Gründerinnen im Porträt

Corinna von Büdingen gründet Plattform für Schlaganfallbegleitung

Corinna von Büdingen / Foto Sebastian Fiebiger

Eigentlich wollte Corinna von Büdingen Pianistin werden. Ihren Weg zur Digital-Health- Unternehmerin fand die heute 52-jährige über einige Umwege. Das Elternhaus in Ravensburg blieb dabei immer die Konstante, die ihr Halt und Inspiration gab. Drei Kinder zog sie groß, während sie studierte und später Geschäftsführerin des Johner Instituts war. Vor einem Jahr ging sie mit der Plattform schlaganfallbegleitung.de an den Start. Ihr Vater stieg mit ein und mittlerweile engagiert sich auch Tochter Rosalie neben ihrem Medizinstudium. Im Interview erzählt Corinna von Büdingen von Familienzusammenhalt, sozialem Engagement und digitalen Möglichkeiten für mehr gesundheitliche Eigenverantwortung.
Ottonova - reduced to the best
Wenn man zu einer Digital-Health-Veranstaltung geht, trifft man hauptsächlich Jungakademiker, die maximal 35 Jahre alt sind. Sie haben mit 50 ein Digital-Health- Start-up gegründet. Viele würden das als mutig bezeichnen…

Mut ist beim Gründen natürlich immer dabei – egal, wie alt man ist. Bei mir war es so, dass vor zwei Jahren die Zeit reif war für etwas, das ich schon länger im Hinterkopf hatte. Und ich habe gespürt, dass ich mein Entrepreneur-Gen nun einfach ausleben musste. Es fühlte sich alles richtig an, ich hatte jede Menge Erfahrung in Führungspositionen und als Gründerberaterin gesammelt, war sattelfest in den Branchen Soziales, Digitales, Bildung und Gesundheit. Dieses Puzzle aus Reife, Gelassenheit und dem Willen, etwas ganz Bestimmtes bewegen zu wollen, setzte sich mit Nachdruck zusammen.

Wofür war die Zeit reif, als Sie sich für das Gründen entschieden haben?

Mit meinem Vater, der als Neurologe arbeitet, hatte ich mich schon länger darüber ausgetauscht, dass in puncto Gesundheitswissen der Menschen viel im Argen liegt. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass 60 Prozent der Deutschen sich zu wenig auskennen, was ihre Gesundheit betrifft. Dabei birgt die eigene 2 Gesundheitskompetenz ganz viele Chancen. Gerade Schlaganfallpatienten können mit dem richtigen Wissen ganz viel erreichen. Wenn sie sich richtig verhalten, können sie einem weiteren Schlaganfall sehr gut vorbeugen und die Weichen für eine weitgehende Regeneration stellen. Nicht zuletzt geht es darum, den Betroffenen mit Zuversicht zu helfen, denn viele haben noch das Bild von vor vielen Jahren im Kopf, wo ein Schlaganfall häufig dramatisch endete. Die Akutversorgung hat sich zwischenzeitlich erheblich verbessert. Also haben mein Vater und ich beschlossen, Experten zu dem Thema zusammenzutrommeln, ihr Wissen verständlich aufzubereiten und für jeden online zugänglich zu machen.

Ihre Plattform schlaganfallbegleitung.de ist nun seit einem Jahr online, herzlichen Glückwunsch! Wie blicken Sie auf das erste Jahr zurück?

Dankeschön. Wer mir vor einem Jahr gesagt hätte, wo wir mit den Besucherzahlen heute stehen, den hätte ich ausgelacht. Vor einem Jahr hatten wir noch etwas über 1.000 Visits pro Monat – heute ist es mehr als das 30-Fache. Mit einem engagierten Expertenteam konnten wir eine umfassende Online-Enzyklopädie zum Thema Schlaganfall aufbauen, die immer mehr Betroffene für eine digitale Begleitung nutzen. Besonders stolz macht es mich, dass wir diesen Erfolg ohne Venture Capital bisher aus eigener Kraft geschafft haben.

Warum ist Ihnen Ihre Unabhängigkeit so wichtig?

Gesundheit ist ein hochsensibles Thema. Wir tragen als gemeinnützige Organisation zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens bei. Durch die Gemeinnützigkeit sind wir unabhängig von Interessen Dritter. Das ist in Hinblick auf die Seriosität und Glaubwürdigkeit von Gesundheitsinformationen ein vertrauensbildender Faktor. Bei uns liegt der Fokus auf der Verbindung zwischen sozialem Engagement und betriebswirtschaftlichem Handeln. Mein Ziel ist es, ganz bewusst eine soziale Firma zu führen und mit dem betriebswirtschaftlichen Werkzeug einen Mehrwert für unsere Gesellschaft zu bieten. Dabei geht es durchaus auch um Gewinne, Umsätze und Wachstum, aber die Profitmaximierung wird abgeschwächt zugunsten eines gesellschaftlichen Engagements.

Woher kommt Ihr Drang danach, als Sozialunternehmerin etwas für die Gesellschaft zu bewegen?

