Vorbild-Unternehmerin: Unternehmer hatten in meiner Vorstellung Firmen und Mitarbeiter
„Frauen unternehmen“, die Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums hat 180 Frauen zu Vorbild-Unternehmerinnen gemacht. Ihre Aufgabe: das Sichtbarmachen des weiblichen Unternehmertums.
Vorbild-Unternehmerin Dr. Martina Henn-Sax hat abiturlernen.de gegründet, ein großer Schritt, denn Unternehmertum hatte für sie lange etwas mit großen Firmen und vielen Mitarbeitern zu tun: SHE works! hat sie nach ihrer ganz eigenen Unternehmensstruktur befragt.
Können Sie uns einen kurzen Einblick in Ihr Arbeitsfeld geben?
abiturlernen.de ist ein Bildungsinstitut spezialisiert auf die Abiturvorbereitung. Wir bieten dreitägige Abitur-Intensivkurse, in denen kleine Gruppen von maximal 9 Teilnehmern. Diese wiederholen gemeinsam mit einem Dozenten den kompletten abiturrelevanten Lernstoff arbeiten an Abituraufgaben. Neben diesen Intensivtrainings bieten wir auch kontinuierliche Abiturvorbereitungsmöglichkeiten in Form von dozentengeführten Abitur-Lerngruppen an. Ich habe vor 11 Jahren mit BioAbi-Intensivkursen angefangen, in den Jahren sind dann immer mehr Fächer hinzugekommen. abiturlernen.de bietet inzwischen bundeslandspezifische Trainings für acht Abiturfächer anbietet. Wir sind in Niedersachsen, NRW, Hessen und Hamburg mit Kursangeboten vertreten.
Ich habe abiturlernen.de aufgebaut und leite das Bildungsinstitut. Eine bunte Mischung aus vielfältigen und interessanten Tätigkeiten bestimmen meinen Arbeitsalltag: selbst zu unterrichten, die Intensivkurse organisieren, Lernmaterialien erstellen oder vorhandenes Aufgabenmaterial auf Lehreignung prüfen. Dann die Auswahl über geeignete Dozenten für unsere Intensivkurse und Abitur-Lerngruppen treffen, abiturrelevante Themen in Form von wichtigen Blogartikel mit abiturrelevanten Informationen für Schüler und abiturgeplagte Eltern bereitstellen, unsere Kunden individuell in Abitur und Lernfragen beraten…
Jetzt zum Beispiel haben die Fachdozenten und ich das Programm für unseren Informationstag „Abitur 2017“ zusammengestellt…
Gibt es eigentlich Unterschiede in der Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit im Job zwischen Männern und Frauen?
Das kann ich nicht generell beantworten. Frauen kommunizieren eine Unzufriedenheit vielleicht mehr als Männer dies tun…
Ich habe für mich im Laufe der Jahre festgestellt, dass ich immer weniger bereit war mich den vorgegebenen Arbeitsstrukturen anzupassen. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich mit Promotions-Stipendium und Forschungstätigkeit im Ausland sehr viele Freiheiten hatte und mir so den „9to5-Job“ nicht mehr vorstellen konnte. Auch die Vereinbarkeit von beruflicher Tätigkeit und Familie finde ich als Selbstständige deutlich besser.
Was reizt Sie persönlich am Unternehmertum? Was empfinden Sie immer noch spannend daran?
Keinen Chef zu haben, den man überzeugen muss oder um Erlaubnis fragen muss…im eigenen Rhythmus arbeiten zu dürfen…Familie und abiturlernen.de gut vereinbaren zu können, ganz viele Dinge tun zu dürfen, die niemals in die Arbeitsbeschreibung einer Stelle passen würden…Was Neues am Markt testen zu können auch auf die Gefahr hin, dass die Idee noch nicht marktreif oder gut genug für den Markt war… Das klingt schon oben in der Frage nach der „Arbeitszufriedenheit“ an…
Ich finde es auch nach 11 Jahren spannend mit den eigenen Ideen Geld verdienen zu können und dabei das zu tun was mir Spaß macht! Mit jungen Menschen zu arbeiten und Spaß am Lernen zu vermitteln…. ein Gesamtpaket, das sich nur schwer in Worte fassen lässt.
Was macht Ihrer Vorstellung nach eine Vorbildunternehmerin aus?
Eine Vorbildunternehmerin ist eine Frau, die mutig genug ist den eigenen Ideen zu vertrauen und daraus eine Selbstständigkeit, ein Unternehmen zu gründen.
Ich gestehe ich finde den Titel „Vorbildunternehmerin“ ist etwas hölzern. Das klingt so, als ob man in dieser Position alles perfekt machen würde. Keine Fehler, keine Macken. Das gibt es in der Realität nicht. Wichtig ist, das kommuniziert wird, dass „Hinfallen“ nicht schlimm ist, solange man wieder aufsteht. Soll heißen: jeder Tag des Unternehmerseins ist ein Lerntag. Mal lernt man weniger (dann läuft alles glatt), mal mehr. Gerade diese „Lerntage“ sind es, die auf lange Sicht wichtige Erfahrung bringen.
