Unternehmerinnenporträts

Nádia Fernandes: Women in Tech zu mehr Sichtbarkeit verhelfen

Nádia Fernandes ist Software Engineer und Führungskraft bei Zoi, einem der führenden international agierenden TechCons mit Hauptsitz in Stuttgart. Sie lebt und arbeitet in Lissabon und blickt mit geballtem Know-how auf viele Jahre in der IT zurück. Ihr Spezialgebiet: Internet of Things – IoT. Mit SHE works! sprach sie über den Einsatz von IoT und was sie an ihrem Beruf so fasziniert sowie darüber mehr Frauen für die IT-Branche zu begeistern.

Nádia Fernandes, Sie sind eine der wenigen Frauen, die sich für eine Karriere in der Tech-Branche entschieden haben. Was fasziniert Sie so an diesem Beruf? 

Da gibt es gleich mehrere Dinge! Etwas Neues von Grund auf aufzubauen, das begeistert mich einfach immer und immer wieder. Zum Beispiel, alle Schritte von Anfang bis Ende eines Projekts zu verfolgen. Aber auch die Interaktion und der Austausch mit allen Projektbeteiligten auf Kundenseite, um mehr über sie und ihr Unternehmen zu erfahren und gemeinsam zu überlegen, was wir zusammen erreichen wollen – das begeistert mich.  

Außerdem liebe ich es in meiner Rolle als Teamleiterin, neue Kolleginnen und Kollegen zu rekrutieren und aufzubauen. Wissen weiterzugeben und zu sehen, wie Menschen sich auch über den Beruf hinaus weiterentwickeln, macht mich glücklich. Wenn ich es also zusammenfassen müsste, würde ich sagen: Technologie und Menschen zusammenzubringen – das ist was mich jeden Tag aufs Neue fasziniert.   

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass sich immer noch so wenige Frauen für die IT-Branche entscheiden? Gerade mal 18 % der Arbeitnehmenden sind weiblich. 

Ein gewisser Teil ist sicherlich ein strukturelles Problem – also dass immer noch zu viele Männer Entscheidungen in Unternehmen treffen. Es ist erwiesen, dass die Zahl der eingestellten Frauen sinkt, wenn nur Männer die Vorstellungsgespräche führen. Oftmals sind die einstellenden Personen der Meinung, dass nur Männer gut in der IT sind – Unternehmen sollten also durch alle Ebenen das Thema „Diversity” fest verankern und gewährleisten. Bei Einstellungen sollte es stets um den Menschen, seine Motivation und seine Fähigkeiten gehen – und nicht um das Geschlecht. 

Es ist immer ein strategischer Ansatz, „Talente zu nutzen, um Talente anzuziehen“. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. Ich denke, es wäre wichtig für junge Frauen zu sehen, dass es bereits viele Frauen in der Technologiebranche gibt. Die Zahl der Vorbilder, denen man folgen kann, wächst – aber zu langsam. Wir müssen sie mehr fördern. Sonst ist es wie ein Schneeballeffekt: Ohne weibliche Role-Models denken Frauen, dass sie es nicht schaffen oder nicht fähig sind, also versuchen sie es gar nicht erst – und infolge dessen gibt es noch weniger Frauen. 

Ein anderer Punkt, den ich für sehr wichtig halte, ist die Frage der Förderung. Solange es nicht genügend Ausbildungsprogramme und Schulungen gibt, können wir nicht genügend Frauen anziehen und halten. Ich denke, wir müssen das Thema wieder stärker in den Vordergrund rücken und aktiv für diese Berufe werben.  

Es gibt heutzutage bereits mehrere Initiativen, die sich an Kinder richten, beispielsweise Kurse, die ihnen beibringen, wie man programmiert. Ich bin selbst Teil einer solchen Initiative. Wir haben grafische Tools, mit denen schon Dreijährige logische Programme erstellen können, ohne es zu merken. Und sie lieben es.  

Einige Unternehmen veranstalten auch Tage der offenen Tür, damit Kinder ihren Bereich erkunden und lernen können. Einer dieser Tage der offenen Tür heißt „Türen auf mit der Maus“. Der Tag ist inspiriert von der deutschen Sendung mit der Maus, die Kindern wissenschaftliche Themen näher bringt. 

