Öffentlicher Sektor fährt bei Gleichstellung mit angezogener Handbremse
Der Elan der öffentlichen Unternehmen, mehr Frauen in Führungspositionen zu berufen, ist ins Stocken geraten. In den 424 größten öffentlichen Unternehmen stagniert der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien auf Vorjahresniveau bei 29,7 Prozent. In den Top-Managementorganen sind nur 18,8 Prozent (2017: 17,3 %) Frauen vertreten – ein minimaler Anstieg zum Vorjahr um 1,5 Prozentpunkte. Vergleichbare Werte erzielen die 106 Bundesbeteiligungen. Der Frauenanteil in den Aufsichtsgremien ging hier leicht auf 29,6 Prozent zurück (2017: 29,8 %), in den Top-Managementorganen liegt er bei 17 Prozent (2017: 15,3 %). Dies zeigt der aktuelle Public Women-on-Board-Index von FidAR mit Stand 14.01.2018.
Studie will repräsentativen Querschnitt liefern
Die Studie wird von FidAR unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Ulf Papenfuß von der Zeppelin Universität in Friedrichshafen erstellt. Der Public WoB-Index untersucht einen repräsentativen Querschnitt der Unternehmen der Öffentlichen Hand auf allen föderalen Ebenen, also Bund, Ländern und Kommunen.
„Die öffentlichen Unternehmen haben bei der Gleichstellung eine Vorbildfunktion. Dies gilt in besonderem Maße bei der Zusammensetzung der Führungsgremien. Mit dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst gelten auch erhöhte Anforderungen an die Vielfalt in Aufsichtsgremien und Top-Managementorganen der Unternehmen der Öffentlichen Hand. Bis 2025 wollen wir die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in den Leitungsfunktionen des öffentlichen Dienstes erreichen. Wir erwarten hier deutlich mehr Fortschritte“, betont Bundesfrauenministerin Dr. Franziska Giffey.
Es fehlt der Schwung im Öffentlichen Sektor
„Wir vermissen im Öffentlichen Sektor den Schwung, die Gleichstellung in den Aufsichts- und Managementgremien umzusetzen. Die Beteiligungen von Bund, Ländern und Kommunen stehen noch mehr als die Privatwirtschaft in der Pflicht. Es ist ernüchternd, dass wir drei Jahre nach Inkrafttreten des FüPo-Gesetzes auch hier eine Stagnation und teilweise gar einen Rückgang verzeichnen müssen“, betont FidAR-Präsidentin Monika Schulz-Strelow. „Wir sehen weiterhin erheblichen Handlungsbedarf. Insbesondere Unternehmen, die nach dem Bundesgremienbesetzungsgesetz eine paritätische Zusammensetzung der Gremien anstreben sollten, sind gefordert, die gleichberechtigte Teilhabe in Aufsichtsgremien und im Top-Management umzusetzen. Dass immer noch 7,6 Prozent der Unternehmen des Öffentlichen Sektors frauenfreie Führungsetagen haben (2017: 7,8 %), ist ein Armutszeugnis.“
Wenige Unternehmen sahen Erhöhung des Frauenanteils vor
Nur für zwei der untersuchten öffentlichen Unternehmen gilt die gesetzliche Quote von 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat. 120 der 424 Beteiligungen mussten aber 2015 Zielgrößen für das Aufsichtsgremium, das Top-Managementorgan und die obersten zwei Managementebenen festlegen, weil sie börsennotiert oder mitbestimmt sind. Etwa ein Drittel der 53 Unternehmen, die Zielgrößen definiert haben (32,1 %), plante 2015, den Frauenanteil im Aufsichtsgremium zu erhöhen. Von den lediglich 17 der 120 börsennotierten oder mitbestimmten öffentlichen Unternehmen, die eine Zielgröße für das Top-Managementorgan definiert hatten, sahen nur zwei eine Erhöhung des Frauenanteils vor.
„Der Umgang auch der öffentlichen Beteiligungen mit den Zielgrößen unterstreicht, dass viele Unternehmen nur wenig ambitioniert planen. Die Vorgabe, Zielgrößen für die 1. und 2. Managementebene festzulegen, wird von über drei Viertel der dazu verpflichteten 120 Unternehmen bislang ignoriert. Die Zielgrößen als Instrument des Gesetzgebers zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen bei den Beteiligungen von Bund, Ländern und Kommunen können so keine Wirkung entfalten“, so Schulz-Strelow. „Ohnehin ist der Anteil der Unternehmen, die Zielgrößen definieren müssen, insgesamt sehr gering. Eine Ausweitung der Verpflichtung zur Definition und Veröffentlichung der Planungen zum Frauenanteil und empfindliche Sanktionen bei der Nichteinhaltung der Transparenzpflichten wäre ein notwendiger Schritt, um bei den öffentlichen Unternehmen signifikante Fortschritte und eine größere Breitenwirkung zu erzielen. Hier sind die Gesellschafter aus Bund, Ländern und Kommunen gefordert, die Umsetzung der gleichberechtigten Teilhabe mit Nachdruck zu verfolgen, sonst werden sie unglaubwürdig. Sie haben die Möglichkeit, direkt auf die Aufsichtsräte und Vorstände einzuwirken.“
Auch eine Mitte Juli veröffentlichte Untersuchung der Zeppelin Universität Friedrichshafen zum Frauenanteil im Top-Management von 1529 kommunalen Unternehmen (Stadtwerke, Krankenhäuser) in 69 Städten unterstreicht, dass Frauen nach wie vor unterrepräsentiert sind.
Über den Public WoB-Index
Der Public WoB-Index wird gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die ausführliche Studie zum Public WoB-Index kann unter www.public-wob-index.de eingesehen werden.