Berlinale 2024

Berlinale Special: Maria Zreik ist Schauspielerin

„Hallo, ich bin Schauspielerin. Wollen wir zusammenarbeiten?“

Maria, du bist zum ersten Mal auf der Berlinale. Wie gefällt es dir bisher?

Es ist für mich überwältigend. Ich war schon vorher auf Filmfestivals in Stuttgart und Wiesbaden und ich liebe dieses Land wirklich und genieße die Zeit hier. Während der Berlinale habe ich so viele wundervolle Menschen kennengelernt und hoffe, dass daraus in den kommenden Jahren wertvolle Freundschaften entstehen werden.

Mit welchen Erwartungen bist du denn hierher zu den Berlinale Talents gekommen?

Ich habe im Vorfeld schon von ehemaligen Teilnehmenden gehört, dass es eine bereichernde Erfahrung ist und sie viele Freunde gewonnen haben. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, mit dabei sein zu können. Ich fühle mich wirklich geehrt und privilegiert, zu den diesjährigen Berlinale Talents zu gehören. Ich wollte gerne Künstler aus der ganzen Welt treffen, mich mit ihnen austauschen und mein Netzwerk erweitern.

Du warst auch schon bei den Filmfestspielen in Cannes. Worin liegt für dich der Unterschied zur Berlinale?

Cannes war zentrierter. Dort war es viel einfacher, Leute zu treffen und sich immer wieder auch zufällig zu begegnen. Hier in Berlin ist alles viel weitläufiger und größer. Ich habe ein Hotel gehabt, dass eher außerhalb lag und ich die meiste Zeit im Taxi verbracht habe.

Wie wichtig ist es denn für Frauen, sich in der Filmbranche zu vernetzen? Wie wichtig ist es für dich als Schauspielerin?

Ich denke, es ist wirklich wichtig. Heutzutage spielen soziale Medien eine große Rolle, um auf sich aufmerksam zu machen, zu teilen, woran man gerade arbeitet und wer man ist. Wenn ich jemanden neues kennenlerne, dann tauschen wir keine Visitenkarten aus, sondern unsere Instagramprofile. Soziale Medien sind inzwischen einfach die Plattform, um sich zu vernetzen. Aber für mich als Schauspielerin ist es nochmal schwieriger. Ich brauche Regisseure, Produzenten, eine Produktionsfirma, um in meinem Beruf arbeiten zu können. Und es ist nicht immer leicht sich fremden Menschen vorzustellen und zu sagen „Hallo, ich bin Schauspielerin. Wollen wir zusammenarbeiten?“. Da bieten die Berlinale Talents eine wunderbare Möglichkeit, sich in entspannter Atmosphäre kennenzulernen.

Warum wolltest du überhaupt Schauspielerin werden?

Ich habe schon als Kind vor dem Spiegel gestanden und Menschen nachgeahmt. Außerdem ist meine ältere Schwester auch Schauspielerin und ich habe immer zu ihr aufgeschaut. Ich wollte immer so sein wie sie, war fasziniert von ihrem Leben, ihrer Arbeit. Das wollte ich auch. Mein erstes Vorsprechen hatte ich mit 17 Jahren bei der BBC für die Produktion „The Promise“. Das war mein erster Auftritt als Schauspielerin und ich war aufgeregt und begeistert. Da wusste ich einfach: Das ist es, was ich in meinem Leben machen möchte.

Und jetzt lebst du deinen Traum.

Ja, ich habe wirklich großes Glück. Inzwischen bin ich seit 15 Jahren Schauspielerin. Was mich daran so fasziniert ist, dass ich für eine Rolle in das Leben eines anderen Menschen schlüpfen kann und sei es nur für fünf Minuten.

Du bist bisher für Film und Fernsehen tätig, wäre Theater auch etwas für dich?

Das habe ich, abgesehen vom Schultheater, bisher noch nicht wirklich ausprobiert. Theater ist nochmal viel intensiver als vor der Kamera zu stehen. Es gibt keinen zweiten Take. Man geht auf die Bühne und muss funktionieren. Das würde mich schon reizen. Vielleicht ergibt sich da noch was.

