Gründerinnen im Porträt

MISSOIR: Das Hockurinal ohne Wasserverbrauch

Lena Olvedi ist die Gründerin von MISSOIR. Missoir ist das Hockurinal ohne Wasserverbrauch für Frauen/FLINTA (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans- und agender Personen). Missoir ist aus Edelstahl und ist im Boden eingelassen und ermöglicht so die natürliche Hockhaltung für eine kontaktlose Nutzung, seitliche Haltestangen geben zusätzlichen Komfort falls gewünscht. Mülleimer und Toilettenpapierspender, sowie ein Kleiderhaken mit extra großen Haken runden das Missoir Set ab. Missoir ist somit das überfällige Pendant zum Pissoir der Stehpinkler und gleichberechtigte Wahlmöglichkeit zur Toilettenschüssel, für alle, denen bisher die Vorteile eines Pissoirs verwehrt geblieben sind.

Lena Olvedi ist Titelträgerin 2023/24 der Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland.

Was ist die Besonderheit Ihres Start-ups?

Missoir ist das erste Hockurinal für Frauen/FLINTA seiner Art. Eigentlich verrückt, dass es bisher nur Urinale für Stehpinkler gab, und das möchte ich mit Missoir ändern – we pee too. Das Pissoir ist zu Recht seit 200 Jahren überall aufzufinden, denn öffentliche Toiletten werden hauptsächlich zum Urinieren aufgesucht. Aber gibt es nur Urinale, die nur für 50 Prozent der Menschen zugänglich sind? Frauen/FLINTA müssen aus ganz natürlichen Gründen (kleinere Blase durch Gebärmutter, Periode, öfter Blasenentzündung, etc.) sogar öfter pullern als Männer, aber sie werden in einem alltäglichen und unaufschiebbaren Grundbedürfnis unsichtbar gemacht. Stattdessen stehen wir erst in langen Warteschlangen und machen dann umständliche “Aklobatik” über der Kloschüssel, nur um kurz zu pullern. Das Urinal muss sich uns anpassen und nicht andersherum, wir pullern nun mal in der Hocke, deswegen ist Missoir made by a woman for women.

Zudem ist Missoir ein umweltfreundliches Trockenurinal ohne Wasserverbrauch, denn Gleichberechtigung und Nachhaltigkeit sind mir gleichermaßen wichtig. Herkömmliche Spültoiletten verbrauchen für ca. 200 ml Pipi nämlich bis zu 10 Liter wertvolles Wasser. Das ist schrecklich und angesichts des Klimawandels und Dürrezeiten, denn Wasser ist die wertvollste Ressource der Welt und wir spülen sie täglich unnötig im Klo runter. Urinale verbrauchen deutlich weniger Wasser und noch besser sind Trockenurinale wie Missoir, da sie gar kein Wasser verbrauchen. Es gibt nachhaltige und gute Lösungen, sie müssen nur eingesetzt werden.

Was sind Ihre bisherigen Meilensteine seit der Gründung beziehungsweise seit der ersten Idee des Projekts?

In den ersten Jahren war der erste große Schritt, neben meiner Festanstellung die ersten Prototypen zu bauen, Schutzrechte anzumelden und Missoir zu gründen..
Ein großer Meilenstein war die Eröffnung der 12 öffentlichen Missoirs in Kooperation mit EcoToiletten GmbH in Berlin – die ersten gendergerechten City Toiletten! Danach folgten die ersten Club Missoirs wie im Südpol Hamburg sowie in der Alten Münze, im Prisma Club und im Berghain in Berlin. Der nächste Meilenstein passiert jetzt gerade, welcher das ist, erfahrt ihr bald!

Was motiviert Sie?

Meine tägliche Motivation sind die happy faces, das enorm gute Feedback und all die lieben Nachrichten die ich erhalte. Als ich mit den Mobilen Missoir auf Festivals war, ihre leuchtenden und dankbaren Augen gesehen habe, obwohl sie „nur” pullern waren, weiß ich, warum ich Missoir mache und täglich für Peequality kämpfe.

Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?

Ich habe Übersetzung gelernt, aber nie darin gearbeitet. Nach dem Abschluss bin ich direkt in die Fernsehbranche eingestiegen und habe hinter den Kulissen in den Abteilungen Requisite und später Location (Drehorte) gearbeitet. Ich war jahrelang festangestellt und wollte eigentlich nie selbständig sein, bis Missoir in mein Leben trat und es gar nicht anders ging. 2020 habe ich Missoir gegründet und seitdem habe ich Pipi im Blut und Missoir im Herzen.

