Büroalltag

Erfolgsfaktor Familie: Homeoffice 2.0 – was bleibt vom Corona-Office?

Von Dr. Dagmar Weßler-Poßberg

Homeoffice ist mittlerweile ein Buzz-Word. Es lässt niemanden kalt. Jeder hat seine Erfahrungen mit dem Arbeiten in den eigenen vier Wänden gemacht oder davon gehört und sich eine Meinung gebildet. In vielen Unternehmen haben sich klare Abläufe für das Arbeiten zu Hause eingespielt. Treffen finden digital statt und auch digitale Lunch-Verabredungen sind schon fast Normalität. Aber nicht überall funktioniert das Homeoffice reibungslos. Während in der Zeit der Lockerungen nach dem ersten Lockdown im Sommer 2020 die Euphorie über neu entdeckte Möglichkeiten für die Arbeitsorganisation und Zeiteinteilung überwog, hat sich neben den vielen guten Erfahrungen auch eine gewisse Homeoffice-Müdigkeit oder -Skepsis breit gemacht.

Warum läuft es nicht immer rund im Homeoffice?

Nicht überall waren die technischen Voraussetzungen von Anfang optimal. Beschäftigte und Führungskräfte sind nicht oder schlecht auf neuinstallierte Kommunikationstools vorbereitet gewesen, und nicht überall gab oder gibt es ausreichend Zeit und Unterstützung, um den Umgang damit zu erlernen. Neben technischen Eingewöhnungsschwierigkeiten sind es aber vor allem neue Erfahrungen von Distanz und Nähe im Homeoffice, die eingeordnet werden müssen:

  • Für erwerbstätige Eltern verschwinden die räumlichen und zeitlichen Grenzen zwischen Beruf und Familie. Das Homeoffice ist deutlich mehr Home als Office: Das Wohnzimmer ist Arbeitszimmer, Schule und Spielzimmer zugleich und soll abends noch Raum für Erholung bieten. Nicht selten mündet dies in Überstunden oder Mehrarbeit.
  • Führungskräfte hingegen müssen neue räumliche Grenzen überwinden und Führen aus der Distanz lernen, da der schnelle Eindruck in Tür- und Angelgesprächen unmöglich ist.

Möglicherweise führte das dazu, dass der Anteil der Beschäftigten, die im ersten Lockdown im April 2020 die Möglichkeiten zum Homeoffice nutzen konnten, im November 2020 wieder auf gut die Hälfte der Befragten sank. Wird sich die bei der Mehrheit der Befragten (71 Prozent) dennoch bestehende Erwartung, dass Homeoffice in Zukunft weiter verbreitet sein wird, erfüllen oder nicht?

Wie kann nach der Pandemie aus dem Feldversuch ein zukunftsweisendes Konzept entstehen?

Erste Stimmen rufen, nach dem Lockdown wieder auf überwiegende Präsenz im Betrieb zu setzen. Anderen Unternehmen ist der Wechsel zum Homeoffice nicht sehr schwergefallen, und die Mehrheit geht laut einer Befragung des ifo Instituts davon aus, dass sie langfristig mehr Homeoffice nutzen wollen. Fakt ist: Die Erfahrungen mit dem Homeoffice in der Pandemie werden die Arbeitsweise von morgen beeinflussen. Sie sind Investitionen in die Zukunft und bieten Chancen für Unternehmen und Beschäftigte – wenn das „Corona-Office“ zu einem vereinbarkeitsfreundlichen Homeoffice weiterentwickelt wird.

Gelingendes Homeoffice ist kein Selbstläufer, sondern erfordert Umdenken, konzeptionelle Arbeit und viel Austausch zwischen Arbeitgebern, Führungskräften und Beschäftigten. Grundvoraussetzung ist zunächst einmal eine wieder voll funktionsfähige Betreuungs- und Bildungsinfrastruktur. Homeoffice ist kein Ersatz für Kitas oder Schulen.

Fünf Punkte sind dabei zentral:

  1. Weder ganz noch gar nicht: Möglichkeiten und Grenzen einzelner Tätigkeiten in den eigenen vier Wänden diskutieren und realistisch einschätzen. Während in der Pandemie viele zu 100 % zu Hause arbeiten (sollen), wird es in der Folge wieder um die bewährten alternierenden Homeoffice Modelle gehen. Denn Beschäftigte wollen gar nicht ganz auf die Arbeit im Betrieb und das Zusammensein mit Kolleginnen und Kollegen verzichten. Vielmehr wird die Möglichkeit zu Hause oder mobil zu arbeiten, von Männern und Frauen als ergänzende Option gewünscht, um Fahrtzeiten zu sparen und zeitliche Abläufe in der Familie besser mit den beruflichen Aufgaben synchronisieren zu können. Das kommt nicht zuletzt auch der Produktivität zugute, denn entspannte und zufriedene Beschäftigte können sich besser auf ihre Aufgaben konzentrieren. Unternehmen wie Siemens und die Allianz machen es vor. Die Vorteile des mobilen Arbeitens können nicht nur in der eigenen Wohnung realisiert werden. Neue Konzepte für eine flexible Arbeitsortswahl – zum Beispiel auch in näher am Wohnort gelegenen firmeneigenen Büros außerhalb der großen Firmenstandorte –sind schon in Planung.
  2. Nicht für alle: auf der Basis einer ehrlichen Auswertung der Erfahrungen beim „wie“ aber gegebenenfalls auch beim „ob“ nachjustieren. Im Kontext von „Corona-Office“ wird von Einbußen bei der Arbeitseffizienz berichtet – sowohl von Personalerinnen und Personalern als auch von Beschäftigten selbst. Diese entstehen angesichts der Krisenbedingungen aber häufig im Zusammenhang mit technischen und organisatorischen Umsetzungsschwierigkeiten und fehlender Kinderbetreuung. Während letzteres hoffentlich bald der Vergangenheit angehört, gilt es zukünftig, technische Lösungen zu überprüfen, konsequent zu nutzen und Führungskräfte sowie Beschäftigte darin zu schulen. . Effizientes und effektives Arbeiten im Homeoffice „will geübt sein“, das verdeutlichen gute Erfahrungen von Beschäftigten, die schon vor der Corona-Krise im Homeoffice arbeiten konnten. Neben dem Mut zu neuen Erfahrungen muss auch Zeit dafür sein, hinzuschauen für welche Arbeitsaufgaben und welche Personen das Homeoffice eine passende Arbeitsumgebung ist. Dafür bietet sich eine Checkliste an, die dabei hilft, technische, organisatorischen und arbeitspsychologische Fragen z. B. nach der Selbstregulation mit den Beschäftigten gemeinsam zu klären. Wenn beide Seiten nach einer definierten „Probezeit“ mit dem Ergebnis nicht zufrieden sind, sollte evaluiert werden, wie für eine höhere Arbeitszufriedenheit aller Beteiligten gesorgt werden.
  3. Gemeinsam geht es besser: Verantwortung für gute Arbeitsleistung teilen. Sorgen vor Entgrenzung einerseits und fehlenden Abstimmungsmöglichkeiten andererseits können durch gemeinsam gestaltete Regeln für die Verfügbarkeit im Homeoffice reduziert werden. Beschäftigte können ihren Beitrag dazu leisten, wenn sie auch im Homeoffice ihre Arbeitszeiten dokumentieren und mit ihren Vorgesetzten klären, welche Aufgaben bis wann abgeschlossen werden. Eine klare Taktung der Arbeitszeit und der Zeiten für private Tätigkeiten helfen für ein gesundes Grenzmanagement. Auch im Homeoffice ist eine gute Büroausstattung ein wichtiger Faktor für die Gesundheit der Beschäftigten und für ihre Leistungsfähigkeit. Die Verpflichtung zur  Gefährdungsbeurteilung für die Arbeit in den eigenen vier Wänden sollte nicht als lästige Pflicht angesehen werden – sondern vor allem als Chance, die richtigen Maßnahmen zu finden, um Risiken und deren negative Folgen zu vermeiden.
  4. Abschied von Präsenz-Kultur nehmen: Führungskräfte bei der Entwicklung neuer Führungsmodelle begleiten. Früher galt: Die Anwesenheit im Betrieb sichert die Einbindung der Beschäftigten in Teams, die Aufgabenkontrolle und nicht zuletzt auch den eigenen Führungserfolg. Das neue Führen auf Distanz ist keine Naturbegabung und stellt die Wirksamkeit mancher bisher vertrauter Führungsinstrumente infrage. Ein wichtiger Punkt auf dem Weg zu einem zukunftsweisenden Homeoffice-Modell ist daher die Unterstützung und Schulung virtueller Führungskompetenz – oder modern formuliert: Kompetenzen des Digital Leaderships. Beschäftigte, deren Chefs und Chefinnen kompetent in der virtuellen Kommunikation sind, sind produktiver und zufriedener und empfinden weniger Stress.
  5. Gleiche Chancen für alle: Leistung im Homeoffice als gleichwertig anerkennen. Vor allem Mütter nutzen das Homeoffice dazu, um durch verkürzte Wegezeiten mehr Zeit für die Kinderbetreuung und familiäre Belange zu haben. Damit hilft mobiles Arbeiten zwar bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, es kann zugleich aber auch die klassische Rollenverteilung zwischen Frauen und Männern verstärken und zu Karrierenachteilen führen. Dies liegt nicht im Interesse der Unternehmen, die auf die Kompetenzen ihrer Mitarbeiterinnen angewiesen sind. Dagegen helfen können klare Regelungen, was Aufgaben und Erreichbarkeit angeht, und mehr Möglichkeiten für Väter, sich um ihre Kinder zu kümmern. Auch sollten die transparente Verteilung von Verantwortlichkeiten und die Rückmeldung zu erfüllten Aufgaben zum regelmäßigen Bestandteil von Teamgesprächen gehören. Dazu gehört auch, dass die Arbeit im Homeoffice sichtbar gemacht wird und eine angemessene Anerkennung findet – auch was die berufliche Weiterentwicklung betrifft.

Das „Corona-Office“ war der Ausnahmesituation in der Pandemie geschuldet und hat Eltern häufig an den Rand ihrer Belastbarkeit gebracht. Gleichzeitig wurde damit ein Kulturwandel in vielen Unternehmen und in den Köpfen von Führungskräften ausgelöst. Die positiven und negativen Erfahrungen sollten wir jetzt auf den Prüfstand stellen und daraus für ein zukunftsweisendes, vereinbarkeitsfreundliches Homeoffice lernen. Die Ansätze dafür liegen nun auf der Hand – nutzen wir sie und werden fit für eine vielfältigere Arbeitswelt, die mehr Chancen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet.

 

Über die Autorin
Dr. Dagmar Weßler-Poßberg (Dipl. Sozialwirtin) hat ihre Arbeitsschwerpunkte in der Prozessgestaltung, Koordination und Begleitungen von Programmen der Bundes- und Landespolitik und in der Wirtschaft. Sie arbeitet unter anderen für das Unternehmensprogramm „Erfolgsfaktor Familie“ des Bundesfamilienministeriums. .

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