BMAS: Das ändert sich im neuen Jahr
Veröffentlicht vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Eine Übersicht über die wesentlichen Änderungen und Neuregelungen, die zum Jahresbeginn und im Laufe des Jahres 2022 im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wirksam werden:
1. Arbeitsmarktpolitik, Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung für Arbeitsuchende
a) Insolvenzgeld:
Der Umlagesatz für das Insolvenzgeld wird für das Kalenderjahr 2022 auf 0,09 Prozent festgelegt.
b) Kurzarbeitergeld
Die befristeten Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld aufgrund der Covid-19-Pandemie wurden im Wesentlichen bis zum 31. März 2022 verlängert:
- Die Möglichkeit, die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von bis zu 24 Monaten nutzen zu können, besteht für weitere drei Monate.
- Verlängerung der Sonderregelungen über den erleichterten Zugang, nach denen statt mindestens 1/3 nur mindestens 10 Prozent der Belegschaft eines Betriebs von einem Entgeltausfall betroffen sein müssen und keine negativen Arbeitszeitsalden vor Gewährung des Kurzarbeitergeldes aufzubauen sind.
- Den Arbeitgebern werden die von ihnen während der Kurzarbeit allein zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 50 Prozent auf Antrag in pauschalierter Form erstattet.
- Auch Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können weiterhin Kurzarbeitergeld beziehen.
- Der Hinzuverdienst aus einer geringfügigen Beschäftigung wird auch künftig nicht auf das Kurzarbeitergeld angerechnet.
- Außerdem wird der Anspruch auf die erhöhten Leistungssätze des Kurzarbeitergeldes bei längerer Kurzarbeit (ab dem vierten Bezugsmonat 70 Prozent der Nettoentgeltdifferenz, bzw. 77 Prozent, wenn ein Kind im Haushalt lebt; ab dem siebten Bezugsmonat 80 Prozent bzw. 87 Prozent) verlängert. Der Anspruch wird zudem auf die Beschäftigten ausgeweitet, die seit April 2021 erstmals in Kurzarbeit gegangen sind.
c.) Elektronische Arbeitslosmeldung
Zum 1. Januar 2022 tritt die Neuregelung zur elektronischen Arbeitslosmeldung in Kraft. Neben der persönlichen Vorsprache in der zuständigen Agentur für Arbeit besteht damit künftig eine rechtssichere elektronische Form für die Arbeitslosmeldung. Die elektronische Arbeitslosmeldung stellt dabei auf den elektronischen Identitätsnachweis nach dem Personalausweisgesetz, d.h. die Nutzung der sogenannten „Online-Ausweisfunktion“ des Personalausweises, ab.
d) Sechste Verordnung zur Änderung der Beschäftigungsverordnung
Die sogenannte „Westbalkanregelung“ wird bis Ende 2023 verlängert. Dies ermöglicht den Staatsangehörigen von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien, dass sie unabhängig von einer formalen Qualifikation zur Erwerbstätigkeit nach Deutschland einreisen dürfen. Die Bundesagentur für Arbeit muss zustimmen. Neu eingeführt wird ein Kontingent für bis zu 25.000 Personen jährlich.
e) Neue Regelbedarfe, Erhöhungen beim persönlichen Schulbedarf und Verlängerung des vereinfachten Zugangs in der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Ab dem 1. Januar 2022 gelten neue Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe der vergleichbaren Regelbedarfsstufen (RBS) nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch:
- für alleinstehende und alleinerziehende Leistungsberechtigte: 449 Euro (RBS 1)
- für zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, jeweils: 404 Euro (RBS 2)
- für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben bzw. für erwachsene Leistungsberechtige unter 25 Jahren, die ohne Zusicherung des Jobcenters umziehen: 360 Euro (RBS 3)
- für Jugendliche im 15. Lebensjahr bis unter 18 Jahre: 376 Euro (RBS 4)
- für Kinder vom Beginn des 7. bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres: 311 Euro (RBS 5)
- für Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres: 285 Euro (RBS 6)
Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf ergibt sich für das erste Schulhalbjahr 2022 eine Erhöhung auf 104 Euro und für das zweite Schulhalbjahr eine Erhöhung auf 52,00 Euro.