Unter den bundesweit 180 Vorbildunternehmerinnen, die Frauen als Unternehmerinnen sichtbar machen sollen, sind auch viele Einzelunternehmerinnen. Es ist schön, dass die Initiative des BMWi gerade die – oft freiberuflichen – Ein-Frau-Unternehmen besser sichtbar macht. Die Initiative stellt ebenso ein Netzwerk für Unternehmerinnen dar, die sonst meist nicht in die Schublade „IHK“ oder „Handelskammer“ passen. Diesen Austausch finde ich wichtig und wertvoll.
Sie mussten sich für die Auszeichnung zur Vorbildunternehmerin bewerben. Was hat Sie daran gereizt?
Ich komme aus einem Arbeiterhaushalt, meine Mutter war Hausfrau. Ein sehr klassisches Bild der Familie im Angestelltenverhältnis. Irgendwie war das eine große Hürde zum „Selbstständig sein“ da Unternehmer für mich immer durch das Bild „viele Mitarbeiter, große Fabriken“ geprägt war.
Ich habe zwei Jahre in den USA gearbeitet und habe dort viele Selbstständige kennengelernt. Leute, die auf den Kenntnissen ihres Studiums und ihren Erfahrungen den Schritt in die Selbstständigkeit gemacht haben, die oft vom Home-Office heraus und ohne Mitarbeiter agiert haben. Das hat mich sehr beeinflusst. Gleichzeitig habe ich mich gefragt wie ich in den kommenden 10 Jahren meines Lebens gerne arbeiten möchte…so eine Stelle gab es nicht. Ich habe mich dann 2005 als Dozentin selbstständig gemacht. Daraus ist dann im Laufe der Jahre abiturlernen.de gewachsen und ich kann mir sehr gut vorstellen auch die nächsten 10 oder 20 Jahre damit weiter zu machen.
Mein Hauptgrund eine Bewerbung für die BMWi-Initiative „Frauen unternehmen“ loszuschicken, war dieses andere Bild des Unternehmertums in die Köpfe junger Frauen (und Männer) zu bringen. Auch zu Hinterfragen was für die einzelne Frau Erfolg bedeutet, ebenso die Frage zu beleuchten wie wichtig es ist seine Tätigkeit gerne zu tun.
Gerne möchte ich jungen Menschen Möglichkeiten außerhalb der „normalen“ Karriere aufzeichnen, auch Möglichkeiten, die den eigenen Ideen und Projekten mehr Raum geben als z.B. eine Karriere als Mitarbeiter.
Das Projekt der Vorbild-Unternehmerinnen wurde aktuell um ein weiteres Jahr bis September 2017 verlängert. Hat sich für Sie als Vorbild-Unternehmerin etwas geändert?
Ja und Nein. Eine Auszeichnung zu erhalten ist immer schön. Den eigentlichen Arbeitsalltag verändert so ein Titel nichtJ Allerdings gebe ich zu, dass ich durch das Netzwerk und mein Engagement in Schulen bzw. im Rahmen von Gründerveranstaltungen immer mehr den Mut habe mich tatsächlich auch als Unternehmerin zu bezeichnen.
Ich freue mich auf ein weiteres Jahr als „Botschafterin“ für Frauen in der Selbstständigkeit, für Frauen als Unternehmerinnen…
Sie sind auch in Schulen unterwegs und versuchen den Schülern und Schülerinnen das weibliche Unternehmertum näher zu bringen. Gibt es Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen was die Reaktionen auf Ihren Vortrag betrifft?
Frauen unternehmen ist ein Initiative von und für Frauen und so wurde durchaus diskutiert, ob bei Veranstaltungen in Schulklassen die Teilnehmer nach Geschlechtern getrennt werden sollten. Ich bin allerdings der Meinung, dass Veränderungen in der Gesellschaft von beiden Seiten, sprich von Frauen und Männern getragen werden müssen. Das Feedback der Generation 16 – 18-jähriger Schülerinnen und Schüler zeigt, dass es inzwischen als selbstverständlich angesehen wird, dass Frauen als Unternehmerinnen und in Führungspositionen agieren. Das ist ein guter Start und lässt die Hoffnung wachsen, dass diese Generation Frauen einen anderen Stand auf der Karriereleiter haben kann, ohne Quote oder Gleichstellungsbeauftragte, sondern weil die Gesellschaft in einem neuen Selbstverständnis hineinwächst. Meine Frage, ob die Schülerinnen und Schüler Frauen in Führungspositionen bzw. Vorbilder in Führungspositionen kennen hat ein Schüler mit der Antwort „Meine Mutter“ beantwortet. „Die leitet eine Gruppe mit 150 Mitarbeitern.“ Während sonst meist Frau Merkel und Frau von der Leyen als Beispiel genannt wurden, war in dieser Schulklasse der Denkprozess durch den Kommentar des Jungen in eine andere Richtung geleitet worden. Plötzlich gab es ganz viele weibliche Rollenmodell in leitender Position, Mütter mit eigenen Firmen oder mit Gruppenleiterpositionen. Ich denke es ist absolut wichtig diese Rollenmodelle sichtbar zu machen.
