Kateryna Schmid: Nach Quereinstieg zur Leistungsträgerin
Logistikexpertin Kateryna Schmid ist beim weltweit führenden Kabellieferanten Prysmian verantwortlich für die Lieferung und Zwischenlagerung der Erdkabel für das Großprojekt SuedLink. Die gebürtige Ukrainerin übernimmt Verantwortung in einem der wichtigsten Stromtrassenprojekte der deutschen Energiewende.
Es ist kurz nach 07:00 Uhr in der Früh an einem regnerischen Aprilmorgen im Hamburger Hafen: An einem fast vierzig Meter hohen Hafenkran hängt eine 85 Tonnen schwere himmelblaue Kabeltrommel, die von mehreren Arbeitern auf einen über vierzig Meter langen Schwerlasttransporter platziert wird. Es handelt sich um eine von zwei Kabeltrommeln, die an diesem Morgen für den abendlichen Abtransport in das Kabelzwischenlager im niedersächsischen Zeven vorbereitet werden. Kateryna Schmid, Logistics Coordinator bei der Prysmian Group, ist extra von Würzburg nach Hamburg gereist, um sich selbst ein Bild von der Verladung zu machen. Über Monate hinweg hat sie die Auslieferung und den Transport der Kabel federführend koordiniert und gesteuert.
Mammutaufgabe der Energiewende: Kabellogistik
SuedLink ist eins von mehreren zentralen Erdkabelprojekten der deutschen Energiewende, geplant und umgesetzt wird das Projekt von den deutschen Übertragungsnetzbetreibern TenneT und TransnetBW. Über die Kabeltrasse soll künftig erneuerbare Energie aus dem energiereichen Norden Deutschlands in den energiehungrigen Süden geleitet werden. Kateryna Schmid ist bei Prysmian, dem Weltmarktführer im Bereich Energie- und Telekommunikationskabel und -systeme, verantwortlich für die komplette Logistik der Erdkabel, sowie für die Kabelgarnituren (z.B. Muffen und Endverschlüsse), die für die spätere Verlegung der Kabel benötigt werden. Für ein Teilstück von SuedLink mit 580 Kilometern Länge entwickelt, produziert, transportiert, lagert und installiert der Konzern 1.200 Kilometer Kabel. Die Kabelsysteme haben eine Übertragungsleistung von 2 Gigawatt, die aktuell stärkste Kapazität am Markt, einen Durchmesser von 152 mm und ein Gewicht von 41 kg pro Meter. Sie werden auf Kabeltrommeln transportiert, die bis zu zwei Kilometer Kabel umfassen und, je nach Umfang, bis zu 95 Tonnen wiegen können. Sie werden, gesteuert von Schmid und ihren Projektpartnern aus Transport und Logistik, in einem komplexen mehrschrittigen Verfahren auf Schiffen und Schwerlasttransportern quer durch Europa in Kabelzwischenlager transportiert. Dort bleiben sie bis sie zukünftig – ab Baustart – zur Installation an die Kabeltrasse weitertransportiert werden.
Kateryna Schmid: Eine Quereinsteigerin ergreift ihre Chance
Dass Kateryna Schmid einmal die Kabellogistik für ein Energie-Großprojekt steuern würde, war bis kurz nach ihrem Studium nicht absehbar. Sie ist 1992 in der Ukraine geboren und aufgewachsen, wo sie 2012 zunächst ihren Bachelor im Bereich Finance abschloss. Im selben Jahr kam sie nach Deutschland und absolvierte an der Universität Bayreuth ihren Master in Internationale Wirtschaft und Governance (IWG). Eine mögliche Karriere in Politik oder Public Relations kam für sie allerdings nicht infrage. Stattdessen gelang ihr der Quereinstieg als Logistikerin im Energiesektor für einen großen deutschen Übertragungsnetzbetreiber. Dafür ist sie heute noch dankbar: „Mein damaliger Chef hat mir damals eine Riesenchance gegeben. Er gab mir das nötige Vertrauen, das ich brauchte, um mich in ein komplett neues Themenfeld einzuarbeiten.“
Lehrjahre sind keine Damenjahre
Aber aller Anfang ist schwer. „Als Berufsanfängerin ohne jegliche Logistik-Erfahrung und dazu noch mit meinem damals starken Akzent, da fiel ich natürlich auf. Ich musste den Kollegen für jede Information hinterherlaufen, immer wieder Nachfragen stellen oder zugeben, dass ich etwas noch nicht wusste.“ Doch sie blieb hartnäckig, eignete sich das nötige Fachwissen an und schärfte ihre Steuerungskompetenz. Sie bestätigte das Vertrauen, das man ihr entgegenbrachte, indem sie erfolgreich die Logistik für die Installation der „Mittelachse“, einer Hochspannungsfreileitung in Schleswig-Holstein, für mitsteuerte.