Wie ist es für dich als Frau in der Filmbranche?

Es ist schwer. Bei uns im Nahen Osten sind die Protagonisten in der Regel männlich und Frauen erfüllen für gewöhnlich die Rolle des Opfers. Dabei sind wir stark, wir sind intelligent, empathisch, einfühlsam und haben so viel zu geben. Sogar in internationalen Produktionen werden Frauen aus dem Nahen Osten immer in der Opferrolle dargestellt. Sie leiden, kämpfen um ihr Leben. Ich wünsche mir wirklich, dass wir dieses Frauenbild ändern können.

Ein anderes Problem ist, dass die palästinische Filmbranche nicht sehr groß ist. Sie wächst langsam, aber die jährlichen Film- und Fernsehproduktionen sind begrenzt. Dennoch schafft sie es langsam immer mehr international einen Eindruck zu hinterlassen. Ich hatte das Glück an vielen palästinischen Produktionen mitwirken zu können und damit auch ein internationales Publikum zu erreichen. Aber es ist schwierig. Es gibt viele Schauspieler und man bekommt nicht so viel Arbeit, wie es in anderen Ländern der Fall wäre.

Deswegen habe ich auch einen Backup-Plan. Ich arbeite in einer Anwaltskanzlei, denn irgendwie muss ich ja auch meine Rechnungen bezahlen. Aber mein großer Traum wäre es, von der Schauspielerei leben zu können.

Wäre für dich in ein anderes Land auszuwandern und dort als Schauspielerin zu arbeiten eine Option?

Ich habe darüber definitiv nachgedacht und es würde mich auch reizen. Aber ich sehe es so: Wer im Ausland erfolgreich sein will, muss erstmal im Heimatland eine starke Basis haben. Jedes Land hat seine eigenen Schauspieler, warum sollten sie eine unbekannte palästinensische Schauspielerin haben wollen? Es ist etwas anderes, wenn man im eigenen Land erfolgreich ist, dann öffnen sich international ganz andere Türen. Dann kann man kulturelle Aspekte einbringen, für mehr Vielfalt sorgen und die Branche globaler gestalten. Aber bis dahin ist es ein langer Weg.

Hast du als Schauspielerin bestimmte Träume oder Wünsche, die du dir gerne noch erfüllen möchtest?

Nichts spezielles. Ich möchte einfach als Schauspielerin arbeiten und bin offen für alle Vorschläge. Ich möchte möglichst viele Menschen kennenlernen und in unterschiedlichen Projekten arbeiten. Vielfalt spielt für mich eine ganz wichtige Rolle. Das gilt sowohl für die Produktionen selbst, als auch für die Länder, in denen sie umgesetzt werden. Ich würde überall hinreisen.

Was mir wirklich bisher große Freude bereitet hat und mir als Schauspielerin auch viel gegeben hat, war der Besuch einer Schauspielschule in New York. Das war unglaublich intensiv und bereichernd. Dort haben wir verschiedene Techniken gelernt und es war eine ganz neue Erfahrung.

Wie wichtig sind für dich Mentoren?

Ich denke, man sollte jemanden haben, dem man alle möglichen Fragen stellen kann. Der für einen da ist und Tipps gibt z.B. für einen Monolog für ein Vorsprechen. Und einen auch wieder aufbaut, wenn ein Vorsprechen mal nicht so gut läuft. Denn das gibt es ja nunmal auch. Es gehört dazu, dass man einen Job nicht bekommt, den man unbedingt haben wollte. Ich bin dann auch am Boden zerstört und weine auch mal, wenn es nicht so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt habe. Es ist eben eine schwierige Branche. Da hilft es, jemanden zu haben, der einem wieder Mut macht. Wir haben ein Sprichwort. Übersetzt heißt es so viel wie: Manche Tagen sind wie Honig und andere sind wie Zwiebeln. Die Schauspielerei ist eine Achterbahnfahrt und es ist schwierig damit den Lebensunterhalt zu verdienen. Aber für mich gibt es nichts schöneres. Die Schauspielerei ist eine wunderschöne Kunst und ich liebe es!

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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