Des Weiteren ist der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung für Arbeitsuchende verlängert worden. Er gilt jetzt für Bewilligungszeiträume, die bis zum 31. März 2022 beginnen.
f) Teilhabestärkungsgesetz: Verbesserung der Betreuung von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden
Mit dem Teilhabestärkungsgesetz sollen die Jobcenter ab dem Jahr 2022 stärker als bisher in das Reha-Geschehen einbezogen und die Betreuung von Rehabilitandinnen und Rehabilitanden verbessert werden. In den Jobcentern erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte künftig Zugang zu sozialintegrativen Leistungen neben einem Reha-Verfahren, um ihnen eine nachhaltige Eingliederung, aber auch den Zugang zu sozialer Teilhabe zu ermöglichen. Dazu gehören kommunale Leistungen wie die Schuldner- und Suchtberatung und das neue mit dem Teilhabechancengesetz geschaffene Instrument zur Teilhabe am Arbeitsmarkt. Damit sollen bestehende Ungleichbehandlungen abgeschafft werden. Die Möglichkeiten der aktiven Arbeitsförderung im SGB II und SGB III sollen ausgebaut und somit die Eingliederungschancen in den Arbeitsmarkt erhöht werden. Um die Leistungen der Jobcenter und Rehabilitationsträger im Sinne der betroffenen Menschen zu koordinieren und abzustimmen, werden die Jobcenter verbindlich am sog. Teilhabeplanverfahren beteiligt.
g) Private Arbeitsvermittlung:
Im Bereich der privaten Arbeitsvermittlung treten zum 01. Januar 2022 folgende Änderungen in Kraft:
- Private Arbeitsvermittler werden verpflichtet, bei einer grenzüberschreitenden Vermittlung die vermittelten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses sowie über die Beratungsdienste der Sozialpartner und der staatlichen Stellen in Deutschland zu informieren.
- Für die Vermittlung einer geringfügigen Beschäftigung darf ein privater Arbeitsvermittler künftig keine Vermittlungsprovision vom Arbeitsuchenden verlangen oder entgegennehmen. Dies gilt sowohl bei einer Geringfügigkeit in der Entgelt- als auch in der Zeitvariante.
- Die Vergütung für eine erfolgreiche Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung durch einen privaten Arbeitsvermittler auf Basis eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins nach § 45 Absatz 6 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) wird um 500 Euro erhöht. In diesen Fällen übernimmt die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter die Zahlung der Vermittlungsprovision. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden nicht mit zusätzlichen Zahlungen belastet.
2. Arbeitsrecht, Arbeitsschutz, Tarifautonomie, Mindestlohn
a) Gesetzlicher Mindestlohn
Der gesetzliche Mindestlohn beträgt ab dem 1. Januar 2022 brutto 9,82 Euro je tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde. Die mit der Dritten Mindestlohnanpassungsverordnung vom 9. November 2020 beschlossene Anhebung beruht auf dem entsprechenden Vorschlag der Mindestlohnkommission vom 30. Juni 2020.
b) Gesetz zur Stärkung der Impfprävention gegen Covid-19 und Vorschriften im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie
Am 12. Dezember 2021 sind die am 30. Juni 2021 ausgelaufenen pandemiebedingten Sonderregelungen zur Durchführung virtueller Betriebsversammlungen und Versammlungen der leitenden Angestellten, sowie der Durchführung von Sitzungen der Einigungsstelle, der Heimarbeitsausschüsse und der Gremien nach dem Europäischen Betriebsräte-Gesetz, sowie dem SE-Beteiligungsgesetz und SCE-Beteiligungsgesetz im Rahmen der Unterrichtung und Anhörung wieder eingeführt worden. Die Regelungen sind befristet bis zum 19. März 2022 mit Möglichkeit der einmaligen Verlängerung durch Beschluss des Deutschen Bundestages.