Es pas st zu ihrer Biografie, dass sie sich nach dem erfolgreichen Projektabschluss direkt nach neuen Herausforderungen umschaute. Bei Prysmian wurde sie fündig. Nach der Jobzusage zog sie 2020 nach Würzburg, in eines von insgesamt drei Projektbüros, die der Kabelhersteller extra für die Umsetzung der Projekte SuedLink, SuedOstLink und A-Nord in Würzburg, Bayreuth und Wuppertal eingerichtet hat. Hier hält sie nun die Fäden bei der Logistik für den SuedLink fest in ihren Händen.
Erfolgsstory in der Logistik
Die Logistikerin geht in ihrem Beruf völlig auf, die Arbeit macht ihr Spaß und gibt ihr Selbstvertrauen. „Ich finde es großartig, als Wissensträgerin eine zentrale Funktion im Projekt einzunehmen. Der tägliche Austausch mit so vielen beteiligten Partnern ist eine spannende Herausforderung. Auch die technische Komponente begeistert mich. Ich lerne immer mehr darüber, wie die Kabel entstehen und wie sie weiterentwickelt werden.“ Und langweilig wird ihr in ihrem Beruf zu keiner Zeit. „Auf meinem Schreibtisch ist immer etwas los, das Rad dreht sich immer weiter. Das ist wichtig für mich, das treibt mich an.“
Ihre Geschichte ist eine kleine Erfolgsstory in einer Branche, die nach wie vor sehr männerdominiert ist. Um das zu ändern und mehr Frauen in ähnliche Positionen zu bringen braucht es, findet Schmid, vor allem eines: „Mut! Frauen müssen das nötige Selbstvertrauen entwickeln und dürfen sich nicht von der Größe der Projekte einschüchtern lassen. Sie müssen eine Chance bekommen und selbst fest daran glauben, dass sie den Aufgaben gewachsen sind.“
Die Meilensteine fest im Blick
Im Hamburger Hafen hat der Kran soeben die zweite und letzte Kabeltrommel für heute über dem Schwerlasttransporter in Position gebracht. Stück für Stück wird die tonnenschwere Fracht abgelassen, in Zentimeterarbeit werden die Kabeltrommeln auf dem Transporter von den Arbeitern justiert und fixiert. Während vor Ort alles für die Abfahrt am Abend vorbereitet wird, ist Kateryna Schmid im Kopf schon längst wie der einen Schritt weiter.
Denn die Produktion der zweiten Tranche Erdkabel für SuedLink ist bereits in den Werken von Prysmian angelaufen. Über 60 weitere Kabeltrommeln werden dann ab Herbst 2023 durch Europa geschickt und sollen bis Anfang des Jahres 2024 ausgeliefert sein, so ist es zwischen Kabellieferant und Übertragungsnetzbetreibern vertraglich vereinbart. Sorge hat die Logistikexpertin davor nicht: „Die Prozesse haben sich längst eingespielt, es geht jetzt vor allem darum zu optimieren und zu verfeinern.“ Hierzu trifft sie bereits die nötigen Absprachen. Gemeinsam mit ihrem Team wird sie das Projekt bis zur Inbetriebnahme der Kabel vorantreiben und so einen maßgeblichen Beitrag bei der Umsetzung der deutschen Energiewende leisten.
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