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Christian Steiger: „Das Bild des Gründers ist stereotyp männlich gefestigt“

Wer gründet, benötigt finanzielle Mittel. Dass diese unter den Geschlechtern immer noch ungleich verteilt sind, ist hinlänglich bekannt. SHE works! sprach mit Christian Steiger, CEO von Lexware, und Carina Frings, ehemalige Co-Founderin und Designerin des Start-ups Cadios GmbH über das Problem.

Bei der Gründung des eigenen Unternehmens stehen Gründer* innen innovativer Start-ups immer noch weniger finanzielle Mittel zur Verfügung als ihren männlichen Kollegen, Herr Steiger, haben Sie eine Erklärung dafür?

Das Bild des Gründers ist – leider – noch immer als stereotyp männlich gefestigt und hat auch Einfluss auf Investments. Harvard Business Review berichtete 2020 von einer Studie, laut der ein und derselbe Pitch weniger Investments erhält, wenn er von einer Frau vorgetragen wird. Es zeigt sich jedoch, dass von Frauen gegründete Unternehmen insgesamt nachhaltiger und laut einer Untersuchung der Boston Consulting Group sogar wirtschaftlich erfolgreicher sind. Vielleicht sind es die alten Rollenbilder, warum Gründungsvorhaben von Männern bevorzugt werden.

Man bekommt so eigentlich immer wieder den Eindruck gespiegelt, dass viele Kapitalgeber der Meinung sind, dass Frauen nicht mit Geld umgehen können.

Diesen Eindruck erhält man – dabei ist es tendenziell genau andersherum: Die Boston Consulting Group untersuchte weibliche Start-ups und stellte fest, dass sie innerhalb eines Fünfjahreszeitraums trotz größerer Herausforderungen wie geringere Finanzierungsrunden 10 Prozent höhere kumulierte Umsätze als die männlichen Start-ups erzielten. Insgesamt belief sich das auf einen Erlös von 78 Cent pro investierten Dollar, bei männlichen Gründern auf lediglich 31 Cent.
Hinzu kommt, dass Frauen eine geringere Risikobereitschaft nachgesagt wird. All das basiert auf Stereotypen und alten Rollenbildern, die wiederum zu unterschiedlichen Bildungsverläufen und Einschätzung der eigenen Skills führen. Das lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Hier müssen wir schon bei den Kindern und deren Eltern ansetzen, um zu sensibilisieren, weibliche Rollenvorbilder sichtbar zu machen und Themen wie Finanzbildung sowie Entrepreneurship Education früh in der Bildung zu berücksichtigen.

Frau Frings, Sie haben gegründet. Wie fühlten Sie sich mit Ihrem Finanzwissen aufgestellt?

Ich habe Design studiert und während des Studiums gegründet. Der Studienplan beinhaltete einen betriebswirtschaftlichen Kurs, jedoch würde ich nicht sagen, dass dieser Kurs mein Finanzwissen auf den Stand für eine Unternehmensgründung gebracht hat. Generell würde ich sagen, dass die Finanzbildung auch bei unserer schulischen Ausbildung zu kurz kommt. Ein Start-up gründen ist 50/50 Learning by Doing. Man kann zudem sagen, dass man immer noch am meisten lernt, wenn man einen Fehler macht.

Eine Erkenntnis der Deutschen Förderbank KfW spricht in diesem Rahmen sogar von einem Gender Funding Gap, der auch durch den Female Founders Monitor des Start-up-Verbandes untermauert wird. Wie kann man Ihrer Meinung hier entgegenwirken?