Gibt es einen Austausch unter den Vorbildunternehmerinnen?
Es gibt die Möglichkeit des Austausches. Einige regionale Gruppen (z.B. die Vorbildunternehmerinnen Baden-Württemberg) sind sehr aktiv. Diese Gruppe hat allerdings den Vorteil, dass alle Unternehmerinnen räumlich recht nahe beieinander sind und so ein persönlicher Austausch schnell stattfinden kann. Ich bin über XING und per Email-Verteiler mit Frauen der BMWi-Initiative verbunden allerdings würde ich mir wünschen, dass nicht nur 180 Frauen bundesweit diesen Titel tragen dürfen, sondern weit mehr. Das Netzwerk muss wachsen, so dass Veranstaltungen mit Unternehmerinnen leichter und im näherem Umkreis realisierbar werden. Auch nehmen die Vorbereitung und Durchführung und die Anzahl der Veranstaltungen (das BMWi wünscht 2 – 4, Veranstaltungen pro Jahr) viel Zeit in Anspruch. Hier wäre es besser, wenn das Engagement von deutlich mehr Unternehmerinnen getragen werden kann. Das würde die Sichtbarkeit von Frauen als Unternehmerinnen nur erhöhen.
Welche Ziele werden mit dem Netzwerk verfolgt?
Hier zitiere ich aus dem Kooperationsvertrag mit dem BMWi, der für die weitere Titelvergabe „Vorbildunternehmerin“ gilt: „Gemeinsam mit Ihnen, den Vorbild-Unternehmerinnen in Deutschland, möchte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie mit FRAUEN unternehmen durch positive Rollenvorbilder mehr Gründungsgeist bei Mädchen und Frauen wecken. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Ansprache und Sensibilisierung von Mädchen und Frauen bereits in frühen Jahren, z.B. an Schulen und Hochschulen, um bereits frühzeitig auf Rollenbilder und spätere berufliche Entscheidungen Einfluss zu nehmen.“
Wie machen Sie persönlich Frauen bzw. die Zielgruppe auf Unternehmertum aufmerksam?
Ich habe bisher vor allem in Schulen und Universitäten auf die Möglichkeit des Unternehmertums aufmerksam gemacht. Das waren Diskussionsstunden zu Unterrichtsthemen (z.B. in Politik und Wirtschaft (PoWi)) aber auch Podiumsdiskussionen zum Thema „Gründen“. Jetzt werden zwei Veranstaltungen mit Gründerinnen oder Frauen mit dem Gedanken an die Selbstständigkeit laufen.
Ganz oft sind es aber die „Gespräche am Rande“ die geführt werden, z.B. bei einem Workshop für Studierende zum Thema „Lern- und Zeitmanagement“ oder in den Pausen der Abitur-Intensivkurse. Gerade junge Frauen denken in der Oberstufe oder im Studium über ihre Zukunft nach. Wo soll ihr Weg hingehen, welche Möglichkeiten gibt es? So werde ich öfter angesprochen was mich zur Selbstständigkeit bewogen hat…
Veranstaltungen mit Dr. Henn-Sax
Gerne bin ich bereit weitere Diskussionsstunden (z.B. im Rahmen des PoWi-Curriculums der Oberstufe) durchzuführen. Lehrer oder Schulleiter können mich gerne dazu ansprechen (Email: henn_sax@abiturlernen.de).
Im Rahmen der bundesweiten Gründerinnenwoche biete ich zudem gemeinsam mit Miriam Engel (Presseengel), Rita Fiedler (Coach) und Tina Bergmann (Gründungsberatung MOBIL) ein Frühstück mit (Ex-)Gründerinnen an. Am 17.11.2016 laden wir an der Selbstständigkeit interessierte Frauen ins abiturlerneHAUS (Rosdorfer Weg 10-Hinterhaus) ein. Die Besucherinnen erhalten Input und die Möglichkeit zum Austausch mit den ehemaligen Gründerinnen und jetzt Unternehmerinnen. Drei verschiedene Wege in die Selbstständigkeit, Herausforderungen und Lösungen, Fördermöglichkeiten und Mentoring sind Themen dieser Veranstaltung zwischen 9:00 und 12:00 Uhr.
Eine weitere Aktion wird „Chefinnen on Tour“ am 07. September 2016 sein. Hier öffnen drei Unternehmerinnen ihre Türen. Ninja Braaß (Centrum für Physiotherapie Göttingen), Bettina Wegner (GesUndFit) und ich (abiturlernen.de) selbst werden anderen Chefinnen und Gründerinnen oder Interessierten unsere Unternehmen zeigen und für Fragen, Diskussionen und zum Netzwerken zur Verfügung stehen.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!