Das stärkt oft das eigene Selbstbewusstsein. 

Und zu guter Letzt: Gibt es einen Rat, den Du dir zu Beginn Deiner wissenschaftlichen Karriere gewünscht hättest, welchen Du heutigen Nachwuchswissenschaftlerinnen mit auf den Weg geben möchtest? 

Einfach mal machen! Seid mutig, ergreift Chancen, wenn sie da sind – auch, wenn man manchmal noch nicht absehen kann, wohin es einen führt. Holt euch Ratschläge zwar ein, aber lasst Euch nicht vom Urteil anderer abhalten! Während meiner Tätigkeiten als IT-Projektmanagerin zum Beispiel habe ich eine Schauspielausbildung angefangen. Diejenigen, die mich gut kannten, wussten, dass es zu mir passt. Andere haben das nicht verstanden und mich belächelt. Die Ausbildung hat mich im Endeffekt sehr weitergebracht – und ich habe in meiner Entwicklung davon wirklich profitiert. Geht euren eigenen Weg. Ich kann es nur empfehlen! 

Vielen Dank für das Gespräch! 

Über Julia Grewe
Julia Grewe ist Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Hamm-Lippstadt. Darüber hinaus ist sie auch Multiplikatorin, Mentorin und Ermöglicherin. Die promovierte Betriebswirtin will vor allem junge Frauen dafür begeistern, MINT-Berufe zu ergreifen – also mathematische, naturwissenschaftliche, technische und IT-Berufe. Die 44-Jährige will Bildung für alle ermöglichen und die Region dadurch nach vorne bringen. 

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