Wikimedia Förderprogramm UNLOCK: Das sind die 5 Top-Projekte
Wikimedia Deutschland e. V. hat unter dem Namen „UNLOCK Wikimedia Accelerator“ ein Förderprogramm ins Leben gerufen, das Gründer*innen, die mit ihren Projekten und Ideen zu einer offenen und informierten Wissensgesellschaft beitragen, gesucht. Und ist fündig geworden!
Über 50 Teams haben sich mit ihren Ideen für Freies Wissen beim UNLOCK Accelerator beworben. Fünf davon haben dabei besonders überzeugt – sie nehmen an dem Förderprogramm teil und bekommen ein professionelles Coaching sowie Stipendien. Wir stellen die fünf Gewinner vor.
„Face the Facts“…
… ist eine Web-App, die mit Hilfe der Handykamera alle wichtigen Informationen über Politikerinnen und Politiker direkt am Wahlplakat sichtbar macht. Dazu gehören etwa politische Positionen, Nebentätigkeiten, vergangenes Abstimmungsverhalten, oder Kontroversen. So können sich Wählerinnen und Wähler einfach ein umfassendes Bild von Kandidatinnen und Kandidaten machen und schnell erkennen, wer den eigenen politischen Überzeugungen am Nächsten kommt.
Welches Problem löst eure Idee?
„Politikverdrossenheit nimmt überall auf der Welt zu. Zusammenhänge werden immer komplexer, was dazu führt, dass weltweit populistische Parteien in Parlamente gewählt werden, die vermeintlich einfache Lösungen präsentieren. Doch wer steht wirklich für welche Politik? Was bedeuten die Phrasen wirklich? Wer guckt mich da vom Wahlplakat eigentlich an?
Besonders für junge Menschen gibt es wenig auf sie zugeschnittene Medienangebote, um sich vor den Wahlen über die Kandidatinnen und Kandidaten zu informieren. Gleichzeitig sind die meisten anderen Angebote auf diesem Gebiet hochspezialisiert und die Informationen deshalb oft sehr fragmentiert, was es nicht leichter macht, sich vor Wahlen eine fundierte Meinung zu bilden. Das wollen wir ändern.“
Wie löst euer Projekt das Problem?
„Face the Facts“ ist ein Informationshub für Wahlen. Statt sich die Informationen über Kandidatinnen und Kandidaten mühsam aus verschiedenen Quellen zusammenzusuchen, muss der User nur noch seine Handykamera auf das Wahlplakat richten. Die Web-App erkennt die Person auf dem Plakat und gibt einen Überblick über politische Position, Abstimmungsverhalten, Kontroversen oder Nebentätigkeiten.
Wer sich noch umfassender informieren will, wird unkompliziert an die Quellen weitergeleitet. Damit „Face the Facts“ nicht nur Wählerinnen und Wählern in Deutschland zugute kommt, wird die App so konzipiert, dass sie mittelfristig von einer Community gepflegt und in jedem Land der Welt eingesetzt werden kann.“
Wem genau möchtet ihr mit eurer Idee helfen?
„Wir wollen vor allem die junge Zielgruppe und Nichtwählerinnen und Nichtwähler erreichen, die abseits von Wahlen in ihrem Alltag wenig Zeit finden, sich umfassend über Politik zu informieren. Wer sich heute eine fundierte Meinung bilden will, muss oft mehrere Zeitungen gleichzeitig lesen, Bundestagsdebatten verfolgen und manchmal sogar Parteiprogramme lesen.
Mit „Face the Facts“ machen wir diese Informationen dann zugänglich, wenn es darauf ankommt: Im Wahlkampf. Gleichzeitig orientieren wir uns in der Bedienbarkeit sehr an den Apps und Services mit denen die Zielgruppe vertraut ist. So machen wir es allen einfacher eine fundierte Wahl zu treffen.“
OHO …
… ist eine Plattform, auf der technisches Wissen bestehender Open Hardware (OH) Projekte gesammelt, dokumentiert und künftig zertifiziert wird. Vorbild: Wikipedia. Das Online-Lexikon hat es geschafft, eine einfach zu bedienende kollaborative Software, leicht zu erlernende Methoden für eine einheitliche Dokumentation sowie eine angepasste Organisation der Community bereitzustellen. Kernelement unseres Vorhabens ist die Community-basierte Zertifizierung von OH Projekten. Die Plattform OHO soll vorbereitet werden für Reviews, Feedback Loops und Zertifizierungen sowie für Anbindungen an andere Plattformen. Die innerhalb des Projekts erarbeitenden technischen Anforderungen können durch das bestehende OHO Team umgesetzt werden, dass auch die notwendige Infrastrukturen bereitstellt.