3. Sozialversicherung, Rentenversicherung und Sozialgesetzbuch
a) Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung
Der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt ab dem 1. Januar 2022 weiterhin 18,6 Prozent in der allgemeinen Rentenversicherung und 24,7 Prozent in der knappschaftlichen Rentenversicherung.
b) Anhebung der Altersgrenzen
Im Jahr 2012 startete die Anhebung des Renteneintrittsalters. Im Zuge der schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters in der gesetzlichen Rentenversicherung („Rente mit 67“) steigen die Altersgrenzen um einen weiteren Monat. Versicherte, die 1956 bzw. 1957 geboren sind und für die keine Vertrauensschutzregelungen gelten, erreichen die Regelaltersgrenze mit 65 Jahren und zehn Monaten bzw. mit 65 Jahren und elf Monaten.
Für die folgenden Geburtsjahrgänge erhöht sich die Regelaltersgrenze zunächst um je einen weiteren Monat; später wird in Stufen von zwei Monaten pro Jahrgang angehoben. Erst für die Jahrgänge 1964 und jünger wird die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren liegen.
c) Verbesserte Absicherung bei Erwerbsminderung
Wer in jüngeren Jahren vermindert erwerbsfähig wird, hat in der Regel noch keine ausreichenden Rentenanwartschaften aufbauen können. Damit die Versicherten dennoch eine angemessene Sicherung erhalten, werden Bezieher einer Erwerbsminderungsrente so gestellt, als hätten diese über den Eintritt der Erwerbsminderung hinaus so weitergearbeitet, wie zuvor (Zurechnungszeit). Die Zurechnungszeit wurde im Jahr 2019 durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und -Stabilisierungsgesetz) in einem Schritt auf 65 Jahre und 8 Monate angehoben. Für die Rentenzugänge ab dem Jahr 2020 wird sie in Anlehnung an die Anhebung der Regelaltersgrenze bis zum Jahr 2031 schrittweise bis auf 67 Jahre verlängert. Bei einem Beginn der Erwerbsminderungsrente im Jahr 2022 endet die Zurechnungszeit mit 65 Jahren und elf Monaten.
d) Sozialversicherungsrechengrößen
Mit der Verordnung über die Sozialversicherungsrechengrößen 2022 wurden die maßgeblichen Rechengrößen der Sozialversicherung gemäß der Einkommensentwicklung im vergangenen Jahr (2021) turnusgemäß angepasst. Das Verordnungsverfahren und die Festlegung der Werte erfolgen in sich jährlich wiederholender Routine auf Grundlage gesetzlicher Bestimmungen.
e) Mindestbeitrag in der gesetzlichen Rentenversicherung
Der Mindestbeitrag zur freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Januar 2022 beträgt 83,70 Euro monatlich.
f) Künstlersozialversicherung
In der Künstlersozialversicherung wurden Maßnahmen getroffen, um Härten infolge der COVID-19-Pandemie zu vermeiden. Der Abgabesatz der Künstlersozialabgabe bleibt dank zusätzlicher Bundesmittel auch weiterhin ab dem 1. Januar 2022 stabil bei 4,2 Prozent. Darüber hinaus bleibt die jährliche Mindesteinkommensgrenze im Künstlersozialversicherungsgesetz (3.900 Euro) für Versicherte auch für das Jahr 2022 ausgesetzt. Zudem wurde die vorübergehende Erhöhung der Verdienstgrenze für zusätzliche nicht-künstlerische selbstständige Tätigkeiten von 450 auf 1.300 Euro im Monat ebenfalls um ein Jahr bis zum Jahresende 2022 verlängert.
