Unternehmensnachfolge: „Wo Reibung ist, kann Neues entstehen.“
Der Vater 63 Jahre alt, die Tochter 30 – und beide im gleichen Familienunternehmen. Kann das gutgehen? „Auf jeden Fall“, sagt Maxine Adams, die mit ihrem Vater Dr. Stefan Adams Firmen beim Thema Unternehmensnachfolge berät. Was sie von ihrem Vater lernt und ob Business-Themen beim Familien-Frühstück besprochen werden, verrät sie im Interview.
Zwei Generationen in Ihrem Familienunternehmen, die zum Thema Unternehmensnachfolge berät – ist das Fluch oder Segen?
Mein Vater und ich sind ein eingespieltes Team. Aber so sehr wir uns ergänzen, so sehr prallen manchmal zwei Welten aufeinander. Ich sage immer: Wo Reibung entsteht, können auch neue Sachen hervorgehen. Es tut gut, dass ich im Unternehmen bin, weil ich frische Ideen einbringe und mein Vater diese annimmt oder zumindest mit mir diskutiert. Die Einheit auf der einen Seite, die unterschiedlichen Ansichten auf der andere, das schätzen Kunden sehr. Und divers sind wir ohnehin aufgestellt – erstens ist da der Altersunterschied, zweitens sind da die unterschiedlichen Geschlechter.
Was genau bearbeiten Sie zum Thema Unternehmensnachfolge in Ihrem Unternehmen?
Wir helfen Unternehmern, die über 20, 30, 40 Jahre ihr Unternehmen entwickelt haben, ihr Lebenswerk vernünftig an den richtigen Käufer unterzubringen, ohne dass das Unternehmen zerstört wird und die Mitarbeiter gekündigt werden müssen. Im besten Falle wird das Unternehmen „versilbert“. Mein Vater war früher Versicherungsvorstand bei verschiedenen
Top-10-Versicherern in Deutschland, seit über 20 Jahren kümmert er sich um das Thema Unternehmensnachfolge.
War für Sie immer klar, ins Unternehmen eintreten zu wollen?
Nein. Mehr als 20 Jahre habe ich über das Unternehmen geschimpft, ich wollte am Anfang nicht in das Unternehmen einsteigen. Zum einen hat mein Vater seinen Beruf immer gelebt, egal ob es ein Werktag oder das Wochenende war. Da sitzt du am Frühstückstisch und es geht nur um – das Unternehmen. Das kann als Kind und Jugendliche natürlich nerven. Zum anderen war ich inhaltlich sehr weit von mir entfernt. Ich habe eher die BRAVO als Wirtschaftsmagazine gelesen. Dazu kam, dass ich mich auch im Wirtschaftsstudium in dem
Sektor, den mein Vater betreut, nicht heimisch gefühlt habe. Erst als ich meinen Master in Entrepreneurship gemacht habe, bekam ich nach und nach ein Gefühl dafür und der Wunsch entwickelte sich, doch ins Familienunternehmen einzusteigen.
Die richtige Entscheidung?
Definitiv. Mittlerweile habe ich verstanden, wie wertvoll unsere Tätigkeit für andere Menschen ist. Es ist ein fast schon soziales Geschäft, Unternehmensnachfolgen zu regeln. Neben dem finanziellen Aspekt stecken viele Emotionen dahinter. Nur am Rande: Ich schätze es sehr, dass mein Vater meinen Geschwistern und mir immer die komplette Freiheit gelassen hat, selbst zu entscheiden, wie wir uns Leben gestalten möchten.
Wie reagieren Menschen, wenn Sie am Verhandlungstisch sitzen – und nicht Ihr Vater?
Keine Frage: Ich bin gewissen Vorurteilen ausgesetzt, meist bin ich die einzige Frau und mit Abstand die Jüngste. Damit habe ich am Anfang gekämpft. Mein Vater war es, der mir in diesen Situationen Rückendeckung gegeben hat. Interessant ist, dass die Menschen nach einer kurzen Einführung durch meinen Vater total an meinen Lippen hängen und das Projekt von mir weiterführen lassen (wollen). Vertrauen zum Kunden ist ohnehin das Allerwichtigste. Wir sitzen Partnern und Kunden gegenüber, die die gleiche Situation haben, wie wir sie hatten. Wir sprechen von Unternehmer zu Unternehmer und absolut auf Augenhöhe. Und da ich mit den Themen aufgewachsen bin, kann ich jede Problemstellung auch nachvollziehen.
Was lernen Sie von Ihrem Vater – und umgekehrt?
Mein Vater und ich pflegen ähnliche Grundwerte, das ist die Basis von allem. Ansonsten gehen wir recht unterschiedlich an die Dinge heran. Ich habe von meinem Vater gelernt, wie wichtig eine gute Struktur ist und wie wichtig es ist, gut vorbereitet zu sein. Außerdem habe ich inhaltlich in den vergangenen Jahren sehr viel von meinem Vater gelernt, seine Erfahrung ist von unschätzbarem Wert. Ich gehe eher locker an die Dinge heran. Wir müssen also immer einen Mittelweg finden. Mein Vater hat von mir gelernt, dass es in der heutigen Gesellschaft nicht mehr so hierarchisch zugeht, wie es einmal war. Früher ging es nach dem Prinzip: Ober sticht Unter. Außerdem sieht mein Vater an mir, wie es ist, relaxter an die Sachen ranzugehen, beispielsweise, wenn man Präsentationen vorstellt. Da ist einem früher nicht viel verziehen worden, weiß ich aus seinen Erzählungen. Fehler durften da nicht gemacht werden. Alles in allem sind wir ein super Team, das sich perfekt ergänzt.
Trennen Sie mit Ihrem Vater Berufliches und Privates?
Das geht nicht wirklich, wir versuchen aber in letzter Zeit verstärkt, beides voneinander abzukapseln. Aber, ich gebe zu: Obwohl wir uns vornehmen, in Calls nur die Arbeitsthemen zu besprechen, sitzen wir dann doch beim Abendessen innerhalb der Familie zusammen und diskutieren zwei, drei Punkte. Besser ist es da, mit dem Hund spazieren zu gehen und Themen umfangreich zu besprechen. Urlaub ist bei mir definitiv anders als früher. Früher, als ich angestellt war, habe ich mein Handy zu Hause gelassen – in der Unternehmensberatung sind ohnehin schon zu viele unbezahlte Überstunden angefallen. Heute checke ich meine Mails und gehe ans Telefon, wenn mich jemand anruft.
Ihr Vater ist 63. Haben Sie über den eigenen Unternehmensübergang konkret nachgedacht?
Im operativen Geschäft, während der Kundenakquise, ist er nach wie vor zu Beginn da – und das möchte er auch, solange er gesund ist. In der operativen Umsetzung zieht er sich zurück, das mache ich alleine. Ich schätze es total, dass mein Vater (noch) mit an Bord ist. Ich bin dankbar für den Austausch. Auch bei meinem Opa war es so, dass er selbst mit 80 Jahren noch ein paar Stunden am Tag gearbeitet hat – nebenbei hat er Golf gespielt, das hält die Leute fit. Ich finde es schön, dass mein Vater sagt, er will noch weitermachen. Wenn er aber nicht mehr will, dann ist das auch in Ordnung, solange er seinen Weg findet.
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