Männer investieren eher in Männer, Frauen eher in Frauen. Das liest man immer wieder und es ist nachvollziehbar, dass Menschen von Ähnlichkeit angezogen werden, ganz unabhängig von Geschlecht, Kultur und Herkunft. Somit entstehen in letzter Zeit immer mehr Initiativen von Investorinnen, die explizit Frauen fördern wollen. Das ist gut, kann allein aber nicht die Antwort sein: Neben der Beseitigung alter Rollenbilder und Stereotypen sehe ich den Schlüssel im Bereich der Stärkung des Finanzwissens – denn auch das ist für Frauen eine der zentralen Gründungsbarrieren. Sie schätzen sich laut KfW-Start-up-Report 2021 bei gleichem Leistungsniveau systematisch schlechter ein als Männer. Ganz besonders wichtig und wirkungsvoll ist der Bereich Inspiration und Sichtbarkeit: Wir brauchen mehr positive Beispiele von Gründerinnen und Frauen, die es geschafft haben, um andere zu ermutigen, es ihnen nachzutun.

Was für ein Finanzwissen braucht es, um ein Start-up zu gründen?

Eine Firmengründung verursacht immer Kosten. Eine pauschale Kalkulation ist meistens nicht möglich, da sie stark von der Rechtsform und individuellen Ansprüchen abhängt. Eines vereint jedoch alle Gründungsszenarien: Ein Unternehmen gründen heißt Kosten zu akzeptieren. Wichtig ist daher zu planen, welche Aufwände Gründenden begegnen, welche Voraussetzungen für eine Firmengründung erfüllt sein sollten und wie gleich am Anfang Kosten geplant werden müssen, um Liquiditätsprobleme zu vermeiden.
Nicht alle Existenzgründer*innen haben für die Gründung direkt ausreichend Geld. Wer kein Eigenkapital hat, der muss ins Gespräch mit Banken oder Investor*innen gehen und sich mit einem guten Geschäftsmodell und Business-Plan darauf vorbereiten. Informationen, welche Fördermittel infrage kommen, sollten ebenfalls eingeholt werden.

Christian Steiger: "Das Bild des Gründers ist stereotyp männlich gefestigt"

Christian Steiger ist Geschäftsführer von Lexware, einem Unternehmen der Haufe Group SE. Der Diplom-Informatiker ist verantwortlich für die Zielgruppe der kleinen und mittelständischen Unternehmen, bei denen Lexware mit seinen kaufmännischen Software-Lösungen Marktführer ist. Als Founder der Cloud-Buchhaltungslösung lexoffice ist Steigers wesentliches Ziel der strategische Ausbau des lexoffice SaaS-Ökosystems zum Beziehungsmacher und digitalen Berater, insbesondere in Richtung Automatisierung, Banking und Finance. Foto Jigal Fichtner

 

Und wie ist das tatsächliche Finanzwissen von weiblichen Gründern, Herr Steiger?

Studien wie der KfW-Start-up-Report 2021 legen nahe, dass Gründer*innen über das gleiche Level an Finanzwissen verfügen – Frauen sich jedoch bei gleichem Niveau systematisch schlechter einschätzen. Generell sollte Finanzwissen schon früh vermittelt werden – am besten schon in der Schule. Denn Finanzwissen, auch das zeigt der KfW-Report, reduziert Gründungsbarrieren: Es objektiviert die Wahrnehmung des finanziellen Risikos, womit es besser eingeordnet werden kann, hilft, die Gründungsfinanzierung sicherzustellen und reduziert die Angst vor dem Scheitern.

Was hat Ihnen gefehlt, Frau Frings?

Ich hätte gerne mehr Fachwissen zu steuerlichen Angelegenheiten gehabt. Auch wenn beispielsweise die Buchhaltung über externe Dienstleister beauftragt wird, schadet es nicht, das Wissen über den gesamten Prozess zu haben. Ich muss zugeben, dass ich mich dabei zu oft auf andere verlassen habe, ohne selbst ausreichend darüber informiert zu sein. Aber auch das ist ein Learning.

Herr Steiger, was bietet Lexware als Hilfestellung in dieser beruflichen Situation an?