g) Alterssicherung der Landwirte
Der Beitrag in der Alterssicherung der Landwirte wird für das Kalenderjahr 2022 monatlich 270 Euro (West) bzw. 260 Euro (Ost) betragen.
h) Faktor F 2022 im Übergangsbereich
Der Faktor F für Beschäftigte im Übergangsbereich, mit einem Entgelt zwischen 450,01 Euro bis 1.300,00 Euro im Monat, beträgt ab dem 1. Januar 2022 0,7509.
i) Sachbezugswerte 2022
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat jährlich den Wert der Sachbezüge nach dem tatsächlichen Verkehrswert im Voraus anzupassen und dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen. Die Werte für Verpflegung und Unterkunft werden daher jährlich an die Entwicklung der Verbraucherpreise angepasst. Der Verbraucherpreisindex ist im maßgeblichen Zeitraum von Juni 2020 bis Juni 2021 um 2,8 Prozentpunkte gestiegen. Auf dieser Grundlage wurde der Wert für Verpflegung von 263 Euro auf 270 Euro (Frühstück auf 56 Euro, Mittag- und Abendessen auf jeweils 107 Euro) angehoben. Der Wert für Mieten und Unterkunft erhöhen sich um 1,7 Prozent von 237 Euro auf 241 Euro.
j) Hinzuverdienstgrenze bei Altersrenten
In Anbetracht der aktuellen Entwicklung der Corona-Krise und den damit verbundenen anhaltenden Herausforderungen wird die befristete Anhebung der kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze für Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze auf der Grundlage der aktuellen Werte um ein weiteres Jahr verlängert. Für das Jahr 2022 beträgt die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze, wie bereits für das Jahr 2021, 46.060 Euro. Bei vorzeitigen Altersrenten in der Alterssicherung der Landwirte werden die Hinzuverdienstgrenzen für das Jahr 2022 erneut ausgesetzt.
k) Verbesserungen bei der Betriebsrente
Ab dem 1. Januar 2022 müssen Arbeitgeber, wenn Beschäftigte einen Teil ihres Lohns oder Gehalts in eine Betriebsrente umwandeln, immer die ersparten Sozialversicherungsbeiträge, maximal 15 Prozent, zugunsten der Beschäftigten an die Versorgungseinrichtung (Pensionskasse, Pensionsfonds oder Direktversicherung) weiterleiten. Bisher galt diese Verpflichtung nur bei Entgeltumwandlungen, die ab dem 1. Januar 2019 neu abgeschlossen worden sind. Wichtig zu wissen: Diese Regelungen sind tarifdispositiv, d.h. von ihnen kann in Tarifverträgen zugunsten oder zulasten der Beschäftigten abgewichen werden.
l) Weiterentwicklung des Statusfeststellungsverfahrens
Das Statusfeststellungsverfahren wird durch die folgenden Reformbausteine weiterentwickelt:
- Die Einführung einer Prognoseentscheidung ermöglicht die Feststellung des Erwerbsstatus schon vor der Aufnahme der Tätigkeit und damit frühzeitiger als bisher.
- Anstelle der Versicherungspflicht wird künftig der Erwerbsstatus festgestellt. Damit werden die Beteiligten und die Clearingstelle von bürokratischem Aufwand entlastet und das Verfahren wird vereinfacht und beschleunigt.
- Es wird eine Gruppenfeststellung für gleiche Vertragsverhältnisse ermöglicht. Dies entlastet insbesondere den Auftraggeber bei gleichen Aufträgen; er muss hierfür nicht mehr separate Statusfeststellungsverfahren durchführen.
- Zukünftig können bestimmte Dreieckskonstellationen geprüft werden. Auch damit können separate Statusfeststellungsverfahren vermieden werden.
- Im Widerspruchsverfahren ist eine mündliche Anhörung möglich.
