Wenn Töchter übernehmen – Nachfolgeexperte Thomas A. Zenner im Interview
Unternehmensnachfolge ist nach wie vor ein noch viel zu selten eingeschlagener Weg, wenn es darum geht, ein eigenes Unternehmen haben zu wollen. Nachfolgeexperte Thomas A. Zenner teilt im Interview mit SHE works! Strategien für den Erfolg weiblicher Chefinnen in Familienunternehmen.
Herr Zenner, inwiefern unterscheidet sich die Nachfolgeplanung in Familienunternehmen von anderen Firmen?
Typische mittelständische Familienunternehmen kennzeichnen sich durch eine starke emotionale Verbindung der Familie mit dem Unternehmen und zu den Mitarbeitenden. Anders als bei Kapitalgesellschaften, die durch Manager geführt werden, verbindet die Historie eines Familienunternehmens über Generationen hinweg.
Welche spezifischen Herausforderungen sehen Sie für Frauen, die die Führung übernehmen wollen?
Auch im Jahr 2023 haben es Frauen bei der Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen oft noch schwer. Insbesondere wenn es in der nächsten Generation auch männliche Anwärter gibt. Teilweise, aber zum Glück immer weniger, gibt es sogar noch Gesellschaftsverträge, die vorsehen, dass der nächste männliche Nachfolger das Unternehmen übernimmt – unvorstellbar! Je nach Branche herrschen oftmals Akzeptanzprobleme und altkonservative Vorstellungen der abgebenden Generation – meist Patriarchen. Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit ist mir vor einigen Jahren ein Familienunternehmer begegnet, der sowohl einen Sohn als auch mehrere Töchter hatte. Er gab mir zu verstehen, dass sein Sohn das Unternehmen übernehmen solle. Dass es danach zu einer Verwerfung in der Familie kam, war leider keine Überraschung. Frauen haben es leichter, wenn es keine Brüder in der Nachfolge gibt oder diese kein Interesse an der Nachfolge zeigen.
Können Sie einige bewährte Strategien teilen, die Frauen bei der Übernahme helfen?
Unabhängig davon, wer das Unternehmen übernimmt, ist es sinnvoll, eine Übergabestrategie für die Nachfolger zu erarbeiten. Dabei spielt das Geschlecht keine Rolle. Wer gemäß der Familienstrategie die notwendige Qualifikation erreicht und dadurch für die Führung fachlich geeignet ist, sollte diese auch übernehmen.
Welche besonderen Fähigkeiten oder Qualitäten sehen Sie bei erfolgreichen weiblichen Chefinnen in Familienunternehmen?
Die Erfahrung aus der Beratungspraxis deutet darauf hin, dass weibliche Nachfolger das Unternehmen oftmals mit mehr Emotion und Empathie führen und mit ihrer charmanten Einstellung eine höhere Zustimmung bei den Mitarbeitern und Geschäftspartnern erzeugen.
Welche Art von Beratung und Unterstützung empfehlen Sie Töchtern, die sich auf die Übernahme vorbereiten?
Die Grundlage sollte stets eine vereinbarte Strategie innerhalb der Familie sein: Wer übernimmt die Nachfolge? Welche Qualifikationen sind erforderlich?
Entsprechende Praktika im eigenen Unternehmen, um die Betriebsabläufe und die Mitarbeiter kennenzulernen, helfen zusätzlich dabei, akzeptiert zu werden. Wichtig ist: Wenn Sohn und Tochter das Unternehmen gleichberechtigt übernehmen, sollten diese auch gesellschaftsrechtlich und führungstechnisch gleichgestellt werden – auch wenn unterschiedliche Teilbereiche verantworten.
Wie können externe Berater dazu beitragen, einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten?
Das lässt sich kann anhand eines praktischen Beispiels erläutern: Der Alleininhaber eines Maschinenbauunternehmens suchte nach einem Käufer, da seine Töchter an der Nachfolge kein Interesse hatten. Als ein passender Käufer ausblieb, haben wir einen Workshop mit den Töchtern veranstaltet. Obwohl die beiden keinerlei Erfahrung in dem Bereich hatten, konnte sich eine dennoch für die Nachfolge begeistern. Meine Empfehlung war es, dass sie mindestens 6 Monate direkt in der Produktion arbeiten solle, um Abläufe, Mitarbeiter und Kunden kennenzulernen. Das Ergebnis: Sie übernahm später das Unternehmen und führte es erfolgreich in der nächsten Generation fort!
Oftmals kann ein externer Berater – frei von familiären Bindungen und damit verbundener Befangenheiten – pragmatisch und auch unverblümt Lösungen ansprechen, die vorher möglicherweise gar nicht in Erwägung gezogen wurden.
Welche Ratschläge würden Sie abschließend der NextGen geben?
Die möglichen Nachfolger im Familienunternehmen sollten sich ohne Drängen der Eltern klar werden, wohin Sie möchten. Praktika im Familienunternehmen helfen dabei. Sie können entweder die Erkenntnis liefern, dass das Familienunternehmen nichts für den potenziellen Nachfolger ist oder bestenfalls eine Übernahme in die Wege leiten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über Thomas A. Zenner
Thomas Zenner ist ein erfahrener Family Office-Experte, der seit über 20 Jahren in der Beratung von Familienunternehmen tätig ist. Nach verschiedenen Positionen bei Banken übernahm er ab 2001 den Aufbau und die Leitung von mehreren Family Offices in Deutschland und der Schweiz. Seit Oktober 2016 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Family Office 360grad AG in Stans/Nidwalden, die umfassende und maßgeschneiderte Lösungen für Unternehmerfamilien anbietet.
Über Family Office 360grad
Family Office 360grad bietet maßgeschneiderte Lösungen für Familienbetriebe, um die Nachfolgeplanung in rechtlicher, steuerlicher und psychologischer Hinsicht vorzubereiten. Die Firma mit Sitz in der Schweiz wurde 2016 von Unternehmern für Unternehmer gegründet und versteht somit die Bedürfnisse und Herausforderungen von Entrepreneuren aus eigener Erfahrung. Mit ihrem Team von Fachleuten, die bereits langjährige Expertise in Family Offices mitbringen, betreuen sie Familienbetriebe individuell und beraten sie unabhängig von Banken in den Bereichen Recht, Steuern, Immobilien, Nahfolgeplanung, Familienstrategie und Ausbildung der neuen Generation. So stellen sie sicher, dass die Kunden Familienfrieden erreichen und ihr Vermögen sowie der unternehmerische Erfolg geregelt an die nächste Generation übergeht.
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