Wir haben eine eigene Gründungsinitiative, die neben kostenlosen Informationen auch ein wachsendes Netzwerk an Mentor*innen und anderen Gründer*innen bereithält, die beim Start in die Selbstständigkeit helfen. Außerdem bieten wir Gründenden unsere Buchhaltungslösung lexoffice ein Jahr lang kostenlos an. Denn eine Buchhaltungslösung ist vom Start weg wichtig, um die Finanzen von Anfang an im Griff zu haben, den Überblick zu behalten und aktiv steuern zu können – was insbesondere in der Krise wichtig ist.
Daneben haben wir mit Tell Your Story ein reichweitenstarkes Format, in dem wir Gründer*innen und Unternehmer*innen die Bühne überlassen. Generell lassen wir gerne Unternehmen sprechen, statt uns in den Fokus zu rücken.
Und natürlich ist auch unser Netzwerk mit Partnern und Steuerberatenden eine enorme Hilfe, um gut in die Selbstständigkeit zu starten.

Wie hat Lexware Sie bei der Unternehmenssteuerung unterstützt, Frau Frings?

Christian Steiger: "Das Bild des Gründers ist stereotyp männlich gefestigt"

Carina Frings war Co-Founderin und Designerin des Start-ups Cadios GmbH, das mit UDO im Jahr 2017 einen Coffee-to-go-Mehrwegdeckel kreiert hat. Damit wollte sie zu einem nachhaltigen und gesellschaftlichen Bewusstseinswandel beitragen. Später gewann das Unternehmen im VOX-Fernsehformat »Die Höhle der Löwen« die Unterstützung des Unternehmers Ralf Dümmel und vertrieb UDO anschließend deutschlandweit. Im Sommer 2022 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Seither ist Carina u.a. als Content Creator für die Lexware Gründungsinitiative LEXROCKET tätig. Foto Carina Frings

Ich durfte im Rahmen der Gründungsinitiative von Lexware an einem der Super-Start-up Adventure Camps teilnehmen. Dort hatte ich nicht nur die Möglichkeit, mich mit anderen Start-ups zu vernetzen und fachlich auszutauschen. In Workshops mit Mentor*innen haben wir uns die finanzielle Situation jedes Start-ups im Praktischen angenommen. Das hat mir vor allem das Gefühl gegeben, dass ich nicht die Einzige bin, die struggelt. Die Erfahrungen und Tipps der anderen Teilnehmer*innen haben mich bestärkt und ermutigt.

Ihr Unternehmen, Frau Frings, musste im Sommer Insolvenz anmelden. Wie kam es dazu und welche Lehren hast du daraus gezogen?

Es sind meistens mehrere Punkte, die zu einer Insolvenz führen. Los geht es meist schon bei der Planung und Struktur, die für mich jetzt das A und O sind.

Bei uns war es ein Mix aus zu viel Wareneinkauf, zu wenig Warenverkäufen, zu schnellem Wachstum bis hin zur Zahlungsunfähigkeit und schlussendlich simple Überforderung. Wenn ich es in einem Wort beschreiben müsste, dann wäre das wohl: Chaos.

Ich würde die geschäftliche Insolvenz nie als negativ bezeichnen, sondern mittlerweile als mein größtes Learning überhaupt. Ich bin froh, dass ich behaupten kann, dass ich den Lebenszyklus eines Unternehmens von Anfang bis zum Ende kenne. Damit bin ich vielen erfahrenen Unternehmer*innen einen großen Schritt voraus – nicht nur unternehmerisch, vor allem auch persönlich.

Wir als Gesellschaft sollten dem Thema einen größeren Raum geben. Leider ist es immer noch so, dass dort, wo gescheitert wird, niemand kommuniziert. Das würde ich gerne ändern. Vielleicht denkt ihr das nicht im ersten Moment, aber Scheitern ist positiv und ich bin immer noch am Aufräumen.

Herr Steiger, Frau Frings, vielen Dank für das Gespräch!

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