Durch die aktive Community wollen wir die langfristige Kontinuität und Qualität des technischen Wissens sichern und durch dezentrale Verteilung die Kontrolle darüber in die Hände der Zivilgesellschaft (zurück)geben.
Welches Problem löst eure Idee?
„Wie lassen sich Gebrauchsgegenstände für Alltag und Arbeit herstellen, reparieren oder wiederaufbereiten? Obwohl technische Produkte unser Leben und unsere Umwelt bestimmen, wissen wir als Einzelpersonen wenig darüber, wie sie hergestellt werden. Dieses technische Wissen frei verfügbar zu machen, ist der Schwerpunkt unseres Vorhabens.
Die im 20. Jahrhundert gewachsenen Strukturen des Patentrechts und die dadurch zunehmende Privatisierung und Monopolisierung von technischem Wissen haben dazu geführt, dass es heute vor allem der kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Zielverwirklichung einzelner Unternehmen dient.
Die Zahl der Produkte unter freien Lizenzen steigt. Jedoch fehlt es bisher an unabhängiger Infrastruktur sowie an Standards für die einheitliche Dokumentation von Open Hardware (OH). Wir sehen eine Notwendigkeit von Strukturen für freies technisches Wissen, dass den langfristigen Interessen unserer Gesellschaft dient. Genau an dieser Stelle setzt OHO an.“
Wie löst euer Projekt das Problem?
„Unser Projekt hilft konkret dabei, freies technisches Wissen aus den Bereichen Open Hardware und Do it Yourself (DIY) standardisiert zu dokumentieren, zu zertifizieren und international bekannt zu machen.
Wenn die vielen Menschen, Organisationen und Unternehmen, die im Bereich Open Hardware und DIY arbeiten, es schaffen, sich auf einen international einheitlichen „Quellcode“ in Form einer standardisierten technischen Dokumentation zu einigen, bietet Open Source Hardware ein mindestens genauso großes Potenzial wie Open Source Software.“
Wem genau möchtet ihr mit eurer Idee helfen?
„Für uns stehen drei Gruppen im Fokus:
- Privatpersonen, also Menschen die offene und nachhaltige Technologien in ihrem direkten Lebensumfeld einsetzen möchten
- Organisationen, die sich für die Verbreitung offener und nachhaltiger Technologien einsetzen
- Startups und (kleine) Unternehmen, die sich auf die Herstellung und den Vertrieb von offenen und nachhaltigen Technologien spezialisieren“
Unfrequently Asked Questions …
… fördert die Fähigkeit, ständig gute Fragen zu stellen. UnFAQ ist zum einen ein Kartenspiel mit einer Online-Datenbank, zum anderen ein Toolkit, bei dem Menschen leicht Inhalte ergänzen können. UnFAQ gibt anspruchsvollen und großen Fragen eine Bühne – also solchen Fragen, die sich auf wirklich komplexe Themen beziehen. Im Vordergrund steht dabei, dass Menschen einen eigenen Blick auf diese Bereiche gewinnen können. Ein Beispiel: Bei der Corona-App schien es nur zwei relevante Positionen zu geben: Pro-Gesundheit oder Pro-Datenschutz. Dabei hätte es bei diesem Thema noch so viele weitere Aspekte gegeben, die man hätte diskutieren können. Genau so etwas will UnFAQ ermöglichen. Damit wollen wir dazu beitragen, Menschen wieder selbstbestimmter denken zu lassen und zu besseren Entscheidungen zu bringen.
Welches Problem löst eure Idee?
„Wir können online zahlreiche Informationen abrufen – aber die Algorithmen der großen Netzwerke führen dazu, dass wir nur noch eingeschränkt Wissen und Perspektiven von anderen hören. Das wollen wir ändern: Wir finden, dass Menschen deutlich reflektierter mit Themen umgehen können, um eigene Haltungen auf Basis vieler anderer – auch abweichender – Meinungen zu bilden.“
Wie löst euer Projekt das Problem?
