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Public WoB-Index 2023: Parität noch in weiter Ferne

Veröffentlicht vom FidAR – Frauen in die Aufsichtsräte e.V.

Die paritätische Besetzung der Führungsgremien öffentlicher Unternehmen in Deutschland ist weiter nicht in Sicht. Die mit dem Führungspositionengesetz II (FüPoG II) eingeführten Maßnahmen zur Stärkung der gleichberechtigten Teilhabe greifen weiterhin nur sehr langsam. In den Aufsichtsgremien der 262 größten Beteiligungen von Bund und Ländern stieg der Frauenanteil nur um 1,3 Prozentpunkte auf 37,1 Prozent (2022: 35,8 %), in den Top-Managementorganen um 2,5 Prozentpunkte auf 25,7 Prozent (2022: 23,2 %) – das Ziel der Parität ist damit noch lange nicht
erreicht. Das sind die Ergebnisse des heute in Berlin vorgestellten Public Women-on-Board-Index von FidAR mit Stand 01.01.2023.

Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien der 104 untersuchten Bundesbeteiligungen liegt über dem Gesamtdurchschnitt und ist auf 37,8 Prozent gestiegen (2022: 36,9 %). In 52 Aufsichtsgremien (50 %) der Bundesbeteiligungen wird ein Frauenanteil von mindestens 40 Prozent erreicht (2022: 47,6 %), 32 Aufsichtsgremien (30,8 %) sind mindestens paritätisch besetzt (2022: 25,2 %). In den  TopManagementorganen der Bundesbeteiligungen werden 28,3 Prozent Frauenanteil erreicht (2022: 25,5 %). Der Zuwachs von 0,9 Prozentpunkten in den Aufsichtsgremien fällt damit bei den Beteiligungen des Bundes geringer aus, als bei den untersuchten Beteiligungen der Länder (+1,5), während der Anstieg in den Top-Managementorganen mit 2,8 Prozentpunkten leicht über dem der Länder liegt (+2,4).

Mindestbeteiligungsgebot entfaltet im öffentlichen Sektor langsam Wirkung

Das seit dem 1. August 2022 geltende Mindestbeteiligungsgebot führt im Top-Managementorgan der betroffenen 37 Bundesbeteiligungen nur langsam zur Erhöhung der Frauenanteile. Die Regelung verpflichtet Mehrheitsbeteiligungen des Bundes mit mehr als zwei Mitgliedern im Geschäftsführungsorgan mindestens eine Frau bzw. einen Mann aufzuweisen. Neun dieser Bundesbeteiligungen hatten zum Erhebungszeitpunkt des Public WoB-Index am 01.01.2023 noch eine frauenfreie Top-Managementebene: Autokraft, Bundesgesellschaft für Endlagerung, DB Systemtechnik, Facility for Antiproton and Ion Research in Europe, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, Omnibusverkehr Franken, Regionalverkehr Alb-Bodensee, Regionalverkehr Oberbayern und SBG Südbadenbus. Insgesamt stieg der durchschnittliche Frauenanteil im Top Managementorgan bei den unter das Mindestbeteiligungsgebot fallenden Unternehmen deutlich stärker um 4,7 Prozentpunkte auf 32,6 Prozent (2022: 27,9 %).

Weiterhin zu viele Unternehmen mit Zielgröße Null

Von den 262 untersuchten öffentlichen Unternehmen müssen 127 Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, Top-Managementorgan und die zwei obersten Managementebenen festlegen, da sie der Mitbestimmung unterliegen oder börsennotiert sind. Nur von 89 dieser Unternehmen liegen allerdings Zielgrößen vor. Und trotz der mit dem FüPoG II eingeführten, sanktionsbewehrten Begründungspflicht geben 14 Unternehmen weiter die Zielgröße Null an, planen also nicht mit Frauen in der Unternehmensleitung. Das sind 20,9 Prozent der 67 Beteiligungen, die eine Zielgröße für das Top-Managementorgan festgelegt und veröffentlicht haben.

