Gründerinnen im Porträt

GoLexic: App für Kinder mit Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Schwäche

Samantha Merlivat ist die Gründerin von GoLexic – einem EdTech-Start-up mit Sitz in Berlin. GoLexic ist eine App, die Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) und/oder Legasthenie hilft, ihre Lese- und Schreibfähigkeiten zu verbessern. Wir haben sie zunächst für Eltern und Kinder entwickelt und stellen sie nun auch Schulen zur Verfügung. Die App ist für Kinder zwischen 7 und 12 Jahren gedacht.

Samantha Merlivat ist Titelträgerin 2023/24 der Kultur- und Kreativpilot*innen Deutschland.

Was ist die Besonderheit Ihres Start-ups?

Legasthenie und Lese-Rechtschreib-Schwäche betreffen mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland. Dies wirkt sich nicht nur auf ihre schulischen Leistungen und beruflichen Perspektiven aus, sondern auch auf ihr Selbstwertgefühl und ihr emotionales Wohlbefinden. Obwohl LRS so weit verbreitet ist, erhalten die meisten Kinder nicht die Hilfe, die sie brauchen, bevor sie die Schule verlassen.

Wir haben also eine App entwickelt, mit der Eltern und/oder Lehrer:innen Kindern helfen können, sobald sie merken, dass sie Schwierigkeiten beim Lesen haben. Wir verwenden Spracherkennungstechnologie, damit die Kinder das Lesen laut üben können, bei Bedarf auch allein. Wir nutzen dann diese Daten, um das Programm für sie zu personalisieren. So können wir die Leseförderung für diese Kinder individuell anpassen.

Was sind Ihre bisherigen Meilensteine seit der Gründung beziehungsweise seit der ersten Idee des Projekts?

Wir haben die App in Deutsch und Englisch entwickelt und in den AppStores in Deutschland, Großbritannien, Kanada – und jetzt im Januar 2024 in Österreich – gestartet. Im letzten Jahr haben wir fast ohne Marketing über 10.000 Downloads erreicht und die App zum ersten Mal in Schulen eingesetzt.

Was motiviert Sie?

Kindern zu helfen! Und die Erleichterung und Freude der Eltern zu sehen, wenn sie mir erzählen, wie die App ihrem Kind geholfen hat. Ich erinnere mich noch, wie meine eigene Familie mit der Legasthenie meines Bruders zu kämpfen hatte und wie schmerzhaft die Schule für ihn war. Er hatte als Kind sehr mit seinem Selbstwertgefühl zu kämpfen und schämte sich, dass er nicht lesen und schreiben konnte wie seine Freund:innen. Ich sehe das immer noch ständig bei den Kindern, denen wir helfen, und ich bin unglaublich dankbar, dass ich die Gelegenheit bekommen habe, einen kleinen Unterschied in ihrem Leben zu machen.

Wie ist Ihr beruflicher Werdegang?

Ich war in der Unternehmensstrategie tätig und habe dann als Analystin im Bereich AdTech gearbeitet. Dadurch habe ich schon viel über die Nutzung von Daten für Personalisierung, Geschäftsmodelle in digitalen Medien, digitalen Datenschutz, und auch die Entwicklung von Marketingstrategien mit hohem ROI gelernt.

Was war für Sie der Auslöser, ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Meine Mutter leitet ein Institut für Legasthenie in Frankreich, wo ich herkomme. Vor einigen Jahren habe ich ihr geholfen und festgestellt, dass alle Eltern, mit denen sie arbeitet, eine ähnliche Geschichte haben. Sie wissen seit einigen Jahren, dass ihr Kind überdurchschnittliche Schwierigkeiten beim Lesen hat. Jeden Tag sehen sie, wie sich ihr Kind in der Schule abmüht. Sie suchen seit zwei oder drei Jahren nach einer Lösung, aber der Prozess ist schwierig und die Wartezeiten sind lang. Das erinnert natürlich an meine eigene Geschichte, denn ich sah, wie meine Eltern mit meinem Bruder dieselben Probleme hatten, als wir Kinder waren.

Ich habe mich auf dem Markt für Leseförderung umgesehen und festgestellt, dass es für Eltern keine Ressourcen gibt. Also sind sie immer auf externe Hilfe angewiesen. Das wollte ich ändern. Ich wollte ein Tool entwickeln, das jeder benutzen kann, um einem Kind, das Schwierigkeiten hat, zu helfen, besser lesen zu lernen. Und das ist jetzt die GoLexic App.

