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Stimmen aus Afghanistan zum 8. März: Humanitäre Hilfe ist ohne Frauen nicht denkbar!

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März macht Aktion gegen den Hunger auf die verheerenden Auswirkungen des Beschäftigungsverbots für Frauen in Afghanistan durch die Taliban aufmerksam. Afghanische Mitarbeiterinnen von Aktion gegen den Hunger sprechen erstmals offen darüber, welche Folgen das Arbeitsverbot für sie persönlich und ihre Familien und Gemeinden hat. Gefährdet ist zudem die humanitäre Versorgungslage im Land: 28 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. 

Von Aktion gegen den Hunger

Seit zwei Monaten ist es Frauen in Afghanistan durch ein Dekret der Taliban untersagt, Universitäten zu besuchen oder ihrer Arbeit in nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen nachzugehen. Aktion gegen den Hunger beschäftigt 1.000 Mitarbeitende in Afghanistan, darunter fast 400 Frauen. Eine davon ist Nila J., die bis vor kurzem als Personalerin tätig war: „Jetzt bleibe ich leider den ganzen Tag zu Hause, und das ist schwer zu ertragen. Meine Sorge ist groß, dass die Taliban uns das Arbeiten vielleicht für immer untersagen werden.“

Krankenpflegerin: „Ich trage alle meine Träume zu Grabe“

Ellaha A. arbeitete für Aktion gegen den Hunger als Krankenpflegerin und berichtet: „Das Recht auf freie Arbeit ist so unfassbar wichtig. Alle sollten es haben. Warum gibt es in unserem Land so viele Verbote für Frauen? Wir wollen uns beweisen, und zeigen, dass wir ebenso für eine bessere Zukunft arbeiten können. Aber sie denken, dass wir Frauen dazu nicht in der Lage sind. Deshalb ist es egal welche Träume wir haben, wir können sie nicht erreichen – ich trage nun alle meine Träume zu Grabe.“

Auswirkungen auf Familien und Gemeinden: Anstieg von Kinderarbeit 

Diese aktuellen Entwicklungen sind nicht nur ein massiver Einschnitt in die Rechte der Frauen. Es ist ein Rückschritt, der katastrophale Auswirkungen auf Familien und Gemeinden hat, die auf das Einkommen der Frauen angewiesen sind. So führt der Erlass der Taliban schon jetzt zum Anstieg von Kinderarbeit. Die neue Situation zwingt Kinder, oftmals unter gefährlichen Bedingungen, zum Einkommen und Überleben ihrer Familien beizutragen. Kinder, denen damit auch der Weg auf Bildung und eine bessere Zukunft versperrt bleibt. Die Folgen sind umso verheerender, wenn die Frauen die einzige berufstätige Person in ihrer Familie sind.

„Dieser Erlass ist eine neue Stufe der Diskriminierung und Beschneidung der Grundrechte von Frauen. Die Folgen sind erschreckend“, so Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.

Die Ausgrenzung der Hälfte der Bevölkerung stellt nicht nur humanitäre Organisationen und internationale Geber vor ein anhaltendes Problem, sondern in letzter Konsequenz vor allem das Land selbst. Afghanistan ist in hohem Maße auf humanitäre Hilfe angewiesen. Nicht nur um Leben zu retten und Not zu lindern, sondern auch um seine Wirtschaft zu stabilisieren. Zwei Drittel der Bevölkerung, 28 Millionen Menschen, benötigen 2023 Unterstützungsleistungen. Das Arbeitsverbot gefährdet daher das Leben von Millionen Menschen im Land.

Wie viele andere NGOs musste auch Aktion gegen den Hunger aufgrund des Erlasses der Taliban die Programmarbeit mit Ausnahme der lebenswichtigen medizinischen Maßnahmen für Kinder vorübergehend aussetzen. Inzwischen konnte die Arbeit von Behandlungszentren für lebensrettende Ernährung in einigen Distrikten wieder aufgenommen werden. Dafür hatte das afghanische Gesundheitsministerium eine Ausnahmegenehmigung erteilt, die es Frauen erlaubt, weiterhin in medizinischen Einrichtungen zu arbeiten. Außerdem nehmen wir sukzessive den Betrieb mobiler Gesundheitskliniken wieder auf.

„Gemeinsam mit anderen humanitären Organisationen im Land setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass die afghanischen Behörden die im Dezember angekündigten Ausgrenzungsmaßnahmen für Frauen wieder zurücknehmen. Denn humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind ohne Frauen undenkbar“, erklärt Jan Sebastian Friedrich-Rust.

Hintergrund: Aktion gegen den Hunger in Afghanistan 

Aktion gegen den Hunger hat ein besonders enges Verhältnis zu Afghanistan. Die Organisation wurde 1979 im Kontext des damaligen Afghanistankrieges gegründet. Seit 1995 sind wir anhaltend vor Ort und mit umfassenden humanitären Hilfsprogrammen aktiv, die sich der Bekämpfung von Hunger, Ernährungssicherung und dem Zugang zu Gesundheitsleistungen widmen. Allein zwischen Januar und Juli 2022 unterstützte Aktion gegen den Hunger fast 500.000 Menschen in Afghanistan. So diagnostizieren wir etwa akute Mangelernährung bei Kindern und behandeln sie. Unsere Teams unterstützen Gemeinden und Gesundheitszentren, um der hohen Mütter- und Kindersterblichkeitsrate entgegenzuwirken. Mit unseren knapp vierzig mobilen Kliniken erreichen wir jene Menschen, die abgelegen leben. Auch die Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung, um den Ausbruch von Krankheiten vorzubeugen, ist Teil unserer Arbeit vor Ort.

(Anmerkung: Die Namen unserer afghanischen Kolleginnen wurden aus Sicherheitsgründen geändert)

Spendenkonto

IBAN: DE89 1002 0500 0001 3777 01
BIC: BFSWDE33BER
Bank für Sozialwirtschaft
https://www.aktiongegendenhunger.de/spenden

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