Prof. Dr. Barbara Praetorius: „Wir brauchen mehr Diversität in Entscheidungsprozessen.“
Prof. Dr. Barbara Praetorius ist Professorin für Nachhaltigkeit, Umwelt- und Energieökonomie und -politik an der Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) Berlin. Sie ist Aufsichtsrätin bei den Berliner Wasserbetrieben AöR und der Verbund AG (Österreich) und Beirätin in diversen Instituten und Unternehmen. Die Volkswirtin und promovierte Politikwissenschaftlerin war 2018-2019 Ko-Vorsitzende der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Bis 2017 war sie stellvertretende Direktorin bei Agora Energiewende. Von 2008 bis 2014 leitete sie den Stabsbereich Grundsatz und Strategie beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), nachdem sie von 1992 bis 2008 als Senior Researcher und Projektleiterin am DIW Berlin tätig war.
Wie definieren Sie Erfolg?
Eher immateriell. Und trotzdem verdiene ich auch gerne angemessen. Ich persönlich bin besonders zufrieden und fühle mich erfolgreich, wenn es mir gelingt, eine wichtige Frage der Nachhaltigkeit zu stellen, sie verständlich zu beantworten und damit den politischen Diskurs oder die Unternehmen weiterzubringen, in deren Gremien ich wirke. Was zeichnet Sie aus?
Ich bin neugierig und habe Spaß an Herausforderungen und kniffligen Fragen. Das Paradebeispiel dafür ist der Ko-Vorsitz in der Kohlekommission, den ich als Wissenschaftlerin unter Politik-Profis enorm bereichernd, aber auch herausfordernd fand. Außerdem bin ich ziemlich strukturiert und zielstrebig, und ich möchte Ergebnisse produzieren, die frau vorzeigen kann.
Wer oder was ist Ihr Motor?
Zum einen eine intrinsische Motivation: Wir fahren unsere Welt mit dem aktuellen Lebens- und Wirtschaftsstil absehbar an die Wand, und das würde ich gerne verhindern, denn meine beiden Töchter und insgesamt die künftigen Generationen sollen auch noch eine lebenswerte Zukunft haben. Das ist der Kern der Nachhaltigkeit: Gerechtigkeit für kommende Generationen, aber auch mehr Gerechtigkeit heute. Denn der globale Süden zahlt die Zeche für unseren überbordenden Konsum. Zum anderen habe ich eine grundsätzliche Lust, Dinge voranzubringen – und ziehe jede Menge Energie daraus.
Straighter Weg oder Abzweigungen – wie verlief Ihr Berufsweg bisher?
Wie man es nimmt. Anfangs ging es mir vor allem um den Klimaschutz, später immer mehr um Konzepte, mit denen man Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Innovation und wirtschaftlichen Erfolg zusammenbringen kann. Nach vielen Jahren in der beratenden Wissenschaft fand ich es deshalb spannend, im Verband kommunaler Unternehmen die wirtschaftliche Seite der Energieversorgung und Daseinsvorsorge kennenzulernen und bei Agora Energiewende mit pragmatischen Politikempfehlungen den Klimaschutz voranzutreiben. Als Professorin kann ich jetzt Wissen entwickeln, lehren und Unternehmen strategisch beraten. Letztlich ist das also eher ein geschnörkelter Weg um den klaren Kern der Nachhaltigkeit.
Besonders spannend finde ich übrigens, dass die Unternehmenswelt heute vielfach schon viel weiter ist als die Politik. Die Divestment-Bewegung (also der Rückzug von institutionellen Investoren aus klimaschädigenden Anlageoptionen, ESG-Kriterien, nicht-finanzielle Berichterstattung, Green Bonds werden für viele Unternehmen zum normalen Bestandteil der Unternehmensstrategie. Der Wettbewerb geht immer mehr darum, wer das globale Rennen macht in Sachen Technologieführerschaft bei Clean oder Green Techs. Das ist der Trend, und in dem Business haben Frauen auch zunehmend eine wichtige Rolle.
Gibt es Rollenbilder in Ihrem Alltag, denen Sie gern entkommen möchten?
Es sind weniger die Rollenbilder selbst, da hat sich einiges getan und ich erlebe eher Respekt und Anerkennung für meinen Karriereweg. Aber es gibt immer noch Glasdecken für Frauen in der Karriere, der gender pay gap ist Realität, und es gibt Fragen wie die nach der Familienplanung, die nur an Frauen gestellt werden. Aber Frauen sind auch selbst zögerlich, lassen die Option des Opting Out im Raum stehen. Hier wünsche ich mir mehr Zielstrebigkeit und Klarheit, denn dann richtet sich auch die Umwelt danach.
Welche eigene Erfahrung geben Sie anderen Frauen als Tipp mit auf den Weg?
Wir brauchen mehr Frauen in führenden Positionen, um mehr Diversität in die Entscheidungsprozesse zu bringen. Denn das macht uns als Wirtschaft und Gesellschaft letztlich resilienter und zukunftsfester. Beruflicher Erfolg als Frau braucht dabei mindestens drei Dinge: Erstens, auf sich selbst zu hören und sich die Rollenmodelle klar zu machen, von denen wir geprägt sind, um sie zu überwinden. Zweitens, selbstbewusst aufzutreten und sich Zögerlichkeit und vornehme Zurückhaltung zu verkneifen, und drittens, sich in Frauen-Netzwerken zu engagieren, die sich wechselseitig unterstützen. Den Austausch mit anderen Frauen erlebe ich als enorm hilfreich in allen großen und kleinen Fragen. Das ist eine wichtige Rückenstärkung.
Vielen Dank für das Gespräch!