Berlinale Special: Nikola Joetze ist Leiterin der Berlinale Talents
„Seit meinem Studium steht für mich die Kultur im Mittelpunkt.“
Nikola, Du hast die Position der Projektleiterin der Berlinale Talents übernommen. Was ist an dieser Aufgabe so reizvoll für Dich?
Zum einen begeistert mich die Vielschichtigkeit der Tätigkeit. Seit meinem Studium steht für mich die Kultur im Mittelpunkt. Ich habe zu Beginn des Studiums als Praktikantin im Haus der Kulturen in Berlin gearbeitet, wo ich die Ausstellung „Heimat Kunst“ in der kuratorischen Abteilung mitbetreut habe. Ich habe in dieser Zeit versucht, den Künstler*innen die Unterstützung zu geben, die sie für die Umsetzung ihrer Arbeit brauchten. Es hat mich zufrieden und glücklich gemacht, Menschen zu befähigen, ihre kulturelle und künstlerische Arbeit zu machen. Das ist es, was ich seit meinem Studium durchziehe, heute würde man das Facilitation nennen, für mich war es 2000 Leidenschaft!
Ich habe auch viel in Mentoring-Programmen gearbeitet, in denen es darum ging, Künstler*innen und Filmemacher*innen zu unterstützen, aber auch Frauen in Führungspositionen zu bringen. Das ist der rote Faden, der sich durch mein ganzes Schaffen zieht. Und es ist das, was mich daran gereizt hat, bei den Berlinale Talents als Projekt Managerin im September anzufangen, denn hier begrüßen wir 200 Talente aus 68 Ländern, um ihnen sechs Tage lang hochkarätige Workshops, Zugang zur internationalen Filmbranche, Mentoring, Networking und Labs zu bieten und sie als Teil der Community der Berlinale Talents zu begrüßen.
Gibt es bei Dir einen Schwerpunkt auf Künstlerinnen?
Für mich ist der Aspekt der Diversität und Vielschichtigkeit sehr wichtig. Mir geht es um das Lernen voneinander und darum, das Gelernte auch weiterzutragen. Die Auswahl der Talents spiegelt diese Diversität sehr gut wider, in diesem Jahr durften wir 200 Talents aus 68 Ländern mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten und Projekten bei uns begrüßen.
Du kommst aus einem durchaus feministischen Kontext, Du warst seit 2021 ehrenamtlich im Verein WAM – Women in Arts and Media e. V. tätig. Bringst Du den hier auf der Berlinale auch ein?
Ich bringe ihn nicht vordergründig ein, sondern unterstütze grundsätzlich meine Teams in Entwicklungsprozessen. Hier ist es mir wichtig, die Fähigkeiten der einzelnen Personen zu stärken und fördern und die Schwarmintelligenz des Teams einzusetzen. Natürlich geht es auch bei den Berlinale Talents darum, junge Frauen zu unterstützen und in Führungspositionen zu bringen. Das machen wir durch Mentoring und Workshops. Das mache ich auch in meinen Coachings: Ich begleite hauptsächlich Frauen, die sich in beruflichen und privaten Transformationsprozessen befinden und auch wenn diese Prozesse nicht einfach sind, bedeuten sie immer ein Empowerment. Das würde ich als feministisch bezeichnen, weil es hier darum geht, alle Perspektiven zu sehen und miteinzubringen und allen die gleichen Chancen und Möglichkeiten zu bieten und gleichzeitig alte Muster abzubauen.
Ich arbeite in einem Team, das aus 80 % Frauen besteht. Das ist in der Kultur oft so.
Kommen wir zur Berlinale zurück: Wie bist Du da hingekommen, wo Du jetzt bist?
Ursprünglich bin ich davon ausgegangen, dass ich in die Kuration gehe, in den Ausstellungsbereich. Ich habe dann aber gemerkt, dass ich neben der inhaltlichen Gestaltung und dem Projektmanagement auch eine starke Affinität für Finanzen habe und gut verhandeln kann. Mir liegt viel an der internationalen Projektarbeit. Lange Jahre habe ich in der Europäischen Film Akademie (EFA) gearbeitet, was eine große und wunderschöne Herausforderung war, da ich große Projekte umgesetzt und Teams im europäischen Ausland geleitet habe. Aber die Mentoring Projekte der EFA waren mir ebenso wichtig, hier wurden Filmemacher*innen gefördert.