„Wir arbeiten mit Organisationen zusammen, die unsere Anliegen und Bedenken teilen. Das beinhaltet politische Entscheidungsträgerinnen und -träger, die sich bürgerschaftlich engagieren sowie akademische Einrichtungen und Bildungsinstitute, die kritische und reflektierte Studierende ausbilden wollen. Gemeinsam mit diesem Netzwerk bauen wir UnFAQ als Open-Source-Plattform auf, die ständig ergänzt und erweitert werden kann. Damit entsteht ein neues und leistungsfähiges Tool, um Entscheidungsprozesse, Innovationen und neue Bildungsideen zu fördern.“
Wem genau möchtet ihr mit eurer Idee helfen?
„Wir unterstützen mit UnFAQ alle, die dazu bereit sind, ihre eigene Meinungs-Komfortzone zu verlassen und sich reflektierter, kritischer und ausgewogener als bisher mit den wichtigen Themen unserer Zeit auseinanderzusetzen: von Schülerinnen und Schülern bis hin zu Beamten und all jenen, die sich aufgeschlossen und reflektiert eine eigene Meinung bilden wollen.“
Futures Probes …
ist eine qualitative Erhebungsmethode zur Erstellung wünschbarer Zukünfte mit dem Anspruch transparent und inklusiv zu sein. Das Formulieren von Zukunftsvorstellungen kann den Raum der Möglichkeiten sowohl erweitern wie auch einschränken. Sie limitieren und motivieren zukunftsgerichtete Aktionen und sollten deswegen nicht nur von den üblichen Eliten aus akademischen und wirtschaftlichen Kreisen erstellt und in der Öffentlichkeit kommuniziert werden, sondern von möglichst vielen unterschiedlichen Personen. Mit diesem Ziel will Futures Probes verschiedene gesellschaftliche Akteur*innen dazu befähigen, sich bewusst mit den eigenen Zukunftsvorstellungen sowie den eigenen Gestaltungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.
Welches Problem löst eure Idee?
„Zukunftsgestaltung braucht uns alle! Bisher werden Zukunftsszenarien aber oft nur innerhalb von akademisch-institutionellen Rahmen oder in Feuilletons produziert. Dies schafft Filterblasen, die den gesellschaftlichen Diskurs selten voranbringen. Wichtiger wäre, dass gegenwärtige und transparent kontextualisierte Zukunftswünsche und -vorstellungen von einer Vielzahl gesellschaftlicher Akteur*innen formuliert werden. Statt also nur über Forschungsergebnisse zu informieren, benötigt es einen wechselseitigen Austausch zwischen Wissenschaft und dem breiten Spektrum der Gesellschaft.
Dies hätte zur Folge, dass wissenschaftliches Handeln Verständnis und Akzeptanz erzeugt und nicht mehr nur Eliten vorbehalten ist. Innerhalb dieses Paradigmas gilt jede Perspektive als wertvoll, weshalb in einem gegenseitigen Lernprozess die verschiedenen Akteur*innen voneinander profitieren können. Selbst vermeintlich “neutrale” Wissenschaftler*innen können nur aus ihrer subjektiven Perspektive aus arbeiten, weshalb einen transparenten Umgang mit den Personen hinter der Forschung geben muss.
Futures Probes gründete sich ausgehend von den Erfahrungen im Bezug auf die Corona-Pandemie, welche viele dazu zwang ihren Alltag umzustellen und somit momentane Lebensweisen zu hinterfragen. Die Kernfrage war hier: Was ist trotz aller Herausforderungen gerade gut – oder sogar besser als sonst –, und was davon sollte in die “Post-Corona Welt” hinübergerettet werden?“
Wie löst euer Projekt das Problem?
„Wir haben mit Futures Probes eine qualitative Forschungsmethode entwickelt, um für aktuell relevante gesellschaftliche Themen die Stimmen marginalisierter Zielgruppen erfassen zu können. Dazu führen wir qualitative Interviews über z.B. Messenger-Programme durch, die die Zielgruppe in der Regel über drei bis fünf Tagen mit verschiedenen Fragen begleiten. Den Anfang machten Interviews zu den Veränderungen, die die Coronakrise in das Leben der Menschen gebracht hat.“
Wem genau möchtet ihr mit eurer Idee helfen?