Ich glaube, das ist tatsächlich erblich bedingt (lacht). Zu unserer Familie gehört soziales Engagement einfach dazu: Meine Mutter ist Vorsitzende des Vereins Kinderhilfe für Burma und unterstützt ein Kinderheim in Myanmar. Und mein Vater hat unter anderem den Förderverein gegen den Schlaganfall e.V. auf die Beine gestellt. Diesen Drang, Mehrwerte für die Gesellschaft zu schaffen, haben meine Eltern an mich 3 und meine Geschwister weitergegeben. Schon als Schülerin habe ich von meinem Taschengeld Patenschaften für Kinder in Entwicklungsländern übernommen und die Wäsche von Obdachlosen gewaschen – auch zu meiner Au-Pair-Zeit in San Francisco. Im Studium habe ich eine Familienmensa für studierende Mütter und deren Kinder gegründet, war Vorstand einer Betreuungsinitiative an der Hochschule in Konstanz und viele Jahre als Vereinsvorstand des Healthcare IT for Africa e.V. engagiert.

Nun haben Sie mit Ihrem Vater zusammen gegründet – auch das sieht man selten in der Start-up-Szene.

Ottonova - reduced to the bestMeine Tochter Rosalie ist mittlerweile auch an Bord und unterstützt die Redaktion neben ihrem Medizinstudium. Für mich gibt es nichts Besseres als generationenübergreifendes Arbeiten, denn ich bin der totale Familienmensch. Das zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Meine Eltern haben mich auch immer und in allem unterstützt – egal, ob es um einen Schwenk in meiner Ausbildungsplanung ging oder ob sie sich um die Kinder gekümmert haben, damit ich mein BWL-Studium beenden konnte. Sie haben mich als Schülerin auch kompromisslos in dem Wunsch unterstützt, Pianistin zu werden, so dass ich auf ein musisches Internat gewechselt bin und später in San Francisco Musik studiert habe. Der einzige Deal war, dass ich Geld dazuverdienen musste. Egal wo ich wohnte, es gab immer einen intensiven Austausch mit meinen Eltern, wir haben uns immer viel gesehen und verbringen bis heute Urlaube gemeinsam. Also war es nichts Außergewöhnliches, mit meinem Vater zu gründen. Im Gegenteil.

Wie würde sich Ihr Vater auf einer Digital-Health-Veranstaltung zwischen den vielen Jungakademikern fühlen?

Trotz des Altersunterschieds könnte er mit jedem von ihnen anregende Gespräche über digitale Gesundheit, Apps und Health-IT führen. Es gibt doch inzwischen keinen mehr, der sich nicht einigermaßen in der digitalen Welt bewegt – spätestens seit Corona. Meine Eltern und ihr Freundeskreis sind voll im digitalen Zeitalter angekommen mit über 80. Da ist alles dabei: Handy, Tablet, Computer. Mein Vater bringt natürlich mehr seine medizinische Expertise ins Unternehmen ein und ich die betriebswirtschaftliche. Aber es würde nicht zusammen funktionieren, wenn wir nicht beide so begeistert und überzeugt von digitaler Gesundheit wären.

Worin liegt diese Überzeugung?

Wenn Du ein Gesundheitsthema hast, bist Du normalerweise an Ort und Zeit gebunden: Du musst zu einem Arzt gehen, der an einem bestimmten Ort ist, um dann zu einer bestimmten Zeit dorthin zu gehen. Über den digitalen Weg bist Du örtlich und zeitlich völlig unabhängig. Aber nicht nur deshalb lässt sich über Gesundheits-Apps so 4 unglaublich viel machen. Es geht auch darum, dass

wir als Patienten mehr in die Selbstverantwortung gehen und aktiv etwas für unsere Gesundheit tun. Und dafür sind Apps perfekt.

Sie wollen also auch ein Schlaganfall-App entwickeln?

Das war schon immer unser Ziel und wir arbeiten daran, noch in diesem Jahr mit der Entwicklung zu beginnen. Durch unsere Enzyklopädie der Schlaganfallbegleitung und das ganze Expertenteam soll diese App das Beste werden, was es zum Schlaganfall gibt. Betroffene werden gemeinsam mit ihren Angehörigen unterstützt, mit den Folgen der Erkrankung klar zu kommen und einen erneuten Schlaganfall zu verhindern. Letztendlich soll auch die App wie eine Familie sein: begleitend, ehrlich, verlässlich und ungebunden von Ort und Zeit.

Über die vbms Schlaganfallbegleitung gGmbH
Die vbms Schlaganfallbegleitung gGmbH mit Sitz in Berlin ist eine gemeinnützige Gesellschaft zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens. Das Ziel der Webseite ist die Primär- und Sekundärprävention von Schlaganfällen durch Aufklärung, Unterstützung der Therapietreue und die digitale Begleitung von Betroffenen entlang des Patientenpfades. Gegründet wurde die Gesellschaft im Oktober 2020 von der Betriebswirtin Corinna von Büdingen und ihrem Vater, dem Neurologen und Schlaganfall-Experten Prof. Dr. med. Hans Joachim von Büdingen. Das Team besteht aus einer Redaktion – allesamt Top-Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten – und engagierten Menschen, die sich um die Technik, die Pressearbeit und die Öffentlichkeitsarbeit kümmern.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg!

Hier geht es direkt zur Homepage der  Schlaganfallbegleitung

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