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DIW Berlin: Frauen in Corona-Krise am Arbeitsmarkt stärker betroffen als Männer

Die Corona-Pandemie löst eine verheerende Wirtschaftskrise aus, die auch am deutschen Arbeitsmarkt gravierende Spuren in Form von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit hinterlässt. Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008/2009, in der Männer stärker vom Beschäftigungsrückgang betroffen waren, trifft es in der aktuellen Krise Wirtschaftssektoren wie das Gastgewerbe, in denen Frauen stärker repräsentiert sind. Außerdem zeigen erste Zahlen zu den Zugängen zur Arbeitslosigkeit allgemein und zum Beschäftigungsrückgang bei MinijoberInnen, dass Frauen momentan stärker von Arbeitsplatzverlust betroffen sind als Männer.

Durch die Corona-Pandemie zeichnet sich eine gewaltige Rezession ab, deren Auswirkungen auch am Arbeitsmarkt deutlich zu spüren sind. Die aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass bereits für bis zu 10,1 Millionen ArbeitnehmerInnnen im Zeitraum März und April 2020 Kurzarbeit angezeigt wurde.

Der wirtschaftliche Einbruch trifft die Wirtschaftssektoren unterschiedlich stark, je nachdem, wie sehr die Tätigkeiten beispielsweise von den Eindämmungsmaßnahmen eingeschränkt werden. Da sich die Geschlechterverteilung über die Wirtschaftssektoren unterscheidet, können Männer und Frauen in unterschiedlichem Ausmaß von der Krise und deren Folgen am Arbeitsmarkt betroffen sein. Dieser Bericht zeigt anhand offizieller Arbeitsmarktzahlen für Deutschland auf, welche Sektoren besonders viele Anzeigen zu Kurzarbeit und hohe Zugänge in Arbeitslosigkeit im März und April 2020 aufweisen. In Kombination mit Daten über Frauen- und Männeranteile in den einzelnen Sektoren können die geschlechtsspezifischen Auswirkungen auf die Arbeitsnachfrage in Deutschland abgeschätzt werden.

Gastgewerbe: 96 Prozent aller Beschäftigten in Kurzarbeit

Insgesamt beläuft sich der Anteil der Beschäftigten, für die seit Anfang März 2020 in Deutschland Kurzarbeit angemeldet wurde, auf 30 Prozent. Wichtig ist hierbei, dass eine Anzeige über Kurzarbeit von Seiten der ArbeitgeberInnen nicht automatisch einer tatsächlichen Inanspruchnahme von Kurzarbeit gleichkommt. Dennoch erlaubt die Anzahl der Anzeigen bereits eine Einschätzung, wie stark und unmittelbar die Wirtschaft und ihre einzelnen Sektoren von der Krise betroffen sind.

Das Gastgewerbe ist der Sektor, in dem mit 96 Prozent anteilsmäßig die meisten Beschäftigten seit März 2020 von Anzeigen über Kurzarbeit betroffen sind (Abbildung 1). Erheblich ist der Anteil mit 71 Prozent auch im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung. Diese Bereiche des öffentlichen Lebens leiden vermutlich mit am stärksten unter Kontaktbeschränkungen und vorübergehenden Schließungen. Daher ist es nicht überraschend, dass hier besonders viele Kurzarbeitsanzeigen registriert werden. Die Anteile in den weiteren stark von Kurzarbeit betroffenen Sektoren sind mit zwischen knapp 20 bis 40 Prozent deutlich niedriger, wenn auch immer noch erheblich.

Im Vergleich zum gesamten Krisenjahr 2009 ist bereits jetzt ein mehr als doppelt so großer Teil der Beschäftigten von Anzeigen zur Kurzarbeit betroffen. Zudem waren damals die Auswirkungen zwischen den Wirtschaftssektoren anders verteilt. Während aktuell das Gastgewerbe, die Bereiche Kunst, Unterhaltung und Erholung im Fokus stehen, fielen im Jahr 2009 in diesen Sektoren nur sehr wenige Beschäftigte unter die Anzeigen von Kurzarbeit. Am stärksten reagierten im Jahr 2009 das verarbeitende Gewerbe und die Baubranche.

Von Anzeigen zu Kurzarbeit betroffene Personen nach Wirtschaftsbereichen in den Jahren 2009 und 2020

Üblicherweise sind die kurzfristigen negativen Arbeitsmarktauswirkungen von Wirtschaftskrisen für Männer ausgeprägter als für Frauen. Die Corona-Krise hebt sich davon mit einer vergleichsweise größeren Betroffenheit von Bereichen mit hohem Frauenanteil unter den Beschäftigten ab.

