Digitalisierung

„KI ist selten objektiv“ – Interview mit Tabea Kossen und Daria Kuzmina von Gestalt Robotics

Siri und Alexa reagieren mehr auf männliche Stimmen. Bei Bewerbungsverfahren, bei denen KI eingesetzt wird, werden eher Männer eingestellt als Frauen. Gesichtserkennungssoftware, von Männern programmiert, entscheidet sexistisch und rassistisch. Ist das tatsächlich so, dass KI nicht neutral agiert? SHE works! sprach mit Tabea Kossen und Daria Kuzmina von Gestalt Robotics darüber.

Frau Kossen, Frau Kuzmina, Sie beide arbeiten in der KI-Branche. Was fasziniert Sie so an diesem Arbeitsfeld?

TK: KI fasziniert mich aus zwei Gründen: Erstens dreht sich alles ums Lernen: Wie können wir Algorithmen so gestalten, dass sie Muster lernen und Informationen aus einem Datensatz extrahieren? Zweitens kann KI in nahezu jedem Bereich eingesetzt werden.

DK: Die Automatisierung von Routineaufgaben durch KI kann die Lebensqualität verbessern und den Menschen mehr Zeit für Arbeit schaffen, die Zufriedenheit bringt. Zudem finde ich es aufregend, ein sehr kleiner Teil dieser historischen Phase der KI-Entwicklung zu sein.

Frau Kossen, Sie haben einen Bachelor in Cognitive Science, ebenfalls einen M.Sc. in
Computational Neuroscience und einen Dr.-Ing. in Computer Science – woher stammt Ihr Interesse für diese wissenschaftlichen Bereiche?

Ich fand es schon immer spannend herauszufinden, wie Dinge funktionieren. In der Schule war immer Mathe mein Lieblingsfach. Ich finde es generell spannend, am Rande vom Wissen der Menschheit zu arbeiten, neue Probleme zu finden und Lösungsstrategien zu entwickeln

Sie sind bei Gestalt Robotics u.a. für die Sicherstellung von KI-Qualität zuständig. Welche
Qualitätsmerkmale sind dabei besonders wichtig und wie stellen Sie diese sicher?

Das Ziel ist es, strukturiert Risiken zu identifizieren und auf Grundlagen derer Lösungen zu entwickeln. In der KI betrifft das viele Bereiche: von der Datenerhebung, über das korrekte Labeling bis hin zur und dem Monitoring dieser Modelle. Meine Auffassung nach ist die Erhebung und Aufbereitung der Daten besonders wichtig, da ein KI-Modell auf Daten trainiert wird und das Modell nur so gut wie die Daten sein kann.

Frau Kuzmina, Sie sind als Software Developer tätig. Welchen Reiz übt das Entwickeln von Software auf Sie aus? Sie sind an den Forschungsprojekten RoboAppEE und CampusDyna beteiligt. Was verbirgt sich dahinter?

Schon in meiner Schulzeit habe ich gern programmiert. Als Frau in den 90er Jahren in der postsowjetischen Ukraine musste ich gegen viele stereotype Vorstellungen ankämpfen, etwa dass Informatik für Frauen zu schwierig sei und sich nicht mit der Rolle einer Mutter kaum vereinbaren lasse.

In RoboAppEE funktioniert KI in Verbindung mit einem Roboterarm als Assistenzarzt bei der Durchführung von Enzephalogrammen. Dadurch sollen Ärzte effizienter arbeiten können und mehr Patienten betreuen können. In CampusDyna arbeiten wir an einem System, das Robotern ermöglicht, ihre Bewegungen im Raum effizienter und ressourcenschonender zu koordinieren.

Frauen sind in der KI-Branche bisher noch unterrepräsentiert. Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach?

TK: Im Vergleich zu Männern werden Frauen oft in technischen Bereichen weniger ernst genommen. Das halte ich für problematisch. Wir müssen daher geschlechtsspezifische Vorurteile abbauen.

DK: Dem schließe ich mich an. Ein Job in der KI wird für Frauen umso attraktiver, je gleichberechtigter die Verteilung von Familienverantwortlichkeiten in der Gesellschaft wird, je besser die öffentliche Kinderbetreuung organisiert ist und je hochwertiger die schulische Bildung und die Förderung der kindlichen Entwicklung sind.

KI steht im Ruf objektiv zu sein. Doch wie objektiv kann eine künstliche Intelligenz sein, an deren Entwicklung hauptsächlich Männer beteiligt sind?

TK: KI ist selten objektiv, da KI immer auf Daten, die erhoben werden, basieren. Wenn ein KI-Modell auf Text mit Stereotypen trainiert wird, kommt natürlich auch ein Modell heraus, was diese Stereotypen aufrechterhält. Daher denke ich, dass es wichtig ist, diese als KI-Entwickler:in zu identifizieren und entgegenzuwirken.

DK: Wichtig ist, dass KI-Trainingsdaten und -inhalte von Menschen aller Geschlechter erstellt werden, um vielfältige Perspektiven und Erfahrungen widerzuspiegeln. Die Bereitstellung gleicher Chancen für alle ist entscheidend.

Wie können mehr Frauen für die KI-Branche begeistert werden?

TK: Es gibt viele Initiativen, die die großartige Arbeit von Frauen in der KI hervorheben. Ich hoffe, dass die Erhöhung der Sichtbarkeit von Frauen in diesem Bereich mehr Frauen dazu ermutigt, über eine Karriere in der KI nachzudenken.

DK: Aus meiner Sicht kommt es hier auf die richtigen Arbeitsbedingungen an: Respekt im Team, Weiterbildungsmöglichkeiten und flexible Arbeitszeiten sind ausschlaggebend.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr Informationen zu Gestalt Robotics: www.gestalt-robotics.com

 

 

Tabea Kossen 
Tabea Kossen hat einen Bachelor in Cognitive Science, einen M.Sc. in Computational Neuroscience und einen Dr.-Ing. in Computer Science (Machine Learning). Sie ist bei Gestalt Robotics als Ingenieurin für Machine Learing angestellt und arbeitet in verschiedenen Projekten. Sie ist außerdem seit diesem Jahr Supervisor. Sie ist Teil des Datenteams und für die Sicherstellung der KI-Qualität verantwortlich.   

 

 

 

Daria Kuzmina
Daria Kuzmina arbeitet bei Gestalt Robotics seit einem Jahr als Software Developer und ist ebenfalls in verschiedene Forschungsprojekte wie RoboAppEE und CampusDyna eingebunden. Sie kommt aus Sjewjerodonezk, einer Kleinstadt in der Ukraine. Mit Ausbruch des russischen Angriffskriegs 2022 musste sie mit ihrer jungen Familie fliehen.
Jetzt wohnt sie in Berlin. 

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