SHE works!

Macht zur Veränderung oder auf der Jagd nach Erfolg…

Von Nadine Dlouhy

Wie viel Einfluss und Nähe sind in einem Unternehmen angemessen? Der Fall des Ex-„Bild“-Zeitung-Chefredakteurs Julian Reichelt wirft noch immer einige Fragen auf. Dem Journalisten wird Belästigung und auch Machtmissbrauch vorgeworfen. Natürlich stellt sich daher die Frage, wie viel Macht darf eine Person in einem Unternehmen besitzen? Sind starke Machtverhältnisse dem Betrieb wirklich dienlich oder liegen dem Ganzen auch positive Aspekte zugrunde?

Der Fall „Julian Reichelt“

An dieser Stelle sei festgehalten, der Fall „Reichelt“ zeigt wie es nicht seien sollte, dass eine Person im Unternehmen Macht über andere ausüben kann und darf. Ein kurzer Rückblick: Julian Reichelt war unter Druck geraten, als bekannt wurde, dass ein internes Compliance-Verfahren gegen ihn geführt wurde. Grund war der Vorwurf des Machtmissbrauchs und der sexuellen Belästigung gegenüber Mitarbeiter:innen.

Aber: Der ehemalige Chefredakteur durfte schon nach kurzer „Beurlaubung“ wieder seinen Dienst aufnehmen. Angeblich geläutert und voller Reue führten er und Alexandra Würzbach die Chefredaktion gemeinsam weiter – bis vor wenigen Wochen. Denn dann gestand er, Beruf und Privates nicht ausreichend voneinander getrennt zu haben.

Nicht nur, dass Reichelt seine Position ausgenutzt und andere Personen systematisch seinen Erwartungen an eine Zusammenarbeit unterworfen hatte – er wurde auch noch lange Zeit in seinem Handeln geduldet. Denn, der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, wusste um die Vorwürfe, die Julian Reichelt angelastet wurden. Doch statt einer Freistellung „[…] gab es eine zweite Chance,“ wie der Springer-Verlag schrieb.

Ist das der Weg, wie interne Verfahren aufgrund von Position und Verhältnis zu einzelnen Personen gelöst bzw. totgeschwiegen werden … Stellen sich doch die Fragen: Wie eng darf die Beziehung zu anderen Mitarbeiter:innen im Unternehmen sein, wie viel Macht tut einer Person „gut“ und worüber definiert sich letztlich der Erfolg? Ist Erfolg das was wir sind oder das was wir schaffen?

Macht schafft auch neue Möglichkeiten

Der Fall „Reichelt“ zeigt, dass soziale bzw. nahe/enge Beziehungen Vorteile in der Berufswelt bieten. Mit Blick auf die Vorwürfe ist das Handeln des ehemaligen Chefredakteurs nicht zu billigen, und dennoch ist festzuhalten, dass Macht nicht immer etwas Negatives sein muss.

Macht kann positive Ausprägungen haben, etwa dann, wenn man andere daran teilhaben lässt und sie mit positiven Werten und Normen behaftet. Ein Beispiel: ältere oder lang gediente Mitarbeiter:innen verfügen oft über eine hierarchisch höhere Position als junge bzw. neue Mitarbeiter:innen. Bedeutet, sie besitzen in der Regel mehr Einfluss. Nun kann diese Stellung – wie im Fall „Reichelt“ – ausgenutzt oder missbraucht werden oder aber, man teilt diese mit anderen Kolleg:innen. Macht gleich gemeinsames Machen oder Erschaffen!

Im Idealfall entstehen daraus völlig neue Synergien, die letztlich in den gemeinsamen Erfolg des Unternehmens einzahlen. Ein vergleichbares Beispiel ist der Satz:

Wissen ist Macht.

Das gilt bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Wissen möglicherweise verloren geht. Etwa wenn die Person, die über das Wissen verfügt, den Betrieb verlässt. Daher ist es wichtig, dieses Know-how bzw. diese Ressource zu erhalten, zu teilen und zu erweitern – quasi durch Macht die Kreativität fördern, um Neues zu erschaffen.

Macht kann auch der Schlüssel zu Veränderungen sein. Nur wer Macht besitzt, kann notwendige – möglicherweise längst überfällige – Transformationsprozesse anstoßen. Auch kann die Person die Menschen (Kolleg:innen, Partner oder Vorstandsmitglieder) motivieren und überzeugen neue Strukturen und Prozesse anzudenken und zu implementieren.

Macht muss nicht immer mit dem negativen Aspekt des Missbrauchs konnotiert werden, sondern ist auch eine Möglichkeit Fortschritt voranzutreiben und positive Entwicklungen anzustoßen.

