Digitalisierung

Meike Müller: Viele suchen einen Job, der nachhaltig und sinnvoll ist

Meike Müller arbeitet als Geschäftsführerin bei der PHAT CONSULTING GmbH, einem Unternehmen, das Menschen und Technologie zusammenbringt. Denn bei der Digitalisierung eines Unternehmens muss das Team mitgenommen werden, sonst funktioniert es mit der Digitalisierung nicht. Mit SHE works! sprach sie über Quereinstie in den Job, arbeiten im Homeoffice und Frauen in der IT.

Frau Müller, Sie arbeiten bei PHAT, einem Unternehmen, das Technik und Menschen verbindet. Was kann ich darunter verstehen?

Der Name PHAT ist im Grunde die Zusammensetzung unserer Mission „Pairing Humans and Technology“. Für uns bedeutet das immer und in jedem Fall, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Bei allen Projekten, die wir angehen, gehen wir auf die Bedürfnisse und Potenziale der einzelnen Zielgruppen ein, um deren Arbeitsalltag wirklich leichter und effizienter zu gestalten. Denn ein Digitalisierungsprojekt einfach nur um der Digitalisierung willen zu meistern, ist nicht sehr erfolgreich.

Bei mir entstand der Eindruck, dass der Mensch bei der Umsetzung der Digitalisierung immer etwas zu kurz kommt. Ist diese Einschätzung richtig?

Ich würde sagen, dass es da in den letzten Jahren tatsächlich einen Shift gab, wenn wir aus der IT heraus diesen Bereich anschauen.

Vor zehn Jahren war ein erfolgreiches IT-Projekt der erfolgreiche technische Roll-out. Da hat man sich dann die Hand gegeben und gesagt: So, jetzt haben es dann alle User und können damit erfolgreich arbeiten. Das hat sich aber verändert. Mittlerweile ist es erst ein erfolgreiches Projekt, wenn das eingeführte Werkzeug auch genutzt wird und der Mehrwert erkannt wird und die die Kollegen und Kolleginnen sauber abgeholt wurden und jeder weiß, wofür das neue Tool genutzt werden kann.

Dennoch zeigt auch hier die Realtität, dass ein konsequent ganzheitlicher Ansatz natürlich einen gewissen Invest mit sich bringt, weswegen dieser teilweise noch stiefmütterlich behandelt wird.

Immer wieder heißt es, dass Deutschland, was die Entwicklung der Digitalisierung angeht, ziemlich weit abgeschlagen ist. Holen wir auf oder stagniert die Entwicklung? Wie schätzen Sie das ein?

Was man wirklich sagen muss, ist, dass die Pandemie hier eine krasse Geschwindigkeit hineingebracht hat. Ich Krisen defintiiv nicht schönreden, dennoch muss man sagen, dass diese auch Potenziale bringen und hier gerade Innovationspotenziale. Das hat man in dem Fall gemerkt, gerade bei unseren Kunden. Plötzlich, von heute auf morgen, wurden Mitarbeitende aus dem Informationsbereich nach Hause geschickt, durften nicht mehr ins Büro kommen.

Und dann muss erst einmal der digitale Arbeitsplatz entsprechend ausgestattet werden, um weiterhin arbeitsfähig zu sein. Und das hat uns Jahre nach vorne katapultiert. Projekte, die wir davor in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren mit dem Kunden gedacht haben, sind plötzlich innerhalb weniger Wochen passiert. Und das hat natürlich einen enormen Schub gebracht.

Viele sind dann ins Homeoffice gegangen. Heute wird versucht, die Mitarbeitenden wieder ins Büro zu bekommen, was viele gar nicht so gut finden. Wie ist denn die Stimmung da in Ihrem Team?

Komplett divers. Wir führen sehr viele Dialoge dazu, und versuchen, auch gerade mit erfahreneren Kollegen und Kolleginnen zu sprechen: Was bräuchtest du, um zu kommen? Wir haben gemerkt, dass Orientierung gesucht wird. Gerade bei jüngeren Kollegen und Kolleginnen, die bei uns anfangen. Zusammengefasst: Gezwungen wird niemand, jedoch spielt unsere Kultur und wie wir miteinander sein wollen eine große Rolle. Und das besprechen wir gemeinsam.

Wie greift PHAT hier ein?

Wir sind eine Beratungsfirma und deswegen sind wir sehr projektgetrieben. Wir kommen rein, führen Projekte durch und sind dann ganz glücklich, wenn wir diese an die Kund*in übergeben und sie die weiterführen können.

