Frauenquote in Vorständen: „Fortschritt in Trippelschritten statt großer Wurf“
Die große Koalition hat sich auf eine Verschärfung des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Führungspositionengesetz FüPoG2) geeinigt. Auch wenn die genaue Ausgestaltung noch unklar ist, lassen die bekannt gewordenen Rahmenbedingungen keine großen Veränderungen erwarten, befürchtet Prof. Dr. iur. Andrea Ruppert von der Frankfurt University of Applied Sciences (Frankfurt UAS). „Die geplante Regelung geht in die richtige Richtung, aber weiterhin gelten die Vorgaben für zu wenige Unternehmen“, bemängelt die Leiterin des Instituts für Mixed Leadership (IML) in ihrer Stellungnahme.
Zu viele haben sich die Zielgröße Null gesetzt
Die Frauenquote für Vorstände musste kommen, da die freiwillige Selbstverpflichtung zur Erhöhung der Teilhabe von Frauen in Führungspositionen in Form von Zielvorgaben – wie bisher im Ersten Führungspositionengesetz geregelt – nicht funktioniert hat. Das Gesetz verpflichtet bislang börsennotierte Unternehmen zwar, feste Zielgrößen für die Steigerung des Anteils an Frauen in Vorständen festzulegen. Die Zielgröße „Null“ ist aber auch erlaubt. „Die Unternehmen haben die Herausforderung, die Beteiligung von Frauen in Führung selbst zu gestalten, nicht angenommen“, resümiert Ruppert. Zu viele haben sich selbst als Zielgröße Null gesetzt bzw. die gesetzliche Mindestforderung, den bisherigen Status Quo nicht zu unterschreiten, festgeschrieben. Die Vorteile und Chancen, die Vielfalt in der Zusammensetzung von Vorständen mit sich bringen, werden offensichtlich von vielen Aufsichtsräten in Deutschland nach wie vor nicht gesehen. Ruppert: „Die Unternehmen kommen damit ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht nach.“
Gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen
Die bisherige Regelung der Frauenquote im Aufsichtsrat hat für die Erhöhung der Beteiligung von Frauen in Vorständen wenig gebracht. Ihr Anteil lag bei den börsennotierten Gesellschaften im September 2020 bei nur 10,1 Prozent. Der Einfluss von Frauen in Aufsichtsräten ist zu gering, um entscheidende Signale zu setzen. Die Bestellung von Vorstandsmitgliedern erfolgt durch den Aufsichtsrat, in dem Frauen weniger als ein Drittel der Mitglieder stellen. Nur selten sind sie in den Ausschüssen vertreten, die die Beschlussvorlagen für den Aufsichtsrat erarbeiten, und nur 5 Prozent Frauen haben den Aufsichtsratsvorsitz inne. 1
In der aktuellen Corona-Krise hat sich die Zahl der weiblichen Vorstände sogar verringert. Unternehmen haben ihre Vorstände verkleinert, und dies hat häufiger die weiblichen Vorstandsmitglieder getroffen, was zu einem Rückgang der Beteiligungsquote auf den Stand von 2017 geführt hat. In den USA, aber auch in unseren EU-Nachbarstaaten wurde die Corona-Krise hingegen genutzt, um die Vielfalt in Führungsteams und insbesondere den Frauenanteil zu erhöhen.
Rupperts Appell: „Die geplante gesetzlich vorgegebene Erweiterung der Beteiligung von Frauen an Führung sollten alle deutschen Unternehmen als Signal verstehen, ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst zu nehmen und damit auch die Gestaltungshoheit zurückzubekommen.“
Zur Person:
Prof. Dr. iur. Andrea Ruppert ist seit 2003 Professorin für Wirtschaftsprivatrecht mit besonderen Kenntnissen im Handels- und Gesellschaftsrecht sowie Datenschutzrecht an der Frankfurt UAS. Von Januar 2007 bis Dezember 2009 war sie deren Vizepräsidentin für Studium und Lehre. Ruppert forscht und lehrt seit vielen Jahren am Fachbereich Wirtschaft und Recht zu Genderthemen im Kontext von Management und Leadership. Die Juristin ist Geschäftsführende Direktorin des im Juni 2019 gegründeten Instituts für Mixed Leadership (IML).
Zum Institut Mixed Leadership IML):
Das Institut für Mixed Leadership (IML) bündelt die Forschung der Frankfurt UAS zu den Themen innovative Führung, Wandel der Führungskultur sowie Diversität als Erfolgsfaktor für Unternehmen und betreibt die Akademie Mixed Leadership (AML). Ziel ist, über praxisnahe Forschung und Weiterbildung dazu beizutragen, den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen, die Akzeptanz von Männern für diverse Führungsteams zu erhöhen und die Vorteile gemischt-geschlechtlicher sowie diverser Führungsteams zu erkennen.