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Der Rosenthal-Effekt für die weibliche Führung: Wie Erwartungen die Leistung beeinflussen

Aus der Redaktion

Kann die Erwartungshaltung, mit der wir uns selbst und anderen begegnen, unsere und die Leistungen Dritter beeinflussen? Die Antwort lautet: definitiv. Dieses Phänomen beschreibt der Rosenthal-Effekt, den der deutsch-amerikanische Psychologie-Professor Robert Rosenthal in verschiedenen Experimenten nachgewiesen hat. Worum es sich beim Rosenthal-Effekt genau handelt und wie er insbesondere von Mitarbeiterinnen und weiblichen Führungskräften genutzt werden kann, beleuchten wir im Folgenden.

Was ist der Rosenthal-Effekt?

Der Rosenthal-Effekt geht auf mehrere Experimente des deutsch-amerikanischen Professors für Psychologie Robert Rosenthal in den 1960er-Jahren zurück. Die Quintessenz des auch Pygmalion-Effekts genannten Phänomens ist, dass eine positive Erwartungshaltung gegenüber Dritten bei diesen eine Leistungssteigerung bewirken kann.

Im Jahr 1963 demonstrierten Robert Rosenthal und Kermit L. Fode den Versuchsleiter-Erwartungseffekt im Rahmen eines Experiments mit Ratten. Mehrere Versuchsleiter wurden damit beauftragt, eine Ratte ein Labyrinth durchqueren zu lassen. Der Hälfte der Versuchsleiter wurde im Vorhinein mitgeteilt, dass ihre Ratten überdurchschnittlich intelligent seien, während die andere Hälfte vermeintlich unterdurchschnittlich intelligente Ratten betreute. Das Experiment kam zu dem Ergebnis, dass die Ratten, deren Versuchsleiter glaubten, sie seien besonders schlau, das Labyrinth deutlich schneller durchquerten als die vermeintlich dümmeren Ratten.

Ein zweites Experiment zum Erwartungseffekt unternahm Robert Rosenthal 1965 mit Lenore Jacobson. An einer Schule führten die Wissenschaftler zunächst mit den Schülerinnen und Schülern einer Klasse Intelligenztests durch. Anschließend äußerten sie dem Lehrpersonal gegenüber, dass ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler vor einem Entwicklungsschub stünden. In Wirklichkeit wurden die genannten Kinder per Zufallsprinzip ausgewählt. Als Rosenthal und Jacobson den Intelligenztest nach mehreren Monaten wiederholten, stellten sie bei den betreffenden 20 % der Schülerschaft tatsächlich eine Leistungssteigerung fest. Die unbegründete Prophezeiung war somit wahr geworden.

Wie funktioniert der Rosenthal-Effekt?

In beiden Fällen – sowohl mit den Ratten als auch den Menschen – liegt die Erklärung des Rosenthal-Effekts in der Erwartungshaltung. Die Versuchsleiter, die sich intelligenten Ratten gegenüber glaubten, behandelten diese deutlich wärmer und liebevoller und sorgten so dafür, dass diese in angenehmer Atmosphäre mehr Leistung erbringen konnten. Die in der Schulklasse vermeintlich herausragenden Schülerinnen und Schüler wurden von den Lehrkräften besonders gefördert und angespornt, sodass auch bei ihnen eine deutliche Leistungssteigerung eintrat. Beim Rosenthal-Effekt handelt es sich somit in gewisser Weise um eine selbsterfüllende Prophezeiung. In Anlehnung an die griechische Mythologie wird das Phänomen auch als Pygmalion-Effekt bezeichnet. Pygmalion bezeichnet dort einen Bildhauer, der aus Elfenbein eine Frau schnitzt und sich in diese verliebt. Sein innigster Wunsch ist es, dass sie lebendig wird, was dann auch geschieht.

Der Rosenthal-Effekt bedeutet somit, dass es möglich ist, andere Menschen durch positive Erwartungen zu einer Leistungssteigerung anzuspornen. Doch dieser Erwartungseffekt funktioniert auch umgekehrt: Vorurteile und negative Erwartungen können ebenfalls wie eine selbsterfüllende Prophezeiung dafür sorgen, dass jemand unter seinen Leistungen zurückbleibt und keinen Erfolg hat. Dieses Phänomen wird in der Psychologie auch als Golem-Effekt bezeichnet.

Bedeutung des Rosenthal-Effekts für weibliche Führungskräfte

Insbesondere für Frauen in der Arbeitswelt bietet der Rosenthal-Effekt nützliche Erkenntnisse. Die Kraft des Selbstvertrauens und positiven Denkens sollte in der Karriere nicht unterschätzt werden: Wenn es darum geht, sich im Bemühen um einen Job gegen Mitbewerberinnen und Mitbewerber durchzusetzen und womöglich als erste Frau eine Führungsposition im Unternehmen zu besetzen, können Selbstbewusstsein und Optimismus wie eine selbsterfüllende Prophezeiung wirken. Ein positives Mindset kann dazu beitragen, dass ein Bewerbungsgespräch besser verläuft und Kandidatinnen einen besseren Eindruck hinterlassen, als solche, die an sich selbst zweifeln und schon im Vorhinein nicht daran glauben, dass sie den Job bekommen. Selbstzweifel und Minderwertigkeitsgefühle sollten Sie daher ablegen und stattdessen auf sich und Ihre Fähigkeiten vertrauen.

Darüber hinaus können Sie sich den Rosenthal-Effekt auch als Frau in der Führung eines Unternehmens zunutze machen. Indem Sie an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter glauben, große Leistungen von ihnen erwarten und diese anspornen, können Sie dazu beitragen, dass diese über sich hinauswachsen und Ihr Unternehmen Leistungssteigerungen verzeichnet. Ist Ihr Führungsstil hingegen von Vorwürfen, Druck und Vorurteilen geprägt und zweifeln Sie die Kompetenz Ihrer Mitarbeitenden öffentlich oder insgeheim an, tritt womöglich der gegenteilige Golem-Effekt ein und die Leistung bleibt hinter den Erwartungen zurück.

Auch bei der Mitarbeiterbewertung, Feedbackgesprächen und der Entscheidung zu Beförderungen und Gehaltserhöhungen, sollten Sie alle Teammitglieder genau im Blick behalten und sich von zuvor gefestigten Vorurteilen und Meinungen frei machen. Nur dann können Sie Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst objektiv bewerten und sichergehen, dass Sie keinen negativen Erwartungseffekt erzielen.

Im Arbeitsalltag sollten Sie sich des Rosenthal-Effekts und seiner Folgen daher stets bewusst sein. Auf der einen Seite können vorgefertigte Meinungen Ihr objektives Bild von sich selbst und anderen trüben und zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden, indem Sie zum Beispiel nie befördert werden oder als Vorgesetzte nicht alle Mitarbeitenden gleich behandeln und zu guten Leistungen anspornen. Auf der anderen Seite bietet Ihnen der Pygmalion-Effekt ein äußerst nützliches Werkzeug für die Mitarbeiterführung: Indem Sie Ihre Teammitglieder anfeuern, ihre positiven Fähigkeiten hervorheben und ihnen große Erfolge prophezeien, können Sie dafür sorgen, dass bessere Leistungen erbracht werden und Ihre positive Erwartungshaltung durch vorbildliches Verhalten der Belegschaft erfüllt wird. Das ist nicht nur vorteilhaft für die Weiterentwicklung jedes Einzelnen, sondern wirkt sich auch positiv auf den Gesamterfolg Ihres Unternehmens aus.

 

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