Im vergangenen Jahr haben wir an diesem Tag bei Zoi zusammen mit den Kindern Roboter gebaut, und es war erstaunlich, das Funkeln in ihren Augen zu sehen, als die von uns gebauten Roboter wirklich anfingen ihre Aufträge zu erfüllen! Diese Art von Initiative wird jeden für die Technik begeistern.  

Hatten Sie so ein Vorbild oder haben Sie sich alleine auf den Weg in die IT-Branche gemacht? 

Ich bin aus eigener Kraft, aber eher zufällig in der IT-Branche gelandet. Ich wollte eigentlich Chemie studieren, bin aber knapp an der Zulassungsquote gescheitert, da die Studienplatzanzahl begrenzt war. Da habe ich beschlossen, es in der IT-Branche zu versuchen, weil das erste Jahr des Studiums inhaltlich sehr ähnlich strukturiert war. Am Ende habe ich es geliebt und bin bis heute dabei geblieben. Während des Studiums, der Promotion und meinen anschließenden ersten Berufsjahren war ich mir immer sehr sicher, wie meine Arbeitsleistung sein sollte  – super gut –; wie ich mit Menschen umgehen wollte – mit Empathie, Fairness und Hilfsbereitschaft – und dass ich stets einen Fortschritt erreichen will. Das hat mich in meinen Arbeitsjahren bis heute geleitet. 

Hatten Sie mit Vorurteilen und Hürden zu kämpfen? 

Ich stoße immer noch auf Leute, die meinen, dass ich nur im Recruiting oder in der Personalabteilung arbeiten kann und nicht als Entwicklerin oder in einer technischen Funktion tätig sein kann. Und ich begegne noch immer dem Vorurteil, dass ich nur ein Gesicht bin, das die Arbeit eines anderen präsentiert. Zum Glück kann ich solche Situationen inzwischen sehr gut meistern und selbstbewusst artikulieren, dass es durchaus mein Ergebnis ist, für das ich auf der Bühne stehe.  

Was empfehlen Sie Frauen, die sich ebenfalls für die IT interessieren, aber noch unsicher sind, ob sie diesen Schritt wagen wollen? 

Da gibt es nur einen Tipp: Traut Euch! Es gibt keinen Grund an Euch zu zweifeln. Denn gerade in unserem Beruf müssen und können wir jeden Tag dazulernen. 

Zudem bin ich davon überzeugt, dass Frauen in der Technologiebranche überaus erfolgreich sein können. Denn wir bringen Liebe zum Detail, emotionale Intelligenz, unterschiedliche Kommunikationsfähigkeiten und eine Vielfalt von intellektuellen Ansätzen mit.  

Zoi hat sich auf die Fahnen geschrieben, insbesondere Frauen zu fördern und zu unterstützen. Inzwischen sogar mit einer eigenen Video-Reihe auf Youtube „Women in Tech@Zoi”.  Wie sieht die Unterstützung in Ihrem Unternehmen aus und welche Rolle spielen Sie dabei? 

Bei Zoi sind alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gleichberechtigt, die Arbeit einer jeden Kollegin und eines jeden Kollegen spricht für sich selbst. Du zählst als Person und dein Geschlecht macht keinen Unterschied. Das gab mir von Anfang an das Selbstvertrauen und die Möglichkeit, meinen Wert zu zeigen und sogar mehr Frauen für diese Position zu gewinnen, weil sie sehen, welche Möglichkeiten auch sie haben.  

Das war auch einer der Beweggründe für die Videos. Anlässlich des Weltfrauentags haben wir entschieden, dass es mehr braucht als einen Tag, um unseren Women in Tech Sichtbarkeit zu verleihen. Deshalb wollten wir ihnen darüber hinaus eine Bühne bieten und in den Videos zeigen, wie sie Zoi tagtäglich mitgestalten und diverser machen. 

Kommen wir zu Ihrer Arbeit. Sie sind Spezialistin für das Internet of Things (IoT). Welche Möglichkeiten bietet Ihrer Meinung nach IoT und wo könnte es noch mehr Einsatzgebiete als bisher geben ? 

