JUPP: Gestaltung gegen das Vergessen
Corinna Northe und Lena Schmidt sind die Gründerinnen der JUPP GmbH, die modern designte Alltagshelfer für ein gutes Leben mit Demenz entwickelt. Der JUPP-Onlineshop soll zur ersten Adresse für alle werden, die analoge und digitale Produkte für Menschen mit Demenz suchen. Das Start-Up unterstützt und entlastet Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen und Pflegenden, indem es zu mehr Selbstständigkeit, Kommunikation und Wohlbefinden beiträgt. Corinnas und Lenas erstes Produkt, ein Tagebuch für Menschen mit Demenz namens „HEUTE ist ein schöner Tag”, wird Anfang 2022 erscheinen. Zudem werden sie eine interaktive Informationsplattform launchen, die spielerisch über das Thema Demenz informiert.
JUPP gehört zu den Preisträger*innen der Kultur- und Kreativpiloten 2021.
Was ist die Besonderheit Ihres Start-ups?
Wir entwickeln Produkte speziell für Menschen mit Demenz, die dabei aber nicht bieder oder staubig wirken, sondern durch modernes Design überzeugen, das man gerne zu Hause hat. Alle unsere Produkte durchlaufen lange Testphasen, denn wir sind uns unserer Verantwortung bewusst. Wir unterstützen Menschen mit Demenz, aber auch die Angehörigen und Pflegenden stehen bei uns im Fokus, da auch sie Unterstützung brauchen.
Durch unsere Kommunikation per Du, wollen wir zeigen, dass wir selbst Betroffene sind und wissen, was es bedeutet, einen geliebten Menschen mit Demenz zu pflegen.
Was sind Ihre ersten beruflichen Erfolge?
Kurz nach der Gründung unserer Firma schrieb bereits die Deutsche Startups in der Rubrik „8 neue Startups, die einen ganz genauen Blick wert sind” über uns. Nun sind wir Titelträger*innen der Kultur- und Kreativpilot*innen, einer Auszeichnung der Bundesregierung. Und jetzt schreibt SHE works! über uns. Wir sind sehr glücklich über diese Entwicklung, die uns bestärkt weiter zu machen. Die Testauflage unseres Tagebuchs „HEUTE ist ein schöner Tag” für Menschen mit Demenz wurde äußerst positiv angenommen und hat unsere Tester*innen begeistert. Nach vielen Testreihen kommt es nun auf den Markt. Wir sind sehr glücklich darüber, dieses erste Ziel trotz der Corona-Pandemie erreicht zu haben, und sind unserer Community und vor allem den Tester*innen sehr dankbar für ihre Inspiration, Motivation und den regen Austausch.
Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?
Corinna Northe hat Kommunikationsdesign an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin studiert (B.A) und anschließend den Master in Visuelle Kommunikation (M.A) an der Universität der Künste Berlin absolviert. Anschließend arbeitete sie als Projektmanagerin für verschiedene Designagenturen und gründete 2014 ihr eigenes Designbüro. Sie ist spezialisiert auf barrierefreies Design sowie die Gestaltung von User Interfaces und Büchern.
Lena Schmidt hat International Business Administration (B.Sc.) an der University of Twente (NL) studiert und anschließend den Master in Strategic Management (M.Sc.) an der Erasmus University Rotterdam (NL) in der Fakultät Rotterdam School of Management absolviert. Ein Auslandssemester verbrachte sie an der Lund Universität in Lund, Schweden. Anschließend war sie weltweit als Unternehmensberaterin tätig. Zudem arbeitet Lena ehrenamtlich in einer Tagespflege.
Die Kombination aus Designexpertise und Wirtschaftsverstand führte dazu, dass die beiden ihr Unternehmen JUPP erfolgreich gründen konnten.
Corinna zu Lena:
Lena ist eine echte Teamworkerin. Auf sie ist zu 100 Prozent Verlass. Ich bin immer wieder erstaunt darüber, an was und wen Lena alles denkt. Ihr Umfeld kennt sie als eine sehr engagierte und herzliche Person. Lena liebt den Austausch mit anderen Menschen und schöpft daraus fortwährend neue Energie. Sie ist immer mit dem Herzen bei der Sache und handelt aus Überzeugung. Ihre Herzlichkeit ist mit großem, unermüdlichen Tatendrang vereint. Diese Eigenschaften sind ein starker Motor bei Ihrer Mission, Menschen mit Demenz zu einem besseren, selbstbestimmten und glücklichen Leben zu verhelfen.
Lena zu Corinna:
Corinna ist voller Power und Kreativität. Wenn sie ein Design entwickelt, bedenkt sie alle Ebenen und es macht wirklich Freude, sich das Ergebnis anzusehen. Es gibt immer viele wunderbar durchdachte Details, die ihren hohen Qualitätsanspruch widerspiegeln. Auch kleinere Themen wie Präsentationsfolien werden durch wenige Klicks von ihr zum Designobjekt. Für mich ist es fast wie Magie. Neben ihrer herausragenden Expertise bin ich auch immer wieder verblüfft, wie sie zwei Unternehmen, Familie und Alltag organisiert (und trotzdem noch Zeit findet, ein Ehrenamt in der Kita zu übernehmen). Corinna ist voller Energie und gedanklich immer schon viele Schritte voraus. Ich könnte mir keine bessere Mitgründerin vorstellen.