Die neuen Regelungen treten zum 1. April 2022 in Kraft. Wesentliche Reformbausteine gelten zur Erprobung zeitlich begrenzt bis zum 30. Juni 2027. Rechtzeitig vor Ablauf dieser Befristung werden die Reformbausteine bewertet.
m) Verlängerung der Beitragsfreiheit für Ärztinnen und Ärzte in Impfzentren und mobilen Impfteams und Ausweitung des Personenkreises
In Anbetracht der aktuellen Entwicklung der Corona-Pandemie wird die Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung für Einnahmen aus ärztlichen Tätigkeiten in den Impfzentren im Sinne der Coronavirus-Impfverordnung und den daran angegliederten mobilen Impfteams bis zum 31. Mai 2022 verlängert. Das entspricht der Geltungsdauer der Coronavirus-Impfverordnung. Zudem wird die Beitragsfreiheit auf die Tätigkeit von Zahnärztinnen und Zahnärzte, Tierärztinnen und Tierärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker in den genannten Einrichtungen ausgeweitet. Gleichzeitig wird auch der bereits für in Impfzentren und mobilen Impfteams tätigen Ärztinnen und Ärzte geltende Unfallversicherungsschutz auf diesen Personenkreis ausgeweitet.
n) Verlängerung der erleichterten schriftlichen Beschlussfassungen von Selbstverwaltungsorganen der Sozialversicherungsträger
Die Geltungsdauer der bereits bestehenden Sonderregelung des § 64 Absatz 3a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, nach der die Selbstverwaltungsorgane der Sozialversicherungsträger aus wichtigen Gründen ohne Sitzung schriftlich abstimmen können (Ausnahme vom Grundsatz der Präsenzsitzung), wird bis zum 31. Dezember 2022 verlängert. Damit wird die Funktions- und Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltungsorgane während der Corona-Pandemie sichergestellt.
4. Teilhabe, Belange von Menschen mit Behinderungen, Soziale Entschädigung, Sozialhilfe, Asylbewerberleistungsgesetz
a) Am 1. Januar 2022 treten im Zuge des Teilhabestärkungsgesetzes vom 9. Juni 2021 (BGBl. I S. 1387) folgende Änderungen im Bereich des Leistungsrechts des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Kraft:
Trägerbestimmung – SGB XII
Mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juli 2020 (Az.: 2 BvR 696/12) wurden Teile des kommunalen Bildungspakets im SGB XII als nicht mit dem Grundgesetz (GG) für vereinbar erklärt. Die betreffenden Regelungen des Dritten Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB XII stellten nach der Entscheidung des BVerfG in Verbindung mit der Aufgabenzuweisung in § 3 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 SGB XII eine aufgrund des Durchgriffsverbots nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 7 GG unzulässige Aufgabenübertragung durch Bundesgesetz auf Kommunen dar und verletzten diese in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht.
Die Kommunen werden künftig bei der Gewährung von Leistungen für Bildung und Teilhabe in der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII nicht mehr bundesgesetzlich als örtliche Träger der Sozialhilfe benannt. Dazu wurde ein § 34c SGB XII als zusätzliche Vorschrift in den die Regelungen zu Bildung und Teilhabe enthaltenden Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels des SGB XII eingefügt. Die Bestimmung, wer örtlicher oder überörtlicher Träger der Sozialhilfe ist, obliegt allein den Ländern.
b) Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2022
Ab dem 1. Januar 2022 gelten neue Regelbedarfe in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII):
- für jede erwachsene Person, die in einer Wohnung lebt und für die nicht Regelbedarfsstufe 2 gilt: 449 Euro (RBS 1)
- für jede erwachsene Person, wenn sie in einer Wohnung mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenlebt, oder wenn sie in der sogenannten besonderen Wohnform lebt: 404 Euro (RBS2)
- für eine stationär untergebrachte erwachsene Person: 360 Euro (RBS 3)
- für eine Jugendliche oder einen Jugendlichen vom Beginn des 15. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres: 376 Euro (RBS 4)
- für ein Kind vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres: 311 Euro (RBS 5)
- für ein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres: 285 Euro (RBS 6)
Für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf ergibt sich für das erste Schulhalbjahr 2022 eine Erhöhung auf 104 Euro und für das zweite Schulhalbjahr eine Erhöhung auf 52,00 Euro.