Was war für Sie der Auslöser, ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Als ich Missoir anfing, hatte ich keine feministischen, gesellschaftlichen oder politischen Hintergründe. Ich wollte einfach nur schnell pinkeln und das Event genießen, anstatt mal wieder eine halbe Ewigkeit in einer Warteschlange zu stehen. Dass Missoir so viel mehr ist als Pinkeln, merkte ich erst bei meinen Recherchen und vor allem an all den dankbaren Menschen, die Missoir genutzt haben. Als ich 2019 mit meinem Prototyp auf einem großen Festival war und ich literally vier Tage nur Pipi in den Augen hatte, weil das Feedback einfach unglaublich gut war und ich mit so viel Dankbarkeit überflutet wurde, war mir klar, dass ich aus meinem Herzensprojekt mehr machen muss, und dass ich etwas in der Welt verändern möchte. Zurück in Berlin habe ich mich alleine, branchenfremd und ohne Kapital, jedoch mit größter Leidenschaft selbständig gemacht. Ein Mutausbruch folgte dem anderen und ich bin sehr an mir gewachsen, was voll schön ist.

Wer hat Sie beraten, wer sind Ihre Helfer*innen und Mentor*innen?

Da ich branchenfremd war, musste ich mir sehr viel selbst aneignen, habe viel gelernt und aus eigener Kraft gewuppt. Nach Hilfe fragen fiel mir sehr schwer und bis heute ist Missoir quasi eine one woman show. Doch es gab immer wieder sehr wichtige Menschen in meinem Missoir Leben, ohne die ich nicht da wäre, wo Missoir heute steht. Großen Dank gilt Andreas J., der mir in den ersten Jahren so viel geholfen hat und aus meinen einfachen Skizzen die ersten CAD Zeichnungen und somit aus meiner Idee das erste Missoir gebaut hat. Nike Wessel von Studio 36, die mir einen Büroplatz ermöglichte und mich auf vielen Ebenen unterstützt, bin ich ewig dankbar. EcoToiletten GmbH, die seit der ersten Stunde an mich geglaubt haben und dadurch die ersten öffentlichen Missoirs in Berlin gibt. Dazu viele weitere tolle Menschen, die mich unterstützt und geholfen haben. Dafür bin ich unendlich dankbar und werde diese Menschen immer in meinem Herzen tragen.

Was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?

Davon gab es unendlich viele. Ohne Know-how zu gründen, war sicherlich die erste. Ich wusste, Selbstständigkeit wird nicht leicht, doch dass nur wenige Wochen später eine Pandemie die komplette Eventbranche und Welt brachlegt, war heftig. Doch aufgeben war nie eine Option. Irgendwann ist die Pandemie vorbei und gepullert wird immer. Dann kamen die ersten Festivalsaisons mit den Mobilen Missoirs und ich habe auf einmal ein großes Team geleitet und eine erfolgreiche Vermietung auf die Beine gestellt.

Wie machen Sie auf Ihr Unternehmen aufmerksam?

Wegen der Pandemie gab es ja keine Veranstaltungen und die Warteschlangen waren nicht vor Toiletten, sondern vor Impf- und Testzentren. Daher gab mir damals die Plattform Instagram die Möglichkeit, mich mit Menschen zu verbinden, um Pisskrimierung und Peequality aufzuzeigen. Danach war ich mit den Mobilen Missoirs auf Festivals, um Missoir bekannter zu machen. Ich hatte einige schöne Interviews und positive Presseberichte und bin dankbar dafür, weil so über ein Tabuthema geredet wird, was eigentlich keins sein sollte.

Was ist Ihre beste Vermarktungsidee?

Mir wurde oft gesagt, dass ich gutes Marketing mache, was mich sehr ehrt und freut, denn ich hatte keine Ahnung davon und habe mir vieles selbst beigebracht. Ich liebe Wortspiele, das habe ich von meinem Papa, und möchte mit Wortwitz und Humor ein schambehaftetes Thema enttabuisieren.

Welchen Traum möchten Sie mit Ihrem Unternehmen/Projekt verwirklichen?

Mein Traum ist es, dass Missoirs genauso normal und Standard werden, wie es das Pissoir für die Stehpinkler seit zwei Jahrhunderten ist. Dass sich weiblich gelesene Menschen für etwas Natürliches wie kurz Pipi machen nicht mehr schämen, verstecken oder ewig anstehen müssen. Für ein Stückchen mehr Gleichberechtigung und Freiheit in dieser Welt.

Was macht Sie als Unternehmer*innen-Persönlichkeit aus?

Ich denke meine brennende Leidenschaft für die Mission Missoir, die seit dem ersten Tag der Ideenfindung und bis heute andauert. Ich habe schon als Angestellte immer 100 Prozent gegeben, war stets lern- und wissbegierig. Dass ich für mein Herzensprojekt noch mehr gebe, war irgendwie klar. Ich liebe den Kontakt mit Menschen, Kund*innen und habe hohe Ansprüche an mich, mein Produkt und möchte die Welt besser machen. Das Lernen und Wachsen hört nie auf und ich bin gespannt wie die Reise mit Missoir weitergeht.

Ihr Tipp: Was würden Sie anderen Gründerinnen empfehlen?

Einfach machen – wie im Leben so gilt das auch auf dem Klo 😉 Wenn du für etwas brennst oder träumst, trau dich, spring über deinen Schatten und tu es. Es gibt keine Fehler, nur Learnings. Jeder Anfang ist schwer, aber nichts erfüllt mehr, als jeden Tag das zu tun, was man liebt.

Vielen Dank!

Hier geht es direkt zur Website von MISSOIR: www.missoir.de

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