Wer hat Sie beraten, wer sind Ihre Helfer*innen und Mentor*innen?

Ich hatte großartige Mentor:innen in den verschiedenen Accelerator-Programmen, an denen ich teilnehmen durfte. Aber ich habe auch viel Hilfe und Inspiration von meinen Peers bekommen. Ich bin von einer Gruppe Berliner Gründerinnen umgeben, die unglaublich erfahren, offen und hilfsbereit sind. Wenn ich mich mit einer Frage an die Gruppe wende, gibt es immer jemanden, der bereits die gleichen Wachstumsschmerzen durchgemacht hat und seine Erfahrungen teilen kann. Sowohl für meine berufliche als auch für persönliche Entwicklung waren diese Freundschaften sehr wichtig.

Was war Ihre größte Herausforderung und wie haben Sie diese gemeistert?

Für mich als Einzelgründerin war es am schwierigsten, meinen eigenen Entscheidungen zu vertrauen und bereit zu sein, die volle Verantwortung für jedes Ergebnis zu übernehmen. Ich bin nicht in der Lage, Probleme mit einem Mitgründer zu besprechen. Wenn ich zögere, muss ich allein einen Ausweg finden. Ich kann auch das Risiko nicht teilen – wenn sich eine Entscheidung als falsch herausstellt, trage ich die volle Verantwortung. Früher hat mich das sehr unter Druck gesetzt, aber mit der Zeit habe ich gelernt, damit umzugehen und darauf zu vertrauen, dass ich immer eine Lösung finde. Seit ich das Unternehmen gegründet habe, habe ich ein starkes „Bauchgefühl“ entwickelt. Das hat mir geholfen, Entscheidungen schneller zu treffen und mit Risiken besser umzugehen.

Wie machen Sie auf Ihr Unternehmen aufmerksam?

In gewisser Weise haben wir den Vorteil, dass Eltern aktiv im Internet nach Legasthenie und LRS suchen, daher dreht sich ein großer Teil unserer Strategie um die Website – SEO und Content/Inhalte. Das passt auch zu unserer Brand, da wir versuchen, Eltern über Lese-Rechtschreib-Schwäche und Legasthenie aufzuklären.

Wie haben Sie die Finanzierung Ihrer Gründung bisher umgesetzt und was sind zukünftige Pläne beziehungsweise Ideen dafür?

Wir sind bootstrapped und haben uns durch eine Kombination aus öffentlichen Programmen, Acceleratoren und unseren eigenen Einnahmen finanziert.

Welchen Traum möchten Sie mit Ihrem Unternehmen/Projekt verwirklichen?

Ich möchte, dass Leseförderung für alle Kinder leicht zugänglich ist. Lesen und schreiben sind die Grundlagen für alles andere, was wir in der Schule tun. Ich möchte, dass jedes Kind die gleichen Chancen hat, seine Lesefähigkeiten zu entwickeln. Heute kämpft das Bildungssystem damit, auf die Bedürfnisse von Kindern einzugehen, die anders lernen. In Deutschland hat jedes vierte Kind Probleme mit dem Lesen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Technologie diesen Kindern effektiv helfen kann, indem sie eine personalisierte Förderung ermöglicht.

Was macht Sie als Unternehmer*innen-Persönlichkeit aus?

Ich würde sagen, ich bin unnachgiebig, flexibel, zugänglich und pragmatisch. Unnachgiebig, weil ich nie aufgebe. Flexibel, weil ich immer einen Weg nach vorne finde, selbst wenn sich eine Tür schließt. Zugänglich, weil ich es liebe, Wissen zu teilen und mich mit anderen zu verbinden. Und pragmatisch, weil ich mir – obwohl ich große Träume und Ideen habe – anschaue, was funktioniert und was nicht, und das nutze, um Entscheidungen zu treffen.

Ihr Tipp: Was würden Sie anderen Gründerinnen empfehlen?

Finde deine „Champions“, sowohl in deinem Umfeld als auch in den Unternehmen (oder Venture Capital Investoren), mit denen du zusammenarbeiten willst. In deinem Umfeld solltest du Peers finden, die dich unterstützen, herausfordern, vorantreiben, und inspirieren. In der Geschäftswelt, egal ob du nach einer Investition, Partnerschaft, oder Business Deal suchst: Finde deinen Champion im Unternehmen – jemanden, der an dein Projekt glaubt, der sich für dein Start-up einsetzt und dich voranbringt.

Vielen Dank!

Hier geht es direkt zur Website von GoLexic: www.golexic.com

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