c) Neue Regelbedarfe, Erhöhungen beim persönlichen Schulbedarf und Verlängerung des vereinfachten Zugangs im Sozialen Entschädigungsrecht
Ab dem 1. Januar 2022 gelten neue Regelbedarfe für die Ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialen Entschädigungsrecht nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Höhe der Regelbedarfsstufen (RBS) nach dem SGB XII. Auch die Erhöhungen beim persönlichen Schuldbedarf gelten im BVG.
Des Weiteren ist der vereinfachte Zugang zur Ergänzenden Hilfe zum Lebensunterhalt des BVG aufgrund der anhaltenden Covid-19-Pandemie verlängert worden. Er gilt jetzt für Bewilligungszeiträume, die bis zum 31. März 2022 beginnen.
Die Übergangsregelung zu den Mehrbedarfen für gemeinschaftliche Mittagsverpflegung in Werkstätten wurde ebenfalls bis zum 31. März 2022 verlängert.
d) Anpassung der Regelsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz
Entsprechend der Veränderung der Regelbedarfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) wurden auch die Regelsätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zum 1. Januar 2022 angepasst.
e) Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber
Viele Arbeitgeber scheuen die Einstellung von Menschen mit Behinderungen, weil sie die Mehrarbeit fürchten, die mit der Beantragung der vielfältigen behinderungsspezifischen Hilfeleistungen entstehen. Ab dem 1. Januar 2022 sollen bundesweit eingerichtete unabhängige und trägerübergreifende Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber, die Arbeitgeber über die Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen informieren, beraten und bei der Antragsstellung unterstützen. Sie sollen helfen, nicht nur zu erfahren, welche Hilfen zur Verfügung stehen – beispielsweise höhenverstellbare Tische oder spezielle Software für sehbehinderte Menschen -, sondern diese auch im Namen der Arbeitgeber für diese beantragen können. Wenn sich Arbeitgeber für die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen entschieden haben, nehmen die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber diesen die Laufarbeit zu potentiellen Leistungsträgern ab und sorgen auf diese Weise für eine Entlastung der Arbeitgeber von der Bürokratie. Zur Finanzierung der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber überlässt der Bund den Integrationsämtern der Länder ab dem 1. Juni 2022 zusätzlich zwei Prozentpunkte aus dem Aufkommen an Ausgleichsabgabe.
f) Budget für Ausbildung jetzt auch für Personen, die bereits im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind
Ab dem 1. Januar 2022 wird der persönliche Geltungsbereich des Budgets für Ausbildung erweitert. Dann können auch Personen, die bereits im Arbeitsbereich einer WfbM tätig sind, noch ein Budget für Ausbildung aufnehmen. Sie können dann eine reguläre betriebliche Ausbildung oder eine Fachpraktikerausbildung aufnehmen. Das ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg zu einem inklusiven Arbeitsmarkt.
g) Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB®)
Zum 1. Januar 2022 tritt die Verordnung zur Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTBV) in Kraft. Mit der EUTBV setzt das BMAS die im Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode verankerte Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung EUTB® ab dem Jahr 2023 um. Zur nachhaltigen Etablierung der Beratungsangebote wird mit der EUTBV die Finanzierung von der bisherigen zuwendungsrechtlichen Förderung auf einen Rechtsanspruch auf einen Zuschuss zu Personal- und Sachkosten umgestellt. Dafür stehen ab 2023 jährlich 65 Mio. Euro zur Verfügung.
Das Antragsverfahren startet zum 1. Januar 2022 und endet zum 31. März 2022. Nähere Informationen finden sich unter www.gsub.de/projekte/beratungen-gemaess-verordnung-zur-weiterfuehrung-der-ergaenzenden-unabhaengigen-teilhabeberatung-eutbv