Die Förderung von internationalen Künstler*innen hat sich auch in meinem innovativen Kunstprojekt Driving the Human wiedergefunden. Und so schien es logisch, sich für die Projektleitung der Berlinale Talents zu bewerben. Ich glaube fest daran, dass die Filme, die wir unter anderem auf der Berlinale sehen und die Künstler*innen, die wir unterstützen, unsere Welt prägen.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit Florian Weghorn? Welche Herausforderungen musstet Ihr als neue Doppelspitze meistern?
Die Zusammenarbeit ist von Anfang an sehr harmonisch und wir ergänzen uns sehr erfolgreich. Wir stimmen uns eng ab, bringen aber auch unterschiedliche Perspektiven ein. Es war eher eine Herausforderung für mich, in die Fußstapfen meiner Vorgängerin zu treten, die 16 Jahre das Projekt geleitet hat. Es gab vertraute Abläufe, in die ich hineinkommen musste. Es war auch für das Team nicht leicht, nach dieser langen Zeit mit dem Wechsel umzugehen, aber wir haben uns wunderbar neu weiterentwickelt und freuen uns auf die kommenden Projekte. Der Zuspruch aus dem Team ist sehr positiv.
Und gibt es natürlich die momentane politische Situation, was ein Projekt wie die Berlinale Talents mit 200 Menschen aus 68 Ländern nicht unberührt lässt. Es geht nicht vordergründig um Politik, aber es geht um Austausch, und um das Miteinander ins Gespräch kommen und dies vor dem Hintergrund der vielen weltweiten Krisen und Kriege, die auch die Themen der Filmprojekte der Talents bestimmen. Einige der Talents kommen aus Krisengebieten. Für sie ist es ebenfalls angespannt in diese Situation nach Berlin zu kommen, sie bringen ihre jeweils individuellen Erlebnisse mit. Unser Team ist darauf vorbereitet. Und bis jetzt haben wir es sehr gut gemeistert, die Community der Talents mit all ihren unterschiedlichen Realitäten zusammenzubringen. Der Gedanke voneinander lernen zu können ist wichtig und auch das offene Gespräch.
Kommen wir noch einmal auf die Doppelsitze. Welch Synergien haben sich ergeben?
Da ich im September, in der heißen Vorbereitungsphase der Berlinale Talents, angefangen habe, waren die Veränderungen hauptsächlich in den Formaten sichtbar. Wir konnten uns hier viel weiter entwickeln und auch wichtige Partner gewinnen.
Nach dem Festival werden wir uns die Möglichkeit der Weiterentwicklung des Netzwerks der Berlinale Talents International ansehen, denn Berlinale Talents findet nicht nur in Berlin statt, sondern auch in Tokio, Durban, Rio de Janeiro, Guadalajara, Sarajevo und Beirut mit Trainingsprogrammen aktiv.
Zusätzlich bietet unsere Community von über 10.000 Alumni die Möglichkeit, weitere Projekte zu planen und ihre Einbindung und Sichtbarkeit zu fördern. Es freut uns sehr, dass momentan 118 Alumni auf dem Festival mit Filmen in den verschiedenen Sektionen von Wettbewerb bis Forumvertreten sind. Wir wollen versuchen, die Alumni noch enger an das Festival zu binden und gemeinsam mit ihnen ein noch stärkeres Programm aufzubauen. Viele von ihnen sind durch Residency Programme in Berlin, hier können neue Akzente gesetzt werden. Das macht viel Spaß. Auch der Austausch mit dem Team ist hier sehr eng, da wir erfassen wollen, was die DNA der Berlinale Talents ausmacht und wo wir diese noch weiter ausbauen können. Eine Idee ist, auch die Berliner*innen mehr in das Thema ein zubinden.
„Beschränkt“ sich die Förderung und die Ausweitung nur auf Berlin? Oder soll es noch weitere Fördermöglichkeiten geben? Habt Ihr da schon Ideen?
Absolut! Wir denken ganz groß! Das Residency Programm, könnte man weiter ausarbeiten und auch Berlinale Talents International soll sichtbarer werden. Denn das Besondere an Berlinale Talents sind die starken internationalen Netzwerke der Partner und Talents, die das Projekt seit über 20 Jahren begleiten.
Ideen haben wir genug!
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