„Wir sehen aktuell drei weltweit relevante Themen: Covid-19, institutioneller Rassismus und Klimawandel. Dies sind komplexe Herausforderungen, die nahezu alle Menschen betreffen – deren Diskurse und Lösungsansätze jedoch weit davon entfernt sind, alle wichtigen Perspektiven zu integrieren.
Die Zielgruppe von Futures Probes sind daher zunächst alle Menschen, die vom System marginalisiert, nicht gehört werden, oder zumindest selten in vorderster Reihe der Perspektiven stehen. Genau diese Menschen und ihre Stimmen sind aber ausschlaggebend, wenn wir “Zukunft” inklusiv & fair gestalten wollen.“
Audiopedia – Hörbares Wissen für marginalisierte Bevölkerungsgruppen …
… ist ein offenes, kollaboratives Projekt, um hörbares Wissen zur Verfügung zu stellen. Zwei Bestandteile sind dafür entscheidend: Freie Inhalte und freie Technologie. Die freien Inhalte zu Themen wie Gesundheit, Ernährung und Familienplanung werden von namhaften Quellen zu Verfügung gestellt, in einem Crowd-Translation-Prozess übersetzt und dann aufgenommen. Daraufhin sind sie frei im Internet verfügbar. Die Inhalte werden für die (analphabetische) Zielgruppe anhand einfach zugänglicher Technologien (solarbetriebene MP3 Player, Apps für Smartphones und Smart Feature Phones etc.) und Benutzeroberflächen zur Verfügung gestellt werden. Diese Technologie werden als Open Source Projekte entwickelt und ebenfalls frei verfügbar gemacht.
Darüber hinaus können die Audioinhalte zum Beispiel von NGOs mit Hilfe von Messaging Diensten (WhatsApp etc.) zur direkten Kommunikation mit ihren Zielgruppen genutzt werden.
Welches Problem löst eure Idee?
„Freies Wissen ist eine tolle Sache – aber was, wenn man nicht lesen und schreiben kann? Knapp 800 Millionen Menschen auf der Welt sind Analphabeten, 2/3 davon Frauen. Diese Zahlen haben sich in den letzten 30 Jahren trotz zahlreicher Maßnahmen nicht verändert.
Gerade Frauen sind der Garant für eine nachhaltige und erfolgreiche Entwicklung in Familien und Gemeinden. Natürlich muss das Ziel sein, jedem Menschen adäquate Bildung zukommen zu lassen. Doch das wird noch Jahrzehnte dauern. Deshalb wollen wir schon jetzt dabei helfen, diesen Gruppen möglichst schnell lebenswichtiges Wissen zu vermitteln.“
Wie löst euer Projekt das Problem?
„Zum Teil können wir unsere Zielgruppe direkt über das Internet zum Beispiel über Smart Feature Phones erreichen, die etwa in Asien sehr weit verbreitet und günstig zu erwerben sind.
Unser Hauptkanal sind jedoch NGOs (Non-Government Organizations) und CBOs (Community-Based Organizations). Diese arbeiten schon direkt vor Ort mit den Zielgruppen. In Indien gibt es etwa knapp 30.000 dieser Organisationen, die sich auf regionaler Ebene um diese Bevölkerungsgruppen kümmern. Leider fehlen diesen kleinen Organisationen oft die Mittel, um digitales Audio in ihrer Arbeit einzusetzen und so den „community outreach“ effektiver zu gestalten. Audiopedia kann diese Organisationen in ihrer Arbeit wesentlich unterstützen.“
Wem genau möchtet ihr mit eurer Idee helfen?
„Unsere Kernzielgruppe sind marginalisierte – oft analphabetische – Bevölkerungsgruppen im Globalen Süden. Diese Gruppen verfügen zum Beispiel kaum über lebenswichtiges Gesundheitswissen. Die Folgen sind häufig leicht vermeidbare oder heilbare Gesundheitsprobleme zum Beispiel durch Durchfallerkrankungen.“
Weitere Informationen unter www.wikimedia.de und unter hwww.she-works.de