Wir streben nicht an, uns in einem Betrieb zu platzieren, sondern sehen unsere Arbeit wirklich projektbezogen. Wir würden uns immer beschreiben als Companion und Creator, also übersetzt als Begleiter unserer Kunden und als diejenigen, die auch Dinge gemeinsam mit ihnen erschaffen. Und das bedeutet eben für uns, diese Reise gemeinsam zu gehen, auf Augenhöhe mit den Kunden zu arbeiten und vor allem hier wieder parallel, alle Beteiligten auch miteinander zu verbinden und alle dafür ins Boot zu holen – Humans and Technology eben. Konkreter gesprochen: wirklich alle Beteiligten wie Gremien, Betriebsrat und die Fachbereiche, Mitarbeiterinnen und auch andere Dienstleister.

Ihr Unternehmen wurde vor Kurzem mit dem Microsoft Partner of the Year Award in der Kategorie Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Nachhaltigkeit und Digitalisierung ist erst mal so etwas, was man nicht unbedingt direkt zusammenbringt. Passt das zusammen?

Danke, das ist genau mein Thema: Wir sind natürlich total stolz, dass wir ausgezeichnet und gewürdigt wurden für den Weg, den wir gehen.

Digitalisierung und Nachhaltigkeit können eigentlich gar nicht ohne einander betrachtet werden. Auch Studien zeigen: Wenn wir wirklich bis 2030 in die Nähe des 1,5-Grad-Ziels kommen wollen, dann ist das eigentlich nur möglich, wenn wir anfangen, eben Prozesse nach und nach zu digitalisieren, dadurch ressourcenschonender gestalten oder mithilfe von Digitalisierung auch ressourcenschonender produzieren können. Deswegen ist die Digitalisierung eine notwendige Bedingung dafür, dass wir unsere Klimaziele erreichen. Ich will jedoch auch darauf hinweisen, dass die IT auch einen erheblichen Beitrag zu den Emissionen leistet.

Und hier gilt es eben auch darauf zu achten, wo man Effizienzpotenziale ausschöpfen und wirklich auch schonender mit der eigenen IT arbeiten kann. Wir haben auch hier gemerkt, dass es unterschiedliche Phasen gibt. Wenn ich als Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit wirklich ganzheitlich angehen will, dann brauche ich am Ende wieder den Menschen.

Ich kann mal ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern, wie das bei uns so war. Natürlich braucht man eine Datengrundlage. Ich muss wissen, worüber rede ich, wo emittiere ich, was sind meine großen Verursacher? Da hilft die Digitalisierung gerade jetzt auch wieder für Unternehmen, unsere Kunden, die eine größere Lieferkette haben. Da muss Transparenz rein.

Ich würde jedem empfehlen, sich digitale Lösungen zu suchen, da es aufgrund der Komplexität und der Masse an Daten schnell unübersichtlich werden kann. Bei uns hat schon ein Blick gereicht: Einmal im Jahr haben wir die komplette Mannschaft eingepackt und sind an ein Ziel geflogen in den Süden Europas, wo es warm war, dort haben wir ein paar Tage miteinander verbracht. Als wir dann in unserem Report das Verhältnis zu unserem Company CO2 Fußabdruck aufgezeigt bekommen haben, waren wir sehr überrascht. So haben wir entschieden, wir fliegen nicht mehr zum Teaming, wir fahren jetzt Zug. Wir waren letztes Jahr in Kopenhagen, dieses Jahr fahren wir nach Amsterdam. Diese Entscheidungen kann ich aber nur treffen, wenn ich diese Transparenz habe. Und wenn ich wirklich weiß, wo habe ich eigentlich meine Hebel. Ich glaube, hier kann jedes Unternehmen sehr, sehr schnell etwas finden, wenn die Datengrundlage gut ist, dann kann ich auch handeln.

Kommen wir zu Ihnen: Was ist für Sie in der aktuellen Transformation in der Arbeitswelt besonders spannend?

Ich finde sehr spannend, wie sich allgemein die Rolle als Arbeitgeber verändert. Zu fragen, was wünschen sich eigentlich Mitarbeiter*innen von ihren Arbeitgeber*innen? Da stelle ich fest, dass es in den letzten Jahren einen Shift gab. Und ich merke gerade bei den Bewerbungsgesprächen, und das zieht sich durch alle Altersgruppen, dass man nach einem sinnstiftenden Arbeitgeber sucht, bei dem man die eigene Expertise einbringen und diesen Job auszufüllen kann.

Wir haben vor einem Jahr mal alle neuen Arbeitnehmer*innen gefragt, was am Ende der entscheidende Punkt war, bei uns zu unterschreiben. Und nahezu alle haben das Thema Nachhaltigkeit genannt, weil wir es eben so authentisch und so ernst angehen. Ich glaube, da haben Unternehmen einen großen Hebel und da würde ich auch alle ermutigen, da mal in sich hineinzuhorchen und zu sehen, was schon getan wird: Was biete ich über den standardisierten Arbeitsplatz an. Was biete ich da auch der Gesellschaft?