Lisa Paus: „Bundesbeteiligungen sollten mehr Engagement für gleichberechtigte Teilhabe zeigen“

„Wir haben mit den gesetzlichen Vorgaben ganz bewusst den Druck auf die öffentlichen Unternehmen erhöht. Jetzt gilt es, mehr Frauen in Führungspositionen, in die Aufsichtsräte, Geschäftsführungen und die obersten Managementebenen zu berufen. Rein männlich besetzte Vorstände und Führungsetagen sollten möglichst bald Geschichte sein. Der Bund geht mit gutem Beispiel voran. Die Vorgaben sind deshalb für öffentliche Unternehmen strenger als für die Privatwirtschaft“, betont Bundesfrauenministerin Lisa Paus.

Monika Schulz-Strelow: „Viel Schatten, wenig Licht im öffentlichen Sektor“

„Die öffentlichen Unternehmen haben sich lange auf ihrem Vorsprung zur Privatwirtschaft ausgeruht. Aber die Entwicklung bei den börsennotierten Unternehmen zeigt, dass bei entsprechendem Druck und größerem öffentlichen Interesse mehr Fortschritt möglich ist. Vor diesem Hintergrund ist die Entwicklung bei den Bundes- und Länderbeteiligungen nicht zufriedenstellend. So werden die Unternehmen der öffentlichen Hand ihrer Vorbildrolle nicht gerecht. Und noch schlimmer: Sie fallen im Wettbewerb um die besten Köpfe weiter zurück, wenn sie bei der gleichberechtigten Teilhabe nicht endlich mehr Engagement zeigen“, erklärt FidAR-Gründungspräsidentin Monika Schulz-Strelow, die den Public WoB-Index federführend betreut.

Anja Seng: „Bei den Zielgrößen fehlt es an Transparenz“

„Weiterhin mangelt es bei vielen öffentlichen Unternehmen an einem klaren Bekenntnis, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Von 38 der 127 zielgrößenpflichtigen Unternehmen liegen keine Angaben vor, welchen Frauenanteil sie künftig erreichen wollen. Und der Anteil der Unternehmen, die keine Frauen in der Geschäftsführung haben und mit Zielgröße Null planen, ist weiterhin deutlich zu hoch. Sie verweigern damit die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der Führungsspitze sowie sich ambitioniertere Ziele zu setzen und diese auch öffentlich transparent zu kommunizieren“, betont die Präsidentin von FidAR, Prof. Dr. Anja Seng.

Der Public WoB-Index im Überblick
Der Public Women-on-Board-Index von FidAR ist die bedeutendste repräsentative Studie zur gleichberechtigten Teilhabe in Führungspositionen von Frauen und Männern in öffentlichen Unternehmen in Deutschland. Für die vorliegende zehnte Studie wurden 262 Beteiligungen von Bund und Ländern untersucht. 127 davon sind verpflichtet, Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, Top-Managementorgan und die obersten zwei Managementebenen festzulegen und zu veröffentlichen. Von den 104 untersuchten Bundesbeteiligungen sind 59 zielgrößenpflichtig. Bei 44 der untersuchten Unternehmen entscheidet der Bund über mindestens drei Sitze im Aufsichtsgremium. Nach dem Bundesgremienbesetzungsgesetz sollten hier 50 Prozent der vom Bund in die Aufsichtsgremien entsendeten Vertretung Frauen sein.

37 Mehrheitsbeteiligungen des Bundes haben mehr als zwei Mitglieder im Geschäftsführungsorgan und müssen nach dem Mindestbeteiligungsgebot mindestens eine Frau bzw. einen Mann im TopManagementorgan aufweisen. Der Public WoB-Index wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Studie wird von FidAR unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Michèle Morner, Inhaberin des Lehrstuhls Führung, Personal und Entscheidung an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, erstellt.

Die Studie zum Public WoB-Index kann unter www.public-wob-index.de eingesehen werden

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