Das Internet der Dinge (IoT) besteht aus Milliarden von Geräten, die mit dem Internet verbunden sind und Daten sammeln und austauschen. Diese Zahl wächst von Minute zu Minute. Das können intelligente Uhren, Geschirrspüler, Staubsauger, Kameras, Lampen und vieles mehr sein. Wir alle benutzen sie, ohne es zu merken oder zu wissen, was sie sind. Wenn wir die App auf dem Smartphone haben, um die Beleuchtung zu Hause zu steuern, wenn wir die App benutzen, um den Staubsauger zu starten oder ihn von einem Möbelstück wegzubewegen, wenn er feststeckt, oder um zu überprüfen, wie lange er im letzten Monat geputzt hat. Das alles sind Anwendungen des IoT – wir benutzen es also schon ständig.  

Besonders viel Potenzial sehe ich persönlich für den Einsatz im Verkehrsmanagement in Großstädten. Damit könnte der Verkehrsfluss und dessen Überwachung erheblich verbessert werden, indem man etwa Mobiltelefone als Sensoren nutzt, um Daten aus den Fahrzeugen zu sammeln und über Apps wie Waze oder Google Maps zu teilen. Dadurch werden die Daten über die verschiedenen Routen zum gleichen Ziel verbessert. Pendler wären besser darauf vorbereitet, Verkehr und Verspätungen zu vermeiden, indem sie auf mögliche Alternativen hingewiesen werden und Staus sowie Stop-and-Go-Strecken könnten allgemein viel besser vermieden werden, was wiederum einen enormen Vorteil für die CO2-Belastung darstellt. 

Ein zweites Einsatzgebiet, in dem vor allem Städte und Kommunen von IoT profitieren können, ist das Wasserrecycling mit Wasseraufbereitungsanlagen. Mit einer IoT-Anwendung kann man genau sehen, wie viel Abwasser produziert wird, wie viel in einem bestimmten Gebiet verbraucht wird und wie sich die Abfallproduktion im Laufe der Zeit verändert. 

Mit Hilfe von Analyselösungen lässt sich leicht ein Überblick über das Abfallaufkommen in den einzelnen Stadtvierteln gewinnen und feststellen, wie viel Abfall im Laufe der Zeit anfällt, wie er richtig verarbeitet wird und wann er geräumt werden muss. 

Diese Daten können dann auch für die Planung von Erweiterungs- und Modernisierungsprojekten der Stadt verwendet werden. Intelligente Analyselösungen können so auch zur Verwaltung der Abfallsammel- und -behandlungsflotten sowie zur Vorhersage künftiger Trends eingesetzt werden. 

Welche Vorteile bietet das IoT und an welchen Punkten müsste man vorsichtig agieren, um ggf. Bedenken auszuräumen? 

Aus meiner Perspektive ist das Erfassen und Auslesen von Daten einer der größten Vorteile des IoT. Es hilft zum Beispiel dabei, die Menge an Ressourcen, die Luftqualität und die Lufttemperatur in Arbeitsräumen, die Menge an Papier oder Tinte in einem Drucker zu kennen. Das wiederum ermöglicht eine optimale Planung und automatisierte Verwaltung von Ressourcen und folglich eine effizientere und rentablere Nutzung.  

Die Automatisierung und Steuerung von Geräten ist ein weiterer wichtiger Vorteil des IoT. Da wir über Anwendungen und das Internet eine Verbindung zu physischen Geräten wie Geschirrspülern, Heizsystemen oder Lampen herstellen können, können wir diese leichter steuern und den Komfort und die Effizienz in vielen Bereichen erhöhen.  

Was die Bedenken gegenüber dem IoT angeht, so sind Sicherheit und Datenschutz zwei der meistgenannten Themen. Es stellt sich die Frage, wie und wo Daten , verarbeitet, übermittelt und gespeichert werden (meist in der Cloud). Das Risiko von Datenschutzproblemen, Informationsverliebtheit, unsicherer Kommunikation, Cyberangriffen usw. lässt viele Menschen daran zweifeln, das IoT für persönliche oder sensible Informationen und Daten zu nutzen. Um diese Probleme zu entschärfen, sollten immer auch die Möglichkeiten für „Schutzmaßnahmen” diskutiert und kommuniziert werden. Zum Beispiel, dass es wichtig ist, nur intelligente Geräte zu verwenden, die durch Softwareupdates und Sicherheitssysteme geschützt werden. Aber auch dass das Kommunikationsnetz abgesichert ist, spielt eine wichtige Rolle bei der Übertragung sensibler und privater Daten. So kann ein missbräuchlicher Zugriff auf die Daten zu vermieden werden.  

Vielen Dank für das Gespräch!

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