Ich glaube, dass Arbeitnehmer*innen doch auch mehr und mehr verstehen, was die eigene Rolle in der Gesellschaft ist. Auch hier wieder ein Beispiel von uns: Wir haben Vertrauensarbeitszeit und Vertrauenskrankheitszeit. Wenn man bei uns unter 14 Tagen krank ist, braucht keiner eine Krankmeldung abzugeben. Oder wenn das Kind krank ist, dann können sich Eltern bei uns ohne Krankenschein zehn Tage im Jahr abmelden.

Was sollte Ihrer Meinung nach in den nächsten fünf Jahren passieren, damit sich kleine, mittlere und große Unternehmen bezüglich dieser Thematik besser aufstellen und das ganze Mal angehen?

Ich würde auf jeden Fall jedem Unternehmen raten, sich mit dem Thema Selbstorganisation auseinanderzusetzen, den Status quo zu überprüfen: Wie arbeiten wir zusammen, wie treffen wir Entscheidungen? Bei uns ist das so eine Floskel, Entscheidungen am Ort der Kompetenz zu treffen und einfach mal auszuprobieren. Wir versuchen es und holen uns Feedback – auch innerhalb des eigenen Teams. Und ja, man sollte sich einfach trauen, Fehler zuzulassen und auch Fehler zu machen, das gehört dazu.

Da sind dann natürlich auch Fuckups dabei, es muss okay sein, voneinander zu lernen. Beim Thema Nachhaltigkeit fällt es mir enorm auf. Das Rad muss nicht jedes Mal neu erfunden werden, es ist schon ganz viel da und es gibt mehr und mehr Austauschformate, Plattformen und Netzwerke. Das finde ich großartig. Wir haben einen eigenen Podcast, der heißt CEO2 neutral. Den darf ich mit einem meiner Geschäftsführer hosten: Wir laden uns Expertinnen und Experten rund um das Thema Nachhaltigkeit ein. Der Podcast richtet sich gezielt an Entscheider*innen und Mitarbeiter*innen in Unternehmen.

Kommen wir zu unserer Zielgruppe Frauen. Sie haben erzählt, dass Sie tatsächlich bereits viele Frauen im Team haben oder dass sich immer mehr bewerben. Wie bekommt man noch mehr Frauen dazu, sich für IT, für Digitalisierung zu interessieren? Was machen Sie eventuell anders als andere?

Ich finde es spannend, festzustellen, dass der Anteil der Frauen in der IT im internationalen Vergleich sehr unterschiedlich aussieht. Länder wie die USA oder Kanada sind so weit vor uns. Das finde ich im gesellschaftlichen Kontext erst mal interessant. Mit welchen Stereotypen oder Schubladen werden Jungs und Mädchen hier doch noch aufgezogen? Das führt dann letztendlich auch dazu, welche Studiengänge gewählt werden, in welchen Fächern man stark ist.

Wir sind bei dem Anteil an MINT Studienfächern, soweit ich weiß, bei knapp über 30 % weiblicher Teilnehmer angelangt, was tatsächlich schon ein echter Fortschritt ist; aber natürlich nicht das Ziel sein kann. Ich habe heute Morgen noch mal geschaut, wir sind tatsächlich aktuell bei 31 % Frauen. Das muss natürlich weiter nach oben getrieben werden.

Was bei uns auch interessant ist: Kaum jemand hat in Richtung IT studiert. Wir haben auch teilweise Leute, die gar nicht studiert haben, die aber mit zu den besten Berater*innen gehören. Das heißt, wir sind bei PHAT sehr offen eingestellt. Bei uns zählt nicht der Abschluss, bei uns zählt, ob die Bewerberin zu uns passt. Deswegen auch hier ganz klar der Appell und die Ermutigung von meiner Seite, sich auch als Quereinsteigerin zu bewerben!

Wie war Ihr Weg in die IT?

Ganz zufällig. Ich hatte nie den Plan, in die IT zu gehen. Ich bin auch eine dieser Quereinsteigerinnen. Ich habe während des Studiums schon in der Beratung gearbeitet, im Bereich Umweltmanagement. Und mir war klar, ich möchte auf jeden Fall in der Beratung bleiben, weil ich diesen Beruf so unglaublich spannend finde. Dieses „hinter die Vorhänge von so vielen Firmen schauen zu dürfen“ und da als Expertin auftreten zu können, der dann auch gefolgt wird. Und wenn man dann wirklich etwas in diesen Unternehmen bewegen kann, das ist großartig. Ich bin über die Jobmesse in Hamburg an der Uni auf PHAT Consulting aufmerksam geworden. Die hatten den coolsten Stand, da stand ein Sofa und ein Kicker, die Leute waren cool und es gab eine Cola und dann hat man geschnackt. Alle, die interessiert waren, wurden dann eingeladen zu einem Get together hier bei uns im Büro. Ich bin reingekommen und für mich war klar, hier will ich arbeiten. Und dann hat das glücklicherweise geklappt!

Vielen Dank für das interessante und spannende Gespräch!

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