Was war für Sie der Auslöser, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Beide Gründerinnen haben in ihrem familiären Umfeld demenzielle Erkrankungen erlebt. Bei Corinna war es ihre Großmutter Hanna, bei Lena ihr Großvater Michel. Beide beschlossen unabhängig voneinander, Lösungen für die vielen Probleme zu entwickeln, die eine Demenzerkrankung mit sich bringt. Lena, die an einer Onlineplattform für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen arbeitete, entdeckte auf Corinnas Website Auszüge ihre Masterarbeit GRACE. Darin hatte Corinna Alltagshelfer für Menschen mit Demenz konzipiert. Die beiden lernten sich kennen und erkannten, dass sie die gleiche Leidenschaft und die gleiche Vision haben. Am 04. September 2020 gründeten sie gemeinsam die JUPP GmbH in Köln.
Wer hat Sie beraten, wer sind Ihre Helfer*innen und Mentor*innen?
Auf unserem bisherigen Weg hatten wir die Möglichkeit, Teil des Okandada Accelerator in Köln zu sein. Außerdem waren wir im Sommer bei der Summer School vom SpinLab in Leipzig dabei. Aktuell haben wir die Ehre, zu den 32 ausgezeichneten Unternehmen der Kultur- und Kreativpilot*innen zu gehören und werden hier über ein Jahr von zwei Mentor*innen betreut. Unsere Berater*innen sind zudem viele Senior*innen, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen, Pflegefachkräfte und Wissenschaftler*innen, denen wir außerordentlich dankbar sind. Auch Lenas ehrenamtliche Mitarbeit in der CJD Tagespflege in Frechen gibt uns immer wieder neue Impulse, um zu sehen, was zur Unterstützung wirklich gebraucht wird. Zudem tauschen wir uns viel mit anderen Institutionen aus, die sich im Bereich barrierefreies, selbstbestimmtes Leben bewegen, wie z.B. dem Haus der Zukunft am ukb, Berlin. Wir gehen viel auf Messen im altersgerechten Gesundheitsbereich und waren zuletzt bei der Age Tech Konferenz in Chemnitz.
Was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?
Unsere bisher größte Herausforderung war es, unser Buch „HEUTE ist ein schöner Tag” trotz der Corona-Pandemie fertigzustellen. Es bedarf vieler Testreihen, um ein Design zu entwickeln, das für Menschen mit Demenz geeignet ist. In der Gestaltung mussten Schriften, Illustrationen und Kontraste genauso getestet werden wie in der Sprache die Textformulierungen, Textmengen oder Rätselaufgaben. Der direkte Kontakt zu unseren Tester*innen war dafür elementar, was während der Pandemie verständlicherweise nicht leicht zu bewerkstelligen war. Zudem war Corinna gerade erst Mutter geworden. Es war in dieser Zeit eine riesige Herausforderung, wieder ihre Arbeit als selbstständige Grafik-Designerin aufzunehmen, gleichzeitig mit Lena JUPP zu gründen und dennoch voll und ganz für ihr Kind da zu sein. Gerade schreibt sie ein Buch darüber, wie man zugleich erfolgreiche Selbstständige und liebevolle Mutter sein kann.
Wie machen Sie auf Ihr Unternehmen aufmerksam?
Wie die allermeisten Unternehmen sind wir in sozialen Medien aktiv. Allerdings wollten wir von vornherein eine echte Community aufbauen, in der sich Angehörige von Menschen mit Demenz austauschen können. Auf Instagram haben wir inzwischen viele Follower, mit denen wir über das Thema Demenz sprechen. Zudem sind wir auf LinkedIn aktiv. Im Vorfeld unserer Veröffentlichung von „HEUTE ist ein schöner Tag” werden wir gezielt auf Medien zugehen und eine Werbeoffensive starten. Dabei werden wir auch mit anderen Start-Ups aus dem Gesundheitssektor kooperieren.
Wie haben Sie die Finanzierung Ihrer Gründung umgesetzt?
Unser Unternehmen ist aus eigenen Mitteln finanziert. Wir haben zusätzlich vom Gründerstipendium NRW sowie von tollen Accelerator-Programmen profitiert.
Welchen Traum möchten Sie noch verwirklichen?
In 5 Jahren sehen wir uns als marktführenden Onlineshop für alltagserleichternde Produkte für Menschen mit Demenz. Wir wollen bis dahin neben unserem Buch weitere, eigene Produkte auf den Markt gebracht haben und mit anderen Hersteller*innen kooperieren, die die gleichen Werte haben wie wir: gutes Design, Barrierefreiheit, Qualität und Nachhaltigkeit, Diversität und Inklusion. Unser Traum ist, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen und Pflegenden dadurch so sehr zu entlasten, dass Demenz mit mehr Leichtigkeit begegnet werden kann. Ein Demenz-Heilmittel wäre unser allergrößter Traum, aber da dies nicht in Reichweite ist, arbeiten wir weiter daran, das Leben trotz einer Demenz lebenswert zu gestalten.
Ihr Tipp: Was würden Sie anderen Gründerinnen empfehlen?
Fangt so früh wie möglich an, Euren eigenen Weg zu gehen und lasst Euch von niemandem den Wind aus den Segeln nehmen. Stellt Euch darauf ein, dass der Erfolg nicht von heute auf morgen kommt – aber er kommt, wenn Ihr optimistisch weiter macht und Euch treu bleibt.
Reflektiert Euer Handeln und hört nie auf, Neues zu lernen. Setzt Euch Ziele und schreibt sie regelmäßig auf. Wenn man weiß, wo man hin will, dann kommt man auch dort an.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!
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