Dieser Kontrast spiegelt sich auch in den Anzeigen zur Kurzarbeit wider: In fünf der zehn Wirtschaftsbereiche, für die im März und April 2020 besonders viele Personen zur Kurzarbeit angezeigt wurden, sind überdurchschnittlich viele Frauen beschäftigt (Abbildung 2). In den besonders betroffenen Bereichen Gastgewerbe sowie Kunst, Kultur und Erholung liegt der Frauenanteil unter den Beschäftigten mit 54 beziehungsweise 51 Prozent über dem Anteil von 46 Prozent unter allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Dies steht in deutlichem Kontrast zum Krisenjahr 2009, in dem mehrheitlich Wirtschaftsbereiche von Kurzarbeit betroffen waren, in denen unterdurchschnittlich viele Frauen arbeiteten. Im verarbeitenden Gewerbe und im Baugewerbe, in denen 2009 relativ zur Beschäftigung besonders häufig Kurzarbeit angemeldet wurde, waren im Vorjahr nur 25 beziehungsweise 13 Prozent Frauen unter den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Kurzarbeit und Frauenanteile in den Jahren 2009 und 2020

Kurzarbeit soll die Effekte der Krise am Arbeitsmarkt abfedern, indem sie für viele Menschen die unmittelbare Arbeitslosigkeit verhindert. Es gibt jedoch, neben den Selbstständigen, auch abhängig Beschäftigte, deren drohender Arbeitsplatzverlust nicht durch Kurzarbeit abgefedert werden kann. Für ausschließlich geringfügig Beschäftigte können Unternehmen kein Kurzarbeitergeld beantragen. Weiterhin haben geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung, da sie von deren Beiträgen befreit sind.

Unter den geringfügig Beschäftigten beträgt der Frauenanteil insgesamt etwa 61 Prozent und liegt damit 15 Prozentpunkte über dem Frauenanteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. In den zwei im März und April 2020 am stärksten von Kurzarbeit betroffenen Wirtschaftssektoren, Gastgewerbe sowie Kunst, Kultur und Erholung, sind besonders viele Personen geringfügig angestellt. Auf etwa zwei sozialversicherungspflichtig Beschäftigte kommt in diesen beiden Bereichen etwa eine ausschließlich geringfügig beschäftigte Person.

Nach Angaben der Minijob-Zentrale hat bereits zum Stichtag 31. März 2020 die Anzahl der geringfügigen Beschäftigten im gewerblichen Bereich im Vergleich zum Vorjahr stark abgenommen. Besonders betroffen war dabei das Gastgewerbe, in dem Ende März 2020 um 11,1 Prozent weniger MinijobberInnen beschäftigt waren als zur selben Zeit des Vorjahres. Über alle Sektoren hinweg war der Rückgang bei den Frauen in geringfügiger Beschäftigung mit vier Prozent fast doppelt so hoch wie bei den Männern (2,3 Prozent).

Zuwachs an Arbeitslosen aus dem Gastgewerbe besonders hoch

Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Zugang an Arbeitslosen im April 2020 um 81.000 beziehungsweise 14 Prozent erhöht. Gleichzeitig konnten 300.000 beziehungsweise 46 Prozent weniger Personen als im Vorjahr ihre Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer Beschäftigung oder durch die Teilnahme an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme beenden. Der Anstieg im Zugang zur Arbeitslosigkeit ist für Frauen mit 16 Prozent höher als für Männer mit zwölf Prozent, während der Rückgang in der Beendigung der Arbeitslosigkeit zwischen den Geschlechtern sehr ähnlich ist. Im gesamten Krisenjahr 2009 lag die Zunahme in den Zugängen zur Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr für Männer (15 Prozent) deutlich über der für Frauen (sechs Prozent).

Der Anstieg in den Zugängen zur Arbeitslosigkeit kommt insbesondere durch Personen zustande, die sich im April 2020 arbeitslos meldeten und zuvor einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sind. Trotz der Maßnahme Kurzarbeit beträgt die prozentuale Veränderung für diese Gruppe 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Anstieg der Anzahl derer, die ihre Beschäftigung im Gastgewerbe verloren und daher arbeitslos wurden, war besonders groß (Abbildung 3). Der Übergang von Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit war hier mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr. Auch der Bereich Kunst, Kultur und Erholung liegt mit einer Vorjahresveränderung von 85 Prozent deutlich über dem Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche.

Zugang von Arbeitslosen aus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im April 2020

Fazit: Konjunkturprogramme müssen Gender-Budgeting unterworfen werden

Im Unterschied zu vergangenen Krisen, die häufig männerdominierte Wirtschaftssektoren besonders getroffen haben, drohen infolge der Corona-Pandemie auch Sektoren mit einem hohen Frauenanteil unter den Beschäftigten Einschnitte. Im besonders stark von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffenen Bereich Gastgewerbe sind beispielsweise mehr als die Hälfte aller Beschäftigten Frauen. Hinzu kommt, dass Frauen häufig ein niedrigeres Kurzarbeitergeld erhalten als Männer. Dies liegt daran, dass sich das Kurzarbeitergeld einerseits am Nettogehalt orientiert, das für viele verheiratete Frauen aufgrund der Lohnsteuerklasse V sehr niedrig ist. Andererseits erhalten Frauen seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch die Arbeitgeber. Unter den geringfügig Beschäftigten, die keine Ansprüche auf Kurzarbeitergeld haben und damit dem Risiko des Arbeitsplatzverlustes noch stärker ausgesetzt sind, sind ebenfalls mehrheitlich Frauen vertreten.

Im Zusammenspiel mit der Tatsache, dass Frauen auch die Hauptlast der zusätzlichen Sorgearbeit aufgrund des eingeschränkten Kita- und Schulbetriebes tragen, lässt sich folgern, dass Frauen von der Corona-bedingten Wirtschaftskrise in besonderem Maße betroffen sind. Deswegen sollten sämtliche staatliche Maßnahmen wie Rettungspakete, Konjunkturprogramme und Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung nach der Wirtschaftskrise einem Gender-Budgeting unterworfen werden. Damit sollten die sich abzeichnenden langfristigen Auswirkungen der Corona-Krise auf die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern abgefedert werden.

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