Soziale & private Nähe: wirtschaftliche Katalysatoren

Das Vermischen von Beruf- und Privatleben birgt verdeckte Gefahren, etwa dann, wenn man die definierten Grenzen beginnt zu überschreiten. Um noch einmal den Fall „Reichelt“ heranzuziehen: das private Interesse über die allgemeinen Ziele des Unternehmens zu stellen ist nicht richtig. Dennoch nimmt die Verbindung von Privat- und Berufsleben eine immer wichtigere Stellung – gerade hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolges – eine immer zentralere Rolle ein.

Darunter fällt auch der Punkt des Netzwerkens. Denn: Netzwerken heißt auch in die eigene und auch gemeinsame Zukunft zu investieren. Ein stabiles, vertrauenswürdiges und progressives, zwischenmenschliches Verhältnis fördert den Erfolg. Der Aufbau und die Pflege von Kontakten bringt es mit sich, dass erst einmal gegeben werden muss. In der Folge werden Wissen, Macht und Ressourcen geteilt und man muss auf sich aufmerksam – ohne, dass sich am Anfang ein wirklicher Mehrwert daraus ergibt.

Aber, wenn man sich den Personen öffnet, sie teilhaben lässt an den eigenen Vorstellungen, Wünschen, Interessen und Vorstellungen, gibt man ihnen die Möglichkeit an diesen zu partizipieren bzw. sie gemeinsam zu tragen. Dann entstehen auch nachhaltige, sichere und auf Vertrauen beruhende Verbindungen, die dem geteilten Ziel nutzen.

Problematisch wird es, wenn die berufliche Position dahingehend ausgenutzt wird, um ein rein privates Interesse zu verfolgen. Die möglichen Folgen sind Konflikte, falsche Abhängigkeiten oder gar Machtmissbrauch. Wenn also die Grenzen nicht klar gezogen werden und nicht im gemeinsamen Interesse gehandelt wird, entsteht ein enormes Risikopotenzial für alle beteiligten Personen.

Netzwerke schaffen, Macht teilen & Vertrauen belohnen

Macht und enge soziale Beziehungen in einem Unternehmen oder zu anderen Personen sind nicht kategorisch als negativ zu beurteilen. Das Gegenteil ist häufig der Fall. Es können wertvolle Beziehungen und progressive Entwicklungen entstehen.

Netzwerken heißt sich sichtbar machen, andere an den eigenen Gedanken teilhaben zu lassen. Es ist etwas Positives, die eigene Meinung mit anderen zu teilen oder das Wissen an andere weiterzugeben, woraus sich etwas Neues erschafft. Verbindungen, soziale Kontakte und Machtpositionen können der Türöffner für ganz neue Wege sein, die man alleine gar nicht beschreiten hätte können. Etwa weil die eigene Erfahrung noch nicht ausreichend genug war, um in größeren Sphären zu denken.

Macht teilen und Netzwerken bedeutet auch, den Menschen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Und Vertrauen ist ein Schlüsselfaktor für ein soziales, nachhaltiges und erfolgreiches Unternehmertum für alle Parteien. Um so schwerwiegender wirken daher Vorfälle, wie die des Ex-Chefredakteurs, wenn Vertrauen ausgenutzt wird.

Eine Möglichkeit dem entgegenzuwirken ist es, Transparenz und klare Strukturen zu schaffen. Transparenz, weil Mitarbeiter:innen klar erkennen, verstehen und einordnen können, welche Umstände vorherrschen bzw. sie auch erkennen können, wie sie von Veränderungen, Verbindungen und Machtverhältnissen profitieren können. Zum anderen sind klare Strukturen notwendig, um verbindliche Rahmenbedingungen für alle zu schaffen.

Unterm Strich sind Macht und soziale Verbindungen ein fester Bestandteil unseres Miteinanders, die ihre positiven Seiten haben und die es auch zu fokussieren und zu fördern gibt.

Über die Autorin

Nadine Dlouhy ist mehrfach ausgezeichnete Top-Expertin für strategische Markenentwicklung und Positionierung. Als CEO der BrandLite GmbH unterstützt sie Unternehmen dabei, Marken digital sichtbar und erlebbar zu machen. Zudem ist sie als Dozentin an der Hochschule Fresenius University of Applied Science tätig – ihre Schwerpunkte liegen hier mitunter im Bereich „Digitale Innovation“ und „Strategisches Management“. Mit Ihrem Buch „Think Innovation – der Management-Ratgeber“ ist sie Amazon-Bestseller-Autorin und zählt zu den Top 10 Coaches in D/A/CH. Regelmäßig wird Nadine Dlouhy von renommierten Medien, wie z.B. N-TV, FOCUS, W&V, WDR u.v